Ewald Lienen: „Langfristig ist immer die Defensive entscheidend“.
Im „SPORT1“-Format „Rudi Brückner – Der Talk am Montag“ hat sich Ewald Lienen kritisch über die Bundesliga-Tauglichkeit des Kaders vom FC Schalke 04 geäußert: „Wenn ich keinen Kader habe, mit dem ich wettbewerbsfähig bin, kann ich mich auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln“. Dazu hat der ehemalige Bundesliga-Spieler und -Trainer eine Doppelmoral in der Berichterstattung zur WM offengelegt.
Wie ist die sportliche Lage auf Schalke?
Ewald Lienen: Jeder, der aus dem Fußball kommt, sagt, dass man die Mannschaft dafür haben muss. Ich kann der beste Trainer der Welt sein. Wenn ich keinen Kader habe, mit dem ich wettbewerbsfähig bin, kann ich mich auf den Kopf stellen und mit den Beinen wackeln. Derzeit würde ich nur über den Kader von Schalke und nicht über einen Trainer reden.
Man muss wissen, warum Schalke abgestiegen ist: Sie haben über Jahre über ihre Verhältnisse gelebt, haben sehr hohe Gehälter gezahlt. Auf Dauer kannst du nicht überleben, wenn du immer von den Geldern der Champions League abhängig bist. Wenn du dann noch finanziell von jemanden unterstützt wirst, dessen Unternehmen alleine auf industrialisierte Landwirtschaft und Massentierhaltung setzt, dann steigt man berechtigter Weise ab.
Alles ist möglich im Fußball. Wenn es innerhalb der Mannschaft und im Trainerteam stimmt und ich an gewissen Dingen arbeite … ich sehe bei ihnen Abwehrfehler. Schalke braucht im Winter ein paar Spieler. Das müssen keine Superteuren sein, es muss passen. Dann kann man es durchaus schaffen. Ich würde es ihnen wünschen. Sie haben letzte Saison so toll gespielt. Jetzt bezahlen sie leider dafür, dass sie viel zu früh aufgestiegen sind!
Was denken Sie über die Weltmeisterschaft in Katar?
Ewald Lienen: Wir tun so, als wäre die ganze Welt so, wie unsere westlichen Demokratien. Das ist aber nicht der Fall. Eine überwiegende Anzahl der Länder wird diktatorisch regiert. Dort gibt es Regime, die Menschen unterdrücken. Uns ist das allerdings egal, da unsere Wirtschaft brummt. Wir haben verhindert, dass die Länder sich entwickeln, aber sehr gut dabei gelebt. Jetzt haben wir einen Moment erreicht, wo die ganze Welt weiß, wenn etwas passiert. So, wie wir gelebt und gewirtschaftet haben, sind wir von einer Klimakatastrophe bedroht, die alles kaputt machen wird, was wir uns mühsam aufgebaut haben.
Aber es gibt auch Gründe für Katar …
Ewald Lienen: Würde dort keine WM stattfinden, hätten wir keinen Fokus auf die Menschenrechte dort. Das stimmt zum Teil, ist aber keine Rechtfertigung dafür, dort aber eine WM abzuhalten.
Hätte es alternativer Ideen bedurft, oder gegeben?
Ewald Lienen: Die Milliarden, die investiert wurden … warum nicht in Aufforstung stecken? Wenn ich ein Geschäftsmodell wie in Saudi-Arabien oder Katar habe, wo der Reichtum auf der Herstellung von fossiler Energie aufgebaut wird … warum also nicht in die Aufforstung vor Ort investieren?
Hat Dortmund eine Chance gegen City?
Ewald Lienen: Ich habe das Spiel in Manchester gesehen, das haben sie schon gut gemacht. Ich habe nicht verstanden, warum Edin … ein Toptrainer … plötzlich einen Stürmer rausnimmt und einen Innenverteidiger bringt. Das geht oft in die Hose. So gerät der BVB in einem Spiel, wo man super verteidigt hat, zehn Minuten voll unter Druck. Wenn dann so eine Flanke kommt, hast du gegen Haaland keine Chance. Du musst mutig bleiben.
Mit einer guten Offensive kannst du Spiele gewinnen, langfristig ist allerdings immer die Defensive das Entscheidende. Es gibt einen Grund dafür, warum diejenigen, die oben stehen, die wenigsten Gegentore haben und diejenigen, die unten stehen, die meisten Gegentore haben. Wenn Dortmund ein Problem hat, haben sie es eher in ihrer Defensive. Wenn ich dort top stehe, muss ein 1:0 mal ausreichen … reicht es bei ihnen allerdings nie! (SPORT1/TX)