Emily Bölk: „Durch die Förderung erhält man erst die Chance auf Leistungssport“.
Emily Bölk ist Kapitänin der deutschen Handball-Nationalmannschaft und gehört zu den Top-Spielerinnen in der starken ungarischen Liga. Neben dem Handball studiert die 24-jährige Rückraumspielerin aus Buxtehude mittels Fernstudium den Bachelor BWL & Wirtschaftspsychologie. Die Deutsche Sporthilfe nominierte Emily Bölk daher zu einer von fünf potenziellen „Sport-Stipendiatin oder -Stipendiat des Jahres 2022“.
Emily, Du bist im ersten Pandemie-Sommer vom Thüringer HC nach Budapest zum dortigen Spitzenteam gewechselt. Wie hast Du die Anfangszeit erlebt?
Emily Bölk: Das war eine sehr aufregende Zeit. Kurz nachdem ich Anfang 2020 bei Ferencváros unterschrieben hatte, brach die Pandemie aus. Da war lange unklar, ob ich überhaupt nach Ungarn einreisen kann oder ob meine Möbel mitkommen.
Jede Woche hatte ich, typisch deutsch, gut 20 neue Fragen an den Verein, darüber amüsieren sie sich noch heute. Aber es hat zum Glück alles mehr oder weniger gut geklappt und ich habe mich schnell eingelebt … auch wenn COVID ab Saisonstart wieder die Hauptrolle gespielt und zu größeren Einschränkungen geführt hat.
Was war die größte Herausforderung nach Deinem Wechsel?
Emily Bölk: Die ungarische Sprache ist sehr anspruchsvoll. Jetzt nach knapp zwei Jahren beherrsche ich die Basics und die Handball-Begriffe, auch meine Interviews versuche ich auf Ungarisch zu erledigen. Nach wie vor verstehe ich aber längst nicht alles. Vor einer wichtigen Entscheidung, wie etwa einem Vereinswechsel, mache ich mir stets eine Pro- und Contra-Liste. Die Sprache war das ärgste Hindernis, das ich mir ausgemalt hatte. Die größte Herausforderung war aber vermutlich COVID. Dass lange nur der Weg von der Halle nach Hause möglich war, man niemanden treffen konnte, Familie und Freunde weit weg wohnen, war hart. Dabei lernt man sich selbst neu kennen. Ich habe gemerkt, wie wichtig diese Dinge als eine Energiequelle sind.
Dennoch hast Du Dich perfekt eingelebt! Im ersten Jahr ungarische Meisterin, wurdest in Budapest zur besten FTC-Spielerin der Saison gewählt und Du hast 2021/22 mit dem ungarischen Pokal abgeschlossen. Dazu noch Kapitänin der deutschen Handball-Nationalmannschaft und dazu Publikumsliebling 2021.
Emily Bölk: Ja, ich bin recht zufrieden. Die ersten zwei Saisons im Ausland direkt mit zwei Titeln zu beenden, ist einfach unglaublich. Die Auszeichnungen sind zudem eine tolle Wertschätzung für mich ganz persönlich, also für meine Leistung auf dem Feld. Bei der Nationalmannschaft hoffe ich, dass wir unseren Weg weitergehen und die positive Entwicklung auch nach dem Trainerwechsel einfach fortsetzen.
Und studierst an der Euro FH per Fernstudium BWL & Wirtschaftspsychologie. Wie integrierst Du das Studium in Deinen gesamten Alltag?
Emily Bölk: An meiner Hochschule gibt es keine Semester, so dass ich monatlich Klausuren ablegen kann, wenn es terminlich passt. Das kommt mir natürlich sehr entgegen, denn in den wenigen Ruhephasen ist es auch wichtig, dass Körper und Kopf einfach einmal Erholung bekommen. Ich versuche, das Lernen wann immer es geht in meinen Tagesplan einzubauen. An einem ganz typischen Tag habe ich bis 16:00 Uhr Training, bin dann noch bei der Massage und gegen 17:00 Uhr zu Hause. Wenn dann nichts mehr weiter ansteht, gehört der Abend in der Regel dem Studium.
Wie ist das in Deinen Teams, also im Verein und in der Nationalmannschaft? Studieren dort viele Mitspielerinnen oder bist Du so etwas wie die Exotin?
Emily Bölk: In Deutschland ist es normal, dass wir als Handballerinnen ein großes Augenmerk auf die außersportliche Laufbahn legen. Vielleicht ist das aber auch mit ein Grund dafür, dass wir noch lange nicht so erfolgreich sind wie andere Länder. In Ungarn sind die Erstliga-Spielerinnen allesamt Profis. Das ist eine Luxussituation, die zeigt, dass ein anderer Geldfluss dahinter steckt. In meinem Verein in Budapest studieren dennoch manche Spielerinnen, aber das ist aus Eigeninitiative.
Dabei bekommst Du seit sieben Jahren die Unterstützung von der Deutschen Sporthilfe und auch das Deutsche Bank Sport-Stipendium.
Emily Bölk: Durch die Förderung der Deutschen Sporthilfe bekommen die jungen Talente überhaupt erst die Möglichkeit, den Weg in Richtung des Leistungssports zu gehen … ohne Angst um das eigene Auskommen zu haben. Das ist enorm wichtig. Gleiches gilt für das Deutsche Bank Sport-Stipendium. Für mein Studium muss ich eine monatliche Rate an die Hochschule zahlen. Dass es über die Sporthilfe auch die Möglichkeit gibt, Unterstützung bei der beruflichen Perspektive zu bekommen, ist daher eine große Erleichterung und generell ein starkes Zeichen für den Nachwuchs.
Du kommst aus einer echten Handballfamilie, schon Deine Mutter Andrea war Nationalspielerin und hat mit Deutschland sogar 1993 WM-Gold gewonnen, Dein Vater Matthias spielte in der Jugend- sowie Juniorennationalmannschaft und in der Bundesliga. Dreht sich bei Euch am Ende alles um Handball?
Emily Bölk: Tatsächlich hat auch meine Schwester gespielt. In der DDR war meine Oma ebenfalls Handball-Nationalspielerin und mein Opa war Juniorennationalspieler im Fußball. Der Sport ist daher natürlich oft ein Thema. Ich fand es immer cool, dass meine Familie „vom Fach“ ist, weil sie nachvollziehen können, was mich so umtreibt und auch, wenn ich einmal keine Lust habe, über Handball zu sprechen. Mit Oma und Opa väterlicherseits ist es dafür das exakte Gegenteil: Da ist die aller wichtigste Frage, ob das Essen und Hotel gut sind … das finde ich ganz süß! (Deutsche Sporthilfe/TX)