Timo Pape: „Interesse in Deutschland hat auch immer mit Personenkult zu tun“.
Seit dem 13. September 2014 gehört die Formel E zum weltweiten Motorsport dazu, seit dieser Saison mit dem Status einer Weltmeisterschaft! Das Konzept basiert nicht nur auf einem rein batterieelektrischen Antrieb, die Formel E steht für revolutionäre Rennsportideen. Timo Pape, Gründer und Geschäftsführer des Nachrichtenportals „e-Formel.de“ begleitet die Formel E seit dem ersten Tag, seit der ersten Ausfahrt.
Timo, vor sieben Jahr war die gesamte E-Mobilität in Deutschland noch nicht so ein großes Thema. Wie kommt man also auf die Idee, mit „e-Formel.de“ eine Webseite über batterieelektrischen Motorsport ins Leben zu rufen?
Timo Pape: Es liegt ein wenig an meiner persönlichen Geschichte, da ich zuvor im klassischen Motorsport unterwegs war. Vor allem über Formel 1, DTM usw. berichtet habe und als in 2013 die Formel E aufkam, fand ich das Thema sehr spannend. Die Formel E legte ein unheimliches Tempo vor und ich wollte das ganze Thema tiefer begleiten, darüber berichten. Und im Juni 2014 ging es dann mit einem begleitenden Blog los, was sich aber recht schnell zu einer kompletten Webseite entwickelt hat, weil auch die Nachrichtenlage immer besser und mehr wurde.
Wo willst Du in den nächsten Jahren mit der Website noch hin?
Timo Pape: Eine gute, aber auch schwierige Frage. Es gibt kein Limit. Die Seite und das Netzwerk sollen stetig weiter wachsen. Das ist das Ziel, hängt aber ein bisschen immer auch von Faktoren ab, die wir nicht beeinflussen können. Beispielsweise: Wie wird das ganze Thema Formel E von anderen Leitmedien in Deutschland gepusht. Im Fernsehen hat ja nun „Sat.1“ übernommen. Das merken wir nach dem ersten Rennwochenende, dass das Interesse gestiegen ist. Dazu sind die Sponsoren, die deutschen Unternehmen, die deutschen Herstellern und die Zulieferer ein wichtiger Faktor.
Zurück zu der eigentlichen Frage: Uns sind keine Grenzen gesetzt. Ich expandiere soweit die Formel E und die gesamte Branche es zu lassen. Für die kommenden Monate habe ich große neue Schritte geplant.
Apropos Expansion. Die Extreme E kommt diesen Sommer neu auf den Markt. Was hältst Du von dem so komplett anderen Konzept?
Timo Pape: Ich finde es ein sehr spannendes Konzept, was es so im Motorsport noch nie zuvor gab. Die setzen schon auf revolutionäre Merkmale, beispielsweise abgelegene, bildlich spektakuläre Locations, die per Schiff angesteuert werden.
Dann natürlich die Nachhaltigkeit, was man sich als große Botschaft auf die Fahne geschrieben hat. Interessant für Unternehmen, sich in der Zukunft zu engagieren. Ich finde, das Konzept des Rennformats klingt sehr vielversprechend und kurzweilig. Grundsätzlich kann ich auch die Kritiker nachvollziehen, die einen Widerspruch im Konzept sehen. Um auf den Klimawandel zu verweisen, wird an Locations gefahren, die schon sichtbar, spürbar davon betroffen. Ein Widerspruch?
Ich bin sehr gespannt, wie sich das erste Rennwochenende so gestalten wird!
In der Extreme E sind ja auch große Namen engagiert. Als Teameigner etwa Lewis Hamilton oder Nico Rosberg. Glaubst Du, die großen Namen werden bei dem einen oder anderen Rennen auch vor Ort dabei sein?
Timo Pape: Ich kann mir schon vorstellen, dass gerade Nico Rosberg auch mal vor Ort dabei sein wird. Er macht viel zum ganzen Thema in seinen Netzwerken. Lewis Hamilton? Abwarten. Er wird alles verfolgen, aber lebt Nachhaltigkeit bewusst. Für ein Rennen, just for fun, wird er vielleicht nicht bis ans Ende der Welt fliegen. Wenn es um die Ecke ist, wird er sein Team, die Extreme E und ein Rennen schon eher besuchen.
Kommen wir zur Formel E, blicken aber noch einmal auf das große Finale 2020 in Berlin zurück. Wie haben Dir die sechs Rennen gefallen?
Timo Pape: Es war für uns natürlich echt ein Marathon, genauso wie für die ganze Formel E. Innerhalb von neun Tagen sechs Rennen, das ist schon extrem und das gilt, glaube ich, auch für die Fans. Man hat an unseren Klickzahlen gesehen, dass das Interesse mit jedem Rennen abgeflacht ist. Am Anfang war nach der langen Pause ein sehr hohes Interesse vorhanden, doch es wurde einfach zu viel, ohne Abwechslung, immer an der gleichen Location. Aber es musste sein, damit es zu einem regelkonformen Abschluss in der Meisterschaft kommen konnte. Es sorgte zudem auch für mediales Interesse, worum es den Sponsoren geht. Von daher war das in der Pandemie die beste Lösung. Trotzdem hoffen alle, dass es dazu nicht noch einmal kommt.
Ich kenne das Rennen in Berlin, als es noch direkt in der Stadt war, jetzt ist es seit einiger Zeit auf dem alten Flughafengelände. Entspricht dies überhaupt dem Grundgedanken der Formel E?
Timo Pape: So halb … das Flughafengelände Tempelhof ist ja zentral gelegen, gut erreichbar mit Bus und U-Bahn. Aber der eigentliche Grundgedanke ist halt wirklich, Straßenrennen mit Mauern, die nah an der Strecke sind, wo keine Fehler erlaubt sind. Tempelhof entspricht diesem Konzept nicht so ganz, weil die Strecke eben auf einer freien Fläche aufgebaut wird und dadurch die Rennen oftmals nicht die Klasse besitzen wie wirkliche Straßenrennen. Es passiert doch schon deutlich weniger. Aber gleichzeitig hat Tempelhof sehr viele Vorteile. Für Sponsoren, weil so viel Platz vorhanden ist. Platz für eigene Stände und Ausstellungen. Dadurch ist Tempelhof auch wieder einzigartig. Und in der Pandemie hat Berlin die Rennserie damals auch gewissermaßen gerettet.
Hamburg, München, Stuttgart sind immer wieder Thema. Warum gibt es aber nur ein Rennen in Deutschland?
Timo Pape: Ich denke, dass die Formel E natürlich eine Weltmeisterschaft ist und global versucht, so viele Rennen wie möglich in verschiedenen Ländern zu fahren. Es gibt dort Märkte, die genauso interessant sind wie Deutschland. In China oder Nordamerika gibt es auch nicht mehrere Rennen. Und natürlich haben wir mit den deutschen Herstellern und Unternehmen auch selbst globale Konzerne am Start, die zwar immer wieder mit München und Stuttgart in Verbindung gebracht werden, aber auch die sind weltweit aktiv. Und am Ende entscheidet ganz allein die Organisation hinter der Formel E.
Kannst Du Dir die schlechten TV-Quoten in Deutschland erklären? Und wird der Wechsel zu „Sat.1“ etwas bewirken?
Timo Pape: Ich glaube, der Wechsel zu „Sat.1“ bewirkt in jedem Fall was Positives, weil einfach viel mehr Menschen erreicht werden. Wir haben das jetzt schon an den Quoten sehr gut gesehen. Ungefähr sechsmal so viele Leute haben eingeschaltet. „eurosport“ ist ein Nischensender und „Sat.1“ zielt auf den Mainstream ab. Und ein weiterer Grund ist sicher, dass kein deutscher Fahrer bisher um den Titel kämpfte. Dies ist letztlich auch immer ein großer, entscheidender Faktor, wenn es darum geht, wie populär eine Serie in Deutschland ist. Die Formel 1 wurde in Deutschland auch erst durch Michael Schumacher groß. Auch Sebastian Vettel hat noch einmal gezogen. Aber in den letzten Jahren ist es eben wieder weniger geworden. Das Interesse in Deutschland hat auch immer mit Personenkult zu tun.
Seit dieser Saison ist die Formel E eine Weltmeisterschaft. Verleiht der neue Status der Rennserien einen Schub?
Timo Pape: Ich glaube schon, dass es sich ein bisschen positiv auswirkt auf das Prestige, dass die Teams, Hersteller und Fahrer noch etwas mehr nach diesem Titel lechzen. Ich glaube aber, dass die Entwicklung und der Wettbewerb ohnehin weiter gestiegen wären. Allein dadurch, dass Porsche und Mercedes jetzt im zweiten Jahr dabei sind und ihre Schlüsse aus der ersten Saison gezogen haben. Das hat man schon beim Auftakt Wochenende gesehen. Die sind richtig stark. Der Titel schwingt immer ein bisschen mit, Weltmeister klingt einfach besser. Aber letztlich ändert sich am Wettbewerb auf der Strecke natürlich nichts.
Bei den Tests in Valencia war das Feld relativ eng zusammen. Das kennt man aus der Formel 1 und vielen anderen Rennserien nicht. Betrachten wir jedoch den Auftakt, dann hat Mercedes EQ einen Sprung gemacht. Glaubst Du, es bleibt die ganze Saison so?
Timo Pape: Ich glaube ehrlich gesagt nicht, dass es einseitig wird. Ich hatte auch nach dem Freitag, wie viele im Fahrerlager, die Befürchtung, dass Mercedes ähnlich dominant wie in der Formel 1 werden könnte. Eigentlich war es nur Nyck de Vries. Sein Mercedes-Teamkollege war zum Beispiel irgendwo im Mittelfeld unterwegs. Heißt, so überlegen ist das Auto nicht. Zumal am nächsten Tag der Rundenrekord von einem Audi-Fahrzeug kam.
Jetzt hatte der Auftakt in Saudi-Arabien auch eine Besonderheit. Beide Läufe waren unter Flutlicht. War das ein besonderes Gefühl?
Timo Pape: Ich finde, es hat schon etwas ausgemacht. Die Bilder waren wirklich toll, die ganzen Fotos, die man im Nachgang gesehen hat. Das war schon echt toll und die Formel E hat sich auch etwas dabei gedacht: Saudi-Arabien hat den Strom aus erneuerbaren Energien zur Verfügung gestellt. Ich denke mir, wenn man das gewährleisten kann, dann sind Nachtrennen eine sehr spektakuläre, schöne Sache, die dem Ganzen auch noch einmal ein anderes Feeling geben. Natürlich sollte es ein Highlight im Kalender bleiben und nicht jedes Rennen bei Nacht stattfinden!
Ich bin mit klassischem Motorsport sozialisiert worden und störe mich ein an den vielen „Experimenten“, die die Formel E so betreibt …
Timo Pape: Also ich finde es gut, dass die Formel von vornherein immer gesagt hat, wir gehen andere Wege, wir probieren innovative Dinge aus, die auch für Aufsehen sorgen, die polarisieren. Ob das nun gut oder schlecht ist? Es wird auf jeden Fall darüber gesprochen. Das ist die Handschrift von Alejandro Agag, der das jetzt mit der Extreme E genauso macht. Wo beispielsweise sogar der weiteste Sprung während eines Wochenendes mit Punkten belohnt wird. Ich finde es grundsätzlich gut, dass sie sowas machen. Der Fan-Boost ist auch noch nach Jahren ein Thema beim Mainstream. Für alle, die sich länger mit der Formel E beschäftigen, ist es einfach nur irrelevant. Eigentlich langweilig. Es gewinnen meistens dieselben Fahrer und es bringt im Rennen auch nicht wirklich etwas. Der Attack Mode hingegen wurde vor zwei Saisons eingeführt und hat sich bewiesen. Der sorgt in jedem Rennen für viele Überholmanöver, für Spannung und ist als strategisches Element schon besser als beispielsweise das System in der Formel 1, das einfach das Überholen sehr einfach macht. Beim Attack Mode hat man immer wieder auch Nachteile, wenn man in der falschen Situation über den Auslöser fährt. Das finde ich eine sehr gute Neuerung, die für Spannung auf der Strecke sorgt.
Zum Abschluss noch eine allerletzte Frage Timo: Wie groß ist die Angst, dass diese Saison genauso endet wie die letzte Saison? Weil bisher ist nur bis Juni der Kalender bestätigt.
Timo Pape: Ich glaube, die Formel 1 hat im letzten Jahr vorgemacht, wie es gehen kann, im Notfall mit Rennen ohne Zuschauer. Und der Kalender bis zum Doppel in Santiago de Chile steht. Natürlich kann es immer mal sein, wenn die nächste Welle des Corona-Virus kommt, dass es dann zu einer Absage kommen könnte. Aber ich glaube, grundsätzlich gibt es für all diese Fälle mittlerweile Pläne, die es 2020 noch nicht gab. Und tendenziell wird es im Sommer, so glaub ich, mit dem Corona-Virus dann auch wieder ein bisschen einfacher als es aktuell der Fall ist. Impfungen und Schnelltests könnten vielleicht auch wieder Zuschauer an der Strecke zulassen. Was die Reisebestimmungen betrifft, muss man einfach abwarten. Grundsätzlich glaube ich, dass dieses Jahr wieder halbwegs normal verlaufen wird und hoffentlich auch mit Zuschauern an der Strecke. (SW)
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