Elias Elhardt: „Wir wollen alle erreichen, die sich mit Freeriden beschäftigen“.
Elias Elhardt und Xavier De Le Rue wurden unabhängig voneinander schon Zeugen tragischer Lawinenunglücke. Gemeinsam arbeiten die beiden Snowboard-Profis ihre Empfindungen in der Produktion „Invisible Ground“ auf, die noch bis 17. November beim Freeride Filmfestival 2022 zu sehen ist. Elias Elhardt erzählt im Interview unter anderem, wie es zu der schonungslos offenen Zusammenarbeit zum Projekt kam.
Elias, der Film „Invisible Ground“ geht unter die Haut und holt einen auf den Boden der Tatsachen zurück. Wie schwer fiel es Dir, Deinen Emotionen vor der Kamera freien Lauf zu lassen?
Elias Elhardt: Ich persönlich mag es eigentlich sehr gern, mich über Themen zu unterhalten, die mir wirklich am Herzen liegen und die in sich häufig auch gewisse Widersprüche bergen. So habe ich den Austausch mit Xavier als eine interessante Möglichkeit empfunden, weil ich ihn als Gesprächspartner sehr schätze. Von daher war es auch kein Problem, meine Emotionen zu zeigen.
In dem Film werden Themenfelder angesprochen, über die die Mehrheit eher ungern bis gar nicht spricht. Du stehst zusammen mit Xavier De Le Rue vor der Kamera. Wie kam es zu dem Projekt?
Elias Elhardt: Diese Frage hat mich nach dem Lawinenunglück damals beschäftigt, bei dem ich als einer der Ersthelfer direkt dabei war. Darauf gehe ich im Film noch genauer ein. Jedenfalls war der Moment sehr prägend und ein ausschlaggebender Grund, warum ich den Film machen wollte.
Im Grunde wollen wir mit diesem Film alle erreichen, die sich mit dem Freeriden beschäftigen. Denn sobald wir die gesicherten Pisten verlassen, müssen wir uns so oder so immer wieder intensiv mit dem Thema Risiko auseinandersetzen … egal, welches fahrerische Level man wirklich hat.
Der Film rüttelt definitiv auf, oder zumindest sollte er es … hat sich durch die Arbeit an dem Film auch Dein eigenes Verhalten geändert? Oder hattest Du bereits einen anderen Auslöser?
Elias Elhardt: Ja, für mich hat sich da schon einiges verändert. Nachdem ich Zeuge dieses tragischen Ereignisses geworden bin, bin ich auf jeden Fall noch viel weniger gewillt, ein noch größeres Risiko für einzelne Abfahrten sowie Tage im Tiefschnee einzugehen. Dieses kurze Glücksempfinden einer risikoreichen Line steht einfach in gar keiner Relation zu dem Leid, mit dem ein Unglück einhergeht. Wenn ich also ein mulmiges Gefühl habe, ob ich eine ganz gewisse Line wegen des möglichen Risikos fahren möchte oder nicht, dann mache ich dies nicht.
Hast Du ein paar Tipps für die Leserinnen und Leser, wie Freeriden generell Spaß macht, aber irgendwie sicher ist?
Elias Elhardt: Ganz sicher wird der Sport auf jeden Fall nie sein, da wir immer ein gewisses Lawinenrisiko eingehen, sobald wir uns bei leichter Steilheit des Geländes im Tiefschnee bewegen. Umso wichtiger finde ich es, neben dem ganzen Know-how im Bereich der Lawinensicherheit, das heute die Grundlage ist, die Gruppendynamik meiner Crew und auch meine eigene Motivation immer zu hinterfragen. Da gibt es natürlich sehr viele Punkte, die man berücksichtigen kann und muss. Hier also nur ein paar: Sind wir gerade zu sehr einem Rausch des Moments verfallen und wiegen uns in falscher Sicherheit? Wer in unserer Gruppe führt überhaupt und wie kommen wir zu unseren Entscheidungen? Möchte ich mir beziehungsweise den anderen in der Gruppe gerade irgendetwas beweisen?
Der Winter kündigt sich ganz langsam an. Welche Projekte stehen in diesem Winter bei Dir schon konkret an?
Elias Elhardt: Ich bin eigentlich erst jetzt dabei, den Film „Invisible Ground“ für mich abzuschließen. Ich war nicht nur Protagonist, sondern ich war ein Mitproduzent und ich habe Regie geführt. Das war alles sehr, sehr schön, aber es hat mir auch einige neue Perspektiven in meinem Leben eröffnet. Ich bleibe zwar weiterhin erst einmal Profi, aber Filme zu machen nimmt einen immer größeren Teil meiner Zeit in Zukunft ein. Ich bin auch schon an einem neuen Projekt dran, aber darüber kann ich leider noch nichts erzählen. Ansonsten freue ich mich auf den Winter, damit ich mal wieder mit dem Snowboard einfach meinen Spaß haben kann. (TX)