Christian Horner und Adrian Newey: „Wir können weniger Ideen evaluieren“.
Christian Horner und Adrian Newey sind prägende Figuren des Teams Oracle Red Bull Racing. Mit Max Verstappen stellt das österreichisch-britische Team den Formel 1-Weltmeister. Teamchef und Technikchef von Oracle Red Bull Racing sprechen in dem Talk über alles, von Titeln und Triumphen bis hin zum Lernen aus Niederlagen, wie ihre Partnerschaft begann und warum Adrian Newey sogar „in der Matrix lebt“.
Herr Horner, Sie haben den Wechsel von Adrian Newey zum Red Bull Team als den entscheidenden Moment bezeichnet. Warum?
Christian Horner: Ich glaube, der Konsens war, dass Red Bull einen besonderen Vibe hat, mit legendären Partys. Was fehlte, war eine klare technische Ausrichtung.
Ich war schon immer ein Fan von Adrian und seinen Rennwagen, was bis in die Zeit von Leyton House in den späten 1980ern zurückreicht. Adrian ist der Beste, den es je in der Formel 1 gab. Die Frage war also, wie wir Adrian ins Team locken konnten.
Herr Newey, hatten Sie eine gewisse Skepsis?
Adrian Newey: Ich hatte das Glück, für zwei große Teams zu arbeiten und Rennen, Meisterschaften und so weiter zu gewinnen. Aber ich hatte das Gefühl, es wird dann doch allmählich langweilig. Wie bei Leyton House fühlte sich das Red Bull Team wie eine unerledigte Angelegenheit an. Dazu war ich auch noch von Anfang an dabei, in den Aufbau involviert. Meisterschaften zu gewinnen schien ein weit entfernter Traum zu sein. Einfach nur zu versuchen, Rennen zu gewinnen, hat mich wirklich fasziniert.
Dann holten Sie einen jungen Piloten, einen späteren Weltmeister. Was waren Ihre allerersten Eindrücke von Sebastian Vettel?
Christian Horner: Sebastian war ein Produkt des Juniorteams, wir konnten sehen, wie er sich in der Formel 3 entwickelte. Sobald Sebastian die Chance bekam, war klar, dass er ein herausragendes Talent ist. Sebastian hat unglaublich gearbeitet und war unheimlich engagiert. Er hat keinen Stein auf dem anderen gelassen. Er war oftmals der letzte Typ im Ingenieurbüro am Ende eines Freitags oder Samstags.
Adrian Newey: Eine Legende. Er ging immer sehr methodisch vor, und er strengte sich sehr an. Wenn ihm ein Fehler unterlief, wollte er verstehen, wie es zu diesem Fehler kam, warum er ihn machte und was er besser machen konnte. Er machte nur sehr selten einen Fehler zweimal. Er verbrachte sehr viel Zeit im Fahrsimulator, um unsere Theorien zu testen und herauszufinden, was wir erreichen müssen. Das hat uns von der technischen Seite her geholfen, unsere Boliden gezielter zu verbessern.
Und dazu kommt dann noch: Für jemanden, der kein gebürtiger Engländer ist, war sein Verständnis des englischen Humors, zusätzlich zu seiner Fähigkeit, sich an den englischen Humor zu erinnern und ihn zu imitieren … unglaublich. Ein toller Mensch!
Wie hat Adrian Newey die Erfolge forciert?
Christian Horner: Adrian ist der einzige Kerl, der die Luft sehen kann. Er lebt in der Matrix und ist seit all den Jahren der Dirigent des technischen Orchesters. Aber er sitzt auch immer noch selbst am Zeichenbrett. Wir hatten in all den Jahren natürlich Höhen und Tiefen, aber es hat immer Spaß gemacht. Wir hatten dabei aber große Unterstützung von der Gruppe, von Dietrich Mateschitz und von Helmut Marko. Das hat es uns ermöglicht, uns darauf zu konzentrieren, das beste Rennteam zu werden.
Nach dem Weggang von Sebastian Vettel war Mercedes das Spitzenteam. Was haben Sie beide von dieser Dominanz gelernt?
Christian Horner: Das Wichtigste war, das Team zu halten und uns auf die Dinge zu konzentrieren, die wir kontrollieren konnten. Und Schritt für Schritt besser werden.
Adrian Newey: Wir sind in die Hybrid-Ära mit einem unterlegenen Motor gegangen, weil Renault es falsch gemacht hat. Das war ziemlich deprimierend, weil man sehen konnte, mit einem spektakulären Job kann man den einen oder anderen Sieg holen, aber niemals die Weltmeisterschaft. Ein Neustart musste dringend her. Ich denke, eine der Stärken des Teams ist, dass wir die Köpfe nicht hängen ließen und diese Zeit überstanden haben, so dass wir, als wir durch die belebende Partnerschaft mit Honda wieder eine gute Power Unit hatten, absolut in der Lage waren, zu reagieren.
Wie wurde der RB18 dann so dominant?
Adrian Newey: Bei den Tests vor der Saison hatten wir ein wenig mit dem Bouncing zu kämpfen. Wir hatten bereits ein wenig recherchiert und wussten in etwa, was wir tun mussten, um es zu verbessern. Als wir in Bahrain das Rennpaket aufsetzten, katapultierte es direkt hinter den sehr schnellen Ferrari, aber auf ein breites Niveau. In der zweiten Saisonhälfte hatten wir dann immer ein voll konkurrenzfähiges Paket.
Wie wird sich Ihrer Meinung nach die Reduzierung der Aerodynamiktests auf die bald anstehende Saison 2023 auswirken?
Adrian Newey: Das ist schwer zu beantworten. Die Reduzierung der Tests heißt, dass wir weniger Komponenten, weniger Ideen evaluieren können. Wenn wir jedoch klug sind und immer die richtigen Dinge anbringen; dann macht es keinen großen Unterschied. Aber so funktioniert es leider doch nicht; es gibt immer einige Teile, von denen man hofft, dass sie funktionieren, und die es nicht tun und umgekehrt. Es ist also schwierig. Es ist sicher eine Einschränkung, die uns betreffen wird. (Red Bull/SW)
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