Rolf Michl: „Wir treten dort zum zweiten Mal an und haben klare Ziele“.
Seit September 2022 verantwortet Rolf Michl den kompletten Motorsport bei Audi und ist Geschäftsführer der Audi Sport GmbH. Keine ganz so leichte Aufgabe, wenn man sich bedenkt, wo Audi bereits aktiv ist und in der Zukunft aktiv werden wird. Im Interview spricht der 44 Jahre alte Manager über die Rallye Dakar, die Emotionen, für die der Motorsport steht, und seine Erwartungen sowie Ziele für die Rallye Dakar.
Herr Michl, Sie waren 2015 Projektleiter im Audi Sport TT Cup, anschließend Director Sales and Marketing der Audi Sport GmbH. Als Managing Director der Audi Sport GmbH sind Sie in den Motorsport zurückgekehrt. Haben Sie denn die Rennsport-Welt zwischenzeitlich vermisst?
Rolf Michl: Ich habe zuvor auch meine Leitungsfunktion im globalen Sales sowie Marketing sehr gerne ausgeübt und dort mit dem Team drei Absatzrekorde in Folge erreichen können. Aber die Rückkehr zur Rennstrecke und zu den Rallyepisten hat eine ganz besondere Faszination auf mich. Operativ an einer Strecke zu sein, den Spirit im Motorsport zu erleben, egal ob auf der Rundstrecke oder im Sand, ist und bleibt einzigartig. Das habe ich definitiv vermisst!
Wie bewerten Sie die unterschiedlichen Projekte, die Sie bei Ihrer Ankunft bei der Audi Sport GmbH vorgefunden haben?
Rolf Michl: Die Rallye Dakar und der Kundensport bilden eine äußerst spannende Projektlandschaft. Es gibt im Motorsport einige weltweit erlesene, große Events, und dazu zählt auf jeden Fall die Dakar. Es hat mich fasziniert zu erleben, wie Audi mit einem elektrischen Antrieb in einer so harten Disziplin antritt und gleich erfolgreich ist. Aber auch der menschliche Aspekt, der Spirit und die Leidenschaft, sind deutlich zu spüren. Carlos Sainz, den ich schon in der Rallye-Weltmeisterschaft bewundert habe und mit dem wir jetzt arbeiten, Stéphane Peterhansel, der selbst noch nach 14 Gesamtsiegen locker und bescheiden ist, und Mattias Ekström, ein Erfolgsgarant … einfach tolle Fahrer! Und mit Lucas Cruz, Edouard Boulanger und Emil Bergkvist haben wir genauso charakterstarke und erstklassige Co-Piloten. Das alles gilt auch für Audi Sport customer racing: Die Menschen in unserer Mannschaft leben für ihre Profession. Unser Kundensport-Fahrerkader zeichnet sich durch erfahrene Namen aus, aber auch durch recht ehrgeizige Nachwuchsfahrer. Dazu kommt, dass unsere Kunden ihrerseits oft erfolgreiche und anspruchsvolle Unternehmer sind. Durch die Kundensportprogramme machen wir Audi erlebbar, in weiteren Bereichen sichtbar, und zwar im weltweiten Maßstab. Für mich war es eine schöne Herausforderung, in allen Bereichen operativ schnell auf Höhe zu sein und es strategisch zu steuern.
Sie waren in Ihrer neuen Funktion im Oktober direkt bei der Rallye Marokko. Wie haben Sie die Härten der Wüste erlebt?
Rolf Michl: Beeindruckt hat mich der Zusammenhalt unter widrigsten Bedingungen. Auch im stundenlangen Sandsturm hat jeder jedem geholfen, und niemand ist sich zu schade, einmal richtig mit anzupacken. Sowohl das Team von Q Motorsport als auch unsere eigene Mannschaft sind extrem ambitioniert, fokussiert und doch immer partnerschaftlich. Alle erkennen ihre Verantwortung und nehmen sie wahr. Bei den Gesetzmäßigkeiten in diesem Sport sind wir froh, einen so erfahrenen Partner wie Sven Quandt dabei zu haben. Er bringt als Teamchef von Q Motorsport Jahrzehnte an Rallye-Kenntnis ein und ist damit ein wichtiger Orientierungspunkt. Er weiß bei der Rennstrategie, wie wir die Stärken unseres technischen Konzepts und unserer Fahrer optimal einsetzen können. Alle im Team sind Vollblut-Motorsportler, wie zum Beispiel auch die erfahrenen Car Chiefs. Sie haben den Draht zu den Fahrern, was mir wichtig ist, denn es geht nicht nur um die Technik. Ganz besonders schätze ich das Engagement unserer Mechanikerinnen und Mechaniker in dem neuen Projekt … sie müssen zusammen mit den Kollegen von Q Motorsport unter den härtesten Bedingungen ein hochkomplexes Fahrzeug auf bestem Einsatz-Level halten, das ist speziell bei Schäden sehr herausfordernd. Aus dem Grund ist mir ein persönlicher Austausch mit den Werkstatt-Teams besonders wichtig.
Die Rallye Dakar ist für Audi ein bedeutendes Projekt. Welche Ziele geben Sie der Mannschaft für die Rallye Dakar 2023 so vor?
Rolf Michl: Wir treten dort zum zweiten Mal an und haben klare Ziele: Ein Podium wünsche ich mir schon. Wir haben das Fahrzeug verbessert, wir haben die besten Fahrer und eine hochmotivierte, kompetente Mannschaft. Wichtig ist für mich: Wenn alles funktioniert, halte ich ein Podium für möglich. Wir müssen optimal vorbereitet sein, hochkonzentriert in jedem Augenblick und der Zusammenhalt im Team wird dabei der entscheidende Schlüssel zum Erfolg sein. Ich bin jedoch auch realistisch genug, um für mich zu wissen, dass es speziell in dieser Sportart eine ganze Reihe unvorhersehbarer Faktoren gibt: Schäden, Unfälle, Wetterkapriolen oder die ganze Navigation machen diesen Wettbewerb so spannend und herausfordernd zugleich. Diese Rahmenbedingungen haben wir nicht in der Hand. Aber ich bin guten Mutes, denn nicht nur bei der Vorbereitung der drei Audi RS Q e-tron waren wir gründlich. Wir haben auch Prozesse sowie Abläufe ein ordentliches Stück voran gebracht.
Wie haben Sie sich persönlich darauf vorbereitet?
Rolf Michl: Was meine Management-Funktion anbelangt, ist der Offroad-Rallyesport natürlich extrem. Auf der Rundstrecke gibt es eine Vielzahl an präzisen technischen Daten und jede Menge Instrumente zur Steuerung. In der Wüste dagegen liefert dir dein Tablet nach 40 bis 50 Minuten erste Anhaltspunkte, was da draußen los ist. Und du hoffst, dass dein Satellitentelefon nicht klingelt. Im Vordergrund steht für mich die Frage, wie ich mich als Manager einbringen kann. Was die Reise selbst anbelangt, so treibe ich grundsätzlich gern Sport, was ein wichtiger Katalysator ist, um in meiner komplexen Themenwelt den Kopf freizubekommen. Sport hilft natürlich auch, um bei der Rallye Dakar fit zu sein. Ebenso würde ich mich als organisiert und strukturiert betrachten, sonst ist die Komplexität im Alltag nicht zu bewältigen. Tatsächlich habe ich schon eine klare Koffer- und Gepäckordnung. Schlafen kann ich seit jeher gut, bei der Ernährung bin ich flexibel. So habe ich neulich gelernt, dass man im Zweifel auch mal mit einigen Gläsern Apfel-Hirsebrei aus dem Regal für Kindernahrung solch einen ganzen Rallye-Tag ordentlich überstehen kann! (SW)