Jeroen Dingemans: „Wir setzen weiterhin auf junge Fahrer“.
Das Belgian Cycling Projekt fährt seit 1985 auf der großen Bühne des Radsports. Bis zur UCI-Saison 2011 firmierte der Radrennstall unter Omega Pharma-Lotto, bis 2015 unter Lotto Belisol und bis 2023 unter Lotto Soudal. Mit Beginn dieses Jahres heißt das Team Lotto Dstny und gilt als UCI ProTeam. Doch auch ohne den Status als Team der UCI WorldTour geht es den Teambetreibern um die Talententwicklung.
Herr Dingemans, es hat sich recht viel bei Lotto Dstny getan. Nicht allein nur der Name des Radrennstalls ist neu, auch einiges in der Struktur ist komplett überarbeitet worden. Unter anderem sind Sie der neue Cheftrainer. Wie waren die ersten Wochen und Monate im Team?
Jeroen Dingemans: Super positiv! Aber natürlich hat meine Arbeit, und die meines Teams, nicht erst am 1. Januar begonnen. Wir haben schon in den Monaten zuvor hart gearbeitet. Loïc, Sander und ich sind die drei neuen Trainer des Performance-Teams. Die Vorbereitung ist gut verlaufen, ebenso die Trainingslager. Wir haben nur gute Rückmeldungen und positives Feedback bekommen. Wir denken alle, dass wir einen positiven, neuen Einfluss auf die Mannschaft haben.
Wie sieht Ihre Rolle denn genau aus?
Jeroen Dingemans: Es ist das erste Mal in der Geschichte dieses Teams, dass mit einem solch großen internen Stab arbeitet wird. Wir koordinieren alle Aspekte und stellen sicher, dass alle Abteilungen immer auf einem Stand sind. Wir stellen unter anderem sicher, dass die Kommunikation zwischen Ernährungsberatern, Ärzten und Sportdirektoren funktioniert. Zudem sind wir oft bei den Rennen dabei, so dass wir wissen, was bei den Rennen wirklich passiert. Wir schauen nicht nur auf die Daten!
Zusätzlich zum neuen Trainerstab gibt es einen weiteren Ernährungsberater und eine Zusammenarbeit mit der Universität Gent. Sehr viele Dinge rund um die Mannschaft sind in Bewegung. Wann zahlen sich diese Dinge alle aus, vor allem nach der schlechten Saison 2022?
Jeroen Dingemans: Basierend auf den recht positiven Daten, die wir schon sehen können, denke ich, dass gewisse Dinge schon in der Saison in die richtige Richtung gehen werden. Aber wir haben eine sehr junge Mannschaft, Schwankungen sind in dem Fall eigentlich normal. Unsere Pläne sind langfristig.
Wir schauen also definitiv mit unseren Maßnahmen über diese Saison hinaus, aber wir wollen auch eine gute, starke Saison 2023 bestreiten.
Was für Potenziale sind vorhanden?
Jeroen Dingemans: Wir haben bereits einige sehr starke Fahrer in der Mannschaft. Arnaud De Lie überraschte bereits letzte Saison. Aber wir sollten nicht nur die Siege bei ihm zählen, sondern die Qualität bei den Ergebnissen auf ein sehr hohes Niveau bringen. Auch gute Platzierungen muss man richtig wertschätzen. Und über Caleb Ewan müssen wir nicht sprechen. Er hat schon bewiesen, was für schnelle Beine er hat. Ich denke, mit diesen beiden Sprintern werden wir 2023 richtig viel Spaß haben.
Ansonsten haben wir für jede Art von Etappe sowie Rennverlauf die richtigen Fahrer in der Mannschaft. Und wie schon gesagt: Es geht auch um gute Platzierungen. Und vor allem haben wir neben unseren erfahrenen Kräften viele hoffnungsvolle Talente.
Waren Sie auch von Fahrern überrascht?
Jeroen Dingemans: Die jungen Fahrer haben mich von Anfang an alle überrascht. Man spricht gerne von Talenten, aber hier sind viele junge Fahrer vereint, die uns in Zukunft viel Freude bereiten werden. Jemand wie Lennert Van Eetvelt, mit dem wir sicherlich erst einmal sehr vorsichtig umgehen müssen und uns nur auf die Zukunft konzentrieren müssen, ist beispielsweise ein großes Talent. Er weiß noch gar nicht, wie gut er werden könnte. Und das ist nur ein Beispiel!
Schön zu sehen ist, dass die Gruppe absolut homogen ist und die Atmosphäre sehr gut ist. Wir gehen alle in die identische Richtung, peilen ein Ziel an. Und neben der Arbeit, geht der Spaß in der Gruppe niemals verloren.
Der Radrennstall hat in Belgien einen richtig guten Ruf, aber die letzte Saison mit wenigen Lichtblicken eine Saison zum Vergessen. Lotto Dstny hat nur eine Lizenz als UCI ProTeam erhalten. Warum haben Sie sich nach der Saison 2022 trotzdem für Lotto Dstny entschieden?
Jeroen Dingemans: Ich wurde erst einmal wegen meiner externen Arbeit mit Cedric Beullens und Florian Vermeersch überhaupt gefragt. Nach dem Angebot musste ich nicht lange überlegen. Für einen Trainer ist es der arbeitstechnische Höhepunkt, bei einem Team in alle Abläufe involviert zu sein. Diese Punkte, die einen als externen Trainer teilweise frustrieren, fallen auf einmal weg. Auf einmal können wir eingreifen und Dinge maßgeblich verändern. Ich spreche bewusst in der „Wir“-Form, denn ich denke, Loïc, Sander und ich sind ein sehr, sehr gutes Trio. Wir sind komplementär, stehen immer als eine Einheit hinter dieser Mannschaft und jedem einzelnen Fahrer.
Wann war 2023 eine erfolgreiche Saison?
Jeroen Dingemans: Wenn wir dem Peloton bewiesen haben, dass wir wieder der WorldTour absolut würdig sind. Das geht über Siege, aber noch mehr über konstant gute Platzierungen. Wir müssen uns bei jedem Rennen beweisen, dann werden die Ergebnisse zwangsläufig stimmen. Ich denke, wir haben eine Mannschaft, die an die ersten zehn, elf Mannschaften herankommen kann. (TX)
Foto: Jeroen Dingemans Copyright Lotto Dstny