Christopher Rühr: „Die Förderung hilft das Studium voranzutreiben“.
Christopher Rühr ist ein Kandidat bei der Wahl „Sport-Stipendiat des Jahres“ der Sporthilfe vergeben Auszeichnung für Spitzenleistungen in Sport und Studium. Die Online-Abstimmung findet unter www.sportstipendiat.de statt. Der Weltmeister im Hockey studiert Humanmedizin an der Universität zu Köln. Dazu engagiert sich der 29-jährige Düsseldorfer in mehreren sozialen Projekten, und träumt von Gold 2024.
Christopher, am 18. August beginnt die Heim-Europameisterschaft im Hockey in Mönchengladbach und …
Christopher Rühr: Ich spiele nicht mit! Ende August schreibe ich eine sehr, sehr wichtige Klausur, die ich nicht verschieben kann. Und entsprechend sitze ich diesen Sommer am Schreibtisch, anstatt auf dem Hockey-Platz zu stehen. Das ist extrem schade, zumal man als Spieler wohl nur einmal eine Heim-EM erleben wird. Aber wenn ich ein bisschen darüber hinaus in meine Zukunft blicke, dann macht es Sinn, denn diese Prüfung ist ein Teil meines Physikums, welches ich hoffentlich mit Erfolg abschließen werde. Im Wintersemester vor den Olympischen Spielen in Paris wäre das definitiv nicht möglich, von daher ist das jetzt die einzige Chance.
Wie ist es eigentlich überhaupt möglich, parallel zur Bundesliga und den recht vielen Nationalmannschaftseinsätzen noch Humanmedizin zu studieren?
Christopher Rühr: Es ist durchaus schwierig, da wir im Medizinstudium sehr viele Pflicht- und Anwesenheitstermine haben. Ohne Unterstützung der Universität, die Leistungssportlern wie mir Ausnahmeregelungen gewährt, wäre dies kaum möglich. Die größte Herausforderung ist trotzdem, realistisch einzuschätzen, was ich neben dem vollen Hockey-Jahreskalender schaffen kann. Dies ist mir bisher gut gelungen, ich konnte Stück für Stück mein Studium voranbringen und trotzdem meine größten sportlichen Erfolge feiern. Das Gesamtpaket macht mich stolz. Trotzdem sehe ich noch Verbesserungspotential, vor allem im akademischen Teil meiner Karriere. Mein Weg ist einfach langsamer als der von ordinär Studierenden.
Und dabei hattest Du bereits lange acht Jahre auf Deinen Studienplatz in der Medizin warten müssen.
Christopher Rühr: Ich hatte versucht, die lange Wartezeit mit einer Ausbildung zu überbrücken, die mich auf das Studium vorbereiten sollte. Dort gab es aber keinerlei Flexibilität in Bezug auf Fehlzeiten. Deshalb habe ich schließlich einen Antrag beim Bundesinnenministerium für Inneres und Sport gestellt, mehr Fehlzeiten haben zu dürfen, während ich mit der Nationalmannschaft unser Land vertrete. Dieser Antrag wurde abgelehnt mit Verweis auf das Grundgesetz und dort auf den Paragrafen des Gleichheitsgesetztes. Das heißt also, dass ich gegenüber meinen Mitschülerinnen und Mitschülern keine Extrawurst haben darf. Das war für mich ein heftiger Schlag ins Gesicht, und ganz ehrlich, den ich nicht schnell verkraftet habe.
Den Traum vom Medizinstudium hast Du trotzdem niemals aufgegeben?
Christopher Rühr: Ich hatte nach dem negativen Bescheid beschlossen, den Fokus auf den Sport zu legen. Das hat auch ganz gut funktioniert. Trotzdem waren die acht Jahre eine harte Zeit. Auch der Einstieg in das Studium war nicht so einfach, weil ich mehrere Jahre nicht mehr strukturiert gelernt hatte. Zudem ist der fehlende Kontakt zu Kommilitoninnen und Kommilitonen eine große Herausforderung. Sie treffen sich oft abends und am Wochenende, um gemeinsam zu lernen. Dadurch taucht man tief in die Themen ein und der Lernstoff festigt sich. Bei mir ist abends Training und an Wochenenden sind Spieltage. Allein zu lernen ist ein Nachteil. Aber mein Traum war und ist, Medizin zu studieren. Ich mache das Beste daraus.
Wie kann die Sporthilfe und das Deutsche Bank Sport-Stipendium an dieser Stelle ideal unterstützen?
Christopher Rühr: Zunächst mal hilft es mit, das Studium voranzutreiben, weil man das Stipendium nur behält, wenn man auch entsprechende Leistungen erbringt. Das andere ist natürlich der finanzielle Aspekt: Diese Unterstützung ist Gold wert. Ohne das Deutsche Bank Sport-Stipendium könnten ich sowie viele weitere Studierende unseren Sport gar nicht oder zumindest nicht in der Form ausüben. Die Sporthilfe-Förderung ist wie eine Lebensversicherung; abgesehen von der Sporthilfe sind die finanziellen Zuwendungen in Sportarten wie Hockey sehr limitiert.
Deshalb engagierst Du Dich im Verbund Kölner Athleten, die in der Stadt für mehr Sichtbarkeit und Unterstützung von lokalen Topathleten kämpfen?
Christopher Rühr: Eine Unterstützung auch von anderen Seiten und damit etwas mehr finanzielles Polster würde mental helfen, da man sich weniger Druck machen müsste, das Studium maximal schnell zu beenden. Wenn man durch die Förderung nicht nur seinen Lebensunterhalt finanzieren, sondern sich auch noch ein wenig zur Seite legen kann, um dann nach der sportlichen Karriere fertig zu studieren, ohne am Existenzminimum zu kratzen, täte gut. Ich denke, dies ist für viele Athletinnen und Athleten ein Thema. Daher engagiere ich mich zusammen mit Teamkameraden und Aktiven aus anderen Sportarten für Olympia dafür.
Was treibt Dich im Sport noch an, nach dem Gewinn des Weltmeistertitels und Bronze bei Olympia 2016?
Christopher Rühr: Tatsächlich ist nach dem Titel eine kleine Sättigung eingetreten, die glücklicherweise nur ein paar Wochen angehalten hat. Und ein Jahr vor Olympia denke ich, dass sich Olympia-Gold doch auch noch ganz gut in meinem Schrank machen würde. Von daher treibt mich einerseits dieses Ziel an, andererseits aber auch immer noch der pure Spaß. Es macht einfach unfassbar viel Bock, mit meinem besten Freunden zum Training zu gehen und Hockey zu spielen. (TX)
Foto:Christopher Rühr – Copyright Sporthilfe