Max Verstappen: „Driften ist etwas völlig anderes als Rennen zu fahren“.
Während sich die Formel 1 in der Sommerpause befindet, nutzte Max Verstappen die Zeit, um sich in einer anderen Disziplin zu beweisen. Der amtierende Formel 1-Weltmeister wurde zum Fahrschüler von „Mad Mike“ Whiddett. Von wem? In Japan ist der neuseeländische Drift-Champion ein Star. Während Max Verstappen in der Formel 1 für Präzession steht, musste der Niederländer also querstehen lassen.
Max, in der Formel 1 geht es in jeder Runde um Präzession. Wenn der Bolide driftet, kostet es Zeit. Hier ging es darum, dass das Auto eigentlich nur driftet. Wie war die Erfahrung für einen zweifachen Weltmeister?
Max Verstappen: Es war absolut verrückt! Ich wusste überhaupt nicht, was mich wirklich erwartet. Natürlich hatte ich schon davon gehört, das heißt aber nichts, bis man es selbst erlebt hat. Es war bereits unglaublich als ich sein Beifahrer war, es wurde verrückt als ich es auf einmal selbst machen sollte. Ich glaube, in den letzten ein, zwei Jahren war ich nicht mehr so extrem nervös. Es ist einfach alles, nur eben nicht das, was ich sonst mit einem Fahrzeug mache. Aber es war absolut cool!
Nach einer gewissen Eingewöhnungszeit schien es ganz gut zu funktionieren. Haben Ihnen Ihre Erfahrungswerte bei der schnellen Umsetzung geholfen?
Max Verstappen: Man kann es nicht vergleichen. Das Auto ist so eingestellt, dass es seitwärts fahren will. Dazu kommt dieser scheinbar unendliche Lenkeinschlag. In der Formel 1 hat man kaum Lenkeinschlag. Wozu auch? Generell sind Fahrzeuge im Motorsport das absolute Gegenteil von diesen Autos, sie kleben im besten Fall auf dem Asphalt und haben viel Grip am Heck. Es ist ein komplett anderes Fahren!
Aber wenigstens hatte auch dieses Auto ein Lenkrad …
Max Verstappen: Wenn ich ehrlich bin, alles war Neuland für mich! Natürlich habe ich einen Führerschein und fahre nicht nur auf der Rennstrecke, aber die meiste Zeit fahre ich mittlerweile meinen Boliden auf der Strecke oder im Simulator. Wir kuppeln am Lenkrad und eine Handbremse gibt es auch nicht. Solch ein Auto zu fahren, hat nichts mit meinem Beruf als Rennfahrer zu tun. Alles war neu … Mike hat mir viele Tipps gegeben und ich habe ihn genau beobachtet, was er mit Füßen und Händen macht. Danach muss man es ausprobieren und sich langsam weiter steigern.
Die Lernkurve wirkte auf jeden Fall beachtlich, wie damals in der Formel 1.
Max Verstappen: Das kann man wahrscheinlich wirklich vergleichen. Mit 16 Jahren bin ich damals zum ersten Mal in einen F1-Boliden gestiegen, ich war sogar ähnlich nervös wie hier. Mein weiß einfach nicht, was einen erwartet. Mein weiß nicht, wie viel Kraft der Bolide hat und wie sich diese Kraft auf dem Asphalt entwickelt. Und so war es auch hier. Heute wie damals habe ich zu mir gesagt: „Ich kann wie eine Oma oder ein Opa fahren, oder ich kann das Ding schicken“. Also habe ich das gemacht und ich habe sofort Feedback vom Motor und den Reifen erhalten. Man driftet, weil der Wagen es auch will. Und dann setzt der Lerneffekt ein, man sucht seine Grenze.
Sie haben Mike Whiddett bereits erwähnt. Wie war die enge Zusammenarbeit hier mit ihm, in seinem Auto und in seiner Materie?
Max Verstappen: Die Art und Weise, wie Mike an die ganze Sache herangegangen ist, war schön. Er war komplett entspannt, überhaupt nicht gestresst. Er hat mir alles erklärt, hat mir vieles gezeigt und dann hat er mich einfach machen lassen. Wenn er merkte, ich komme nicht richtig weiter, war er sofort wieder mit Rat und Tat bei mir. Diese teils winzigen Hinweise helfen enorm und man erreicht das nächste Level. Für ihn war das alles Kindergarten und Spaß, aber so wäre es auch für mich, wenn er in einem Formel-Boliden sitzen würde und ich am Funk bin. Für mich ist die Formel 1 einfach natürlich, für Mike ist das Driften natürlich … seine Art ist sensationell.
Und wie würde sich Mike Whiddett in einem Ihrer Boliden wohl schlagen?
Max Verstappen: Ich denke, er wird es gut machen! Mike hat eine absolut perfekte Fahrzeugbeherrschung. Er müsste sich an die Geschwindigkeit gewöhnen, etwa an das Beschleunigen und Bremsen. Die Bremskraft hat es in sich. Doch am Ende des Tages geht es auch nicht darum, dass Mike meine Zeiten fährt. Ich sah heute auch wie ein Fahranfänger neben ihm aus. Es geht bei solchen Terminen um den Spaß, es geht darum eine schöne Zeit zu verleben. Die hatte ich und die hätten wir wieder.
Ist es nur Spaß, oder hilft es auch beim Fahren?
Max Verstappen: Ich denke, es kann nie schaden, andere Disziplinen zu erleben. Deshalb fahre ich auch in GT-Wagen oder Rallye-Fahrzeugen. Es geht darum, die eigenen Fähigkeiten auf eine andere Art und Weise zu testen. Man lernt dabei von den Besten in anderen Disziplinen. Ich denke also, dass es nie schadet. (Red Bull/SW)
Foto: Patrik Lundin / Red Bull Content