Dirk Scheumann: „Ich denke, höher und weiter ist mittlerweile einfach vorbei“.
Bereits 1999 hat Dirk Scheumann seine Mission begonnen: „Action Sport für alle“ … seit dem Jahr 2007 setzt es das innovative Multitalent mit seiner Firma Schneestern professionell um, zu jeder Jahreszeit. 2022 war Dirk Scheumann unter anderem bei der Entwicklung des gefeierten Slopestyle Parks für die Olympischen Winterspiele in Peking involviert, oder mit Schneestern für die Nines in Crans-Montana zuständig.
Dirk, bevor wir zum diesjährigen Nines kommen, Du warst am Slopestyle Park für Peking beteiligt. Wie war es, den Park in eine Wüste zu bauen?
Dirk Scheumann: Was meinst Du mit Wüste? Klar, es fällt dort nicht ganz so viel Schnee wie in Skandinavien oder den Alpen. Aber wir sind auch zu unserer großen Überraschung feinsten Powder zwischen tiefgewachsenen Birken gefahren …
Es war eine tolle Erfahrung und meine Eindrücke decken sich nur bedingt mit der westlichen Berichterstattung. Wir hatten die Möglichkeit, ein Setup umzusetzen was es meiner Meinung nach, so, nicht noch einmal geben wird. Durch die klimatischen Bedingungen und die super moderne Infrastruktur konnten wir einen Traumkurs für die Rider umsetzen und auch die Qualität während des Events gewährleisten. Durch das Stilelement der Chinesischen Mauer, welche wir als Windprotection in den Kurs integriert haben, konnten wir zudem die Herzen der Chinesen gewinnen. Jeder vor Ort war wirklich extrem Stolz auf die Spiele, das persönliche Involvement und den Kurs. Es war alles super organisiert und es war eine wirklich super Erfahrung.
Bietet solch eine eigentlich andere Region mehr Möglichkeiten, als etwa die bekannten Hänge in Nordamerika oder unseren europäischen Alpen?
Dirk Scheumann: Wie schon angedeutet, die Rahmenbedingungen sind einzigartig gewesen. Durchgängig konstant kalte Temperaturen sowie modernste Infrastruktur in Beschneiung und Pistengeräten, dazu kommt dann noch stabiles Wetter und sehr wenig Niederschlag. Das ist für einen Parkbauer optimal. In den Alpen müssen wir mit bis zu einem Meter Neuschnee über Nacht rechnen … das schränkt uns im Design der Kurse natürlich stark ein, beziehungsweise ist es sehr, sehr schwer zu kalkulieren und führt im Ernstfall nicht selten zu Absagen von Events.
Die Auflagen bei Olympischen Spielen wirken in allen Bereichen immer extrem hoch. Hatte dies Auswirkungen auf den Slopestyle Park in Peking? Oder ist es nicht wichtig, weil man immer die coolste Anlage bauen möchte?
Dirk Scheumann: Ich denke, höher und weiter ist vorbei. Wir haben uns die letzten Jahre an die Wohlfühlgrenzen herangearbeitet, diese teilweise sogar überschritten und kommen jetzt langsam in einen Bereich wo sich etwa die Kicker-Dimensionen einpendeln. Ähnlich haben wir es auch bei der Pipe erlebt. Gestartet bei zwei Meter hohen hangeshapten Pipes sind wir mittlerweile schon seit einigen Jahren jetzt bei einem Superpipe-Standard von rund sieben Meter und standardisierten Pipefräsern angelangt. Speziell im Slopestyle wird es in Zukunft darum gehen, kreative Setups zu bauen, um den Fahren immer wieder die Möglichkeit zu geben den Sport und die Tricks weiter zu entwickeln und vor allem individuell zu performen. Das ist es was Slopestyle so speziell und so interessant macht. Ein Slopestyle-Kurs ist immer noch eine der wenigen Infrastrukturen, welche nicht genormt und standardisiert ist, wie zum Beispiel eine Pipe, eine Skisprungschanze, ein Eisfeld oder Aerealjump.
Kommen wir zum Nines 2022 in Crans-Montana. Wurden Deine Erwartungen von den Athletinnen und Athleten erfüllt, oder sogar übertroffen? Und wichtig, welche Erwartungshaltung hattest Du überhaupt für die Nines 2022?
Dirk Scheumann: Meine eigenen Erwartungen wurden tatsächlich wieder einmal übertroffen. Dies hängt immer mit einer gewissen Unsicherheit zusammen, wenn man eben solche Setups baut. Mit solchen Setups meine ich, die vielen brandneuen Innovationen, die wir immer wieder versuchen umzusetzen. Es ist nicht sicher, dass die Rider es mögen oder alles immer auf Anhieb funktioniert. Dazu kamen die neue Location und ein verhältnismäßig schneearmer Winter. Bis zum letzten Moment war es spannend … ich bin sehr froh, dass alles so genial funktioniert hat!
Was war 2022 in Crans-Montana denn Dein absolutes Highlight?
Dirk Scheumann: Mein persönliches Highlight war die „Sphere“. Im Speziellen der Tunnel zum „Oververt Reedirect“ in die außenliegende Landung. Hier kommt alles zusammen, was eine Innovation braucht. Die fahrerische Idee ist meiner Meinung nach wirklich echt Out Standing und gepaart mit einem Tunnel als Inrun sowie der Gesamtästhetik des Features als Teil eines organischen Megasetups macht diese Option einfach zu meinem persönlichen Highlight. Und wenn sich die Leute dann noch fragen: „Shit, wie zum Henker haben die das gebaut?“, dann sind genau dies die Momente, die uns für die harten Tage am Berg wirklich voll entschädigen …
Wie lange laufen die Vorbereitungen auf ein mehrtägiges Event wie die Nines 2022? Was gilt es denn dabei im Vorfeld bereits alles zu beachten?
Dirk Scheumann: Das Gute ist, das sich nach so vielen Jahren die Abläufe sehr gut eingespielt haben, und wir heute sehr effizient in der Vorbereitung und Planung sind. Spannend ist natürlich immer der Designprozess. Hier gibt es immer den Zielkonflikt zwischen dem besten und innovativsten Setup der Welt … versus Budget, Schnee und Geländebegebenheit. Am Ende geht’s aber immer ums Setup. Wenn das steht, ist der Rest nur noch Projektmanagement, Organisation und Technik …
Wenn man sich mit Deiner Vita befasst, dann hast Du schon sehr viele coole Sachen gemacht. Was fehlt da noch? Was wäre Dein Highlight?
Dirk Scheumann: Ich denke tatsächlich, dass wir vor allem im Winterbereich auf einen Peak zu steuern. Schaut man sich die globale Entwicklung an, dann haben wir uns mit unseren Themen ganz klar etabliert. Ich denke, der pure Bedarf an absolut extremen Highend- und Out Standing-Projekten wird etwas zurückgehen. Vor allem aber haben wir die Grenzen der Bautechnik im Bereich Schnee und natürlich auch die vorhandenen Ressourcen schon gut bis sehr gut ausgereizt. Aber Ideen gibt es noch viele und ich bin zum Glück immer noch bereit für die nächste Verrücktheit!
In den kommenden Monaten werde ich mich allerdings auf unsere Sommerprojekte konzentrieren. Hier wächst der globale Bedarf extrem und die große Nachfrage freut mich nach so vielen Jahren, in denen wir versucht haben den Leuten zu erklären, Actionsport ist gut, umso mehr. Im Grunde zielen meine Projekte sowie das Wirken meiner Firma ja darauf ab. Actionsport gesellschaftlich tiefer zu verankern. Das bleibt meine größte persönliche Herausforderung, Inspiration und Antrieb! (TX)
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