Andrea Stella: „Wir befinden uns immer in einem Rennen der Upgrades“.
McLaren ist wohl die große Überraschung in dieser Formel 1-Saison. Während viele Experten vor allem Mercedes oder Ferrari als potenzielle Konkurrenten für Red Bull sahen, spricht die Performance vor der Sommerpause für den britischen Rennstall. McLaren hat sich mittlerweile die Position hinter Red Bull erarbeitet, inklusive neuem Teamchef. Andrea Stella ist zwar seit 2015 im Team, Teamchef erst seit dem Jahr.
Herr Stella, mittlerweile liefert McLaren am beständigsten hinter Red Bull ab. Konnte man nach dem durchwachsenen Saisonstart damit rechnen?
Andrea Stella: Wir hatten erwartet, dass der Saisonstart schwierig werden würde. Von daher war uns allen von Anfang an bewusst, wir müssen nur ruhig bleiben und weiter unseren Weg verfolgen. Wir wussten, was wir machen müssen, damit wir die vorhandene Leistung entfachen und Schritt für Schritt verbessern können.
Ich muss trotzdem sagen, dass ich persönlich sehr beeindruckt war, wie das Team mit der Situation umgegangen ist. Wir sind immer stabil und konzentriert geblieben. Das hat meiner Meinung nach bestätigt, wie stark unsere Kultur war und wie sehr die Vision geteilt wurde, denn gerade in schwierigeren Zeiten muss man sich am meisten auf seine Kultur und seine Vision stützen. Wir waren darin als Team stark, und „Zak“ und ich waren sehr zufrieden. Ich denke, jeder bei McLaren Racing sollte stolz darauf sein, dass wir eine solche Zeit so hinter uns gebracht haben.
Aber in der Formel 1 kann man sich nicht leisten, länger als maximal eine Sekunde selbstzufrieden zu sein. Danach gilt es mit Demut die nächsten Herausforderungen zu akzeptieren und zu bewältigen. Denn unser Weg ist noch nicht vorbei.
Sie haben zuvor bei Ferrari mit Michael Schumacher und Kimi Räikkönen als wichtiger Ingenieur Weltmeisterschaften gefeiert. Seit 2015 sind Sie im Team von McLaren. Aber erst seit Januar sind Sie Teamchef. Trotz der Erfahrungen, was nehmen Sie aus den ersten Monaten in dieser neuen Position selbst mit?
Andrea Stella: Was ich als Teamchef neu gelernt habe, ist das Team selbst. Um in meiner Rolle effektiv zu sein, alle zu unterstützen und unser Potenzial als Team voll auszuschöpfen, muss man das Team richtig gut kennen, wissen, wie wir arbeiten, welche Talente vorhanden sind und welche Eigenschaften, Schwächen und Stärken sie haben. Einige Teammitglieder eignen sich zum Führen, andere sind effektiver bei selbstbezogenen Aufgaben. Jeder, völlig unabhängig von seinen Eigenschaften, ist aber wichtig und hat eine Rolle. In jedem Bereich und für jedes Projekt müssen wir die beste Kombination von Fähigkeiten, Talenten und Führungsqualitäten nutzen und immer versuchen, Spaß an der Arbeit zu haben.
Der Schwerpunkt liegt auf Wissen und Information, so dass sich das, was zu tun ist, fast von selbst aus dem ergibt, was man weiß. Die Frage muss also lauten: Was weiß ich? Ich habe mich vom allerersten Tag an darauf konzentriert, das Team zu kennen, immer unterstützt durch die richtigen Leute.
Sind Sie deshalb auch immer noch solange in der Fabrik vor Ort?
Andrea Stella: Nur so werden wir unsere Ziele erreichen. Als Teamchef muss ich unsere Leute kennen, das Geschäft, die Aufgaben und die Arbeitsabläufe und eben wissen, was der effektivste Ansatz ist. Manche Arbeitsabläufe sind effizient, andere jedoch weniger. Selbst wenn man denkt, dass man die effizienteste Arbeitsweise für sich kennt, stellt man vielleicht fest, dass es eine bessere Arbeitsweise gibt, dass höhere Standards möglich sind. Als Teamchef kann man das nur wissen, wenn man im Team präsent und verankert ist. Nur Rennen schauen reicht nicht.
Welche Verbesserungen haben denn den McLaren zuletzt so stark gemacht?
Andrea Stella: Die Verbesserungen betrafen letztlich die gesamte Aerodynamik. In diesem Sinne habe ich es fast als B-Version des MCL60 gesehen. Auch unter der Karosserie wurde einiges umgestaltet, wie die mechanische Anordnung, die an die neuen Formen angepasst werden musste. In der Formel 1 befinden wir uns immer in einem Rennen der Upgrades. Es geht immer weiter.
Und welche Upgrades sind für diese Saison dann noch geplant?
Andrea Stella: Die nächste Runde von Upgrades wird eine Weiterentwicklung der Upgrades sein, die wir bei früheren Rennen vorgenommen hatten. Es gibt noch viel Spielraum für weitere Verbesserungen, und wir werden versuchen, dies zu machen. Es gibt einige ermutigende Anzeichen in der Entwicklung, aber wie immer wird der Beweis allein in der realisierten Leistung auf der Rennstrecke liegen.
Wir müssen auch noch einiges an Arbeit leisten, um einige der Schwächen, die wir in Belgien hatten, zu beseitigen. Wir hatten nicht richtig viel an der Konfiguration mit geringem Luftwiderstand gearbeitet, und in Belgien fehlte es uns an Effizienz und an Höchstgeschwindigkeit. Wir wollen dringend am geringen Luftwiderstand arbeiten, als Teil eines parallelen kleineren Arbeitsablaufs, um zu sehen, ob wir in Monza ein paar tief hängende Früchte ernten können … diese Arbeiten dürfen nur parallel zur generellen Entwicklung des Boliden stattfinden. Es gibt immer Arbeit! (SW)
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