André Henning: „Auf Rot-Weiß geguckt ist es nahezu perfekt“.
André Henning hat als nach fünf Jahren die Meisterschaft im Feldhockey wieder nach Köln geholt. Dahinter steckt viel Arbeit bei Rot-Weiß und das Vertrauen künftig auf Eigengewächse zu setzen. Doch mit dem Titel ist das Jahr für den Trainer noch lange nicht zu Ende. Denn so ganz nebenbei trainiert André Henning auch noch die kanadische Nationalmannschaft der Herren. Mit Olympia kennt sich der Trainer aus!
Deutscher Meister! Konnte überhaupt gefeiert werden?
André Henning: Na, ein bis zwei Kölsch haben wir schon getrunken. Es war sehr entspannt. Man kennt die Hockeyspieler ja auch als wilde Feierbiester. Es war er ein erleichterndes Jubeln, das Feiern war sehr selig und mit sich selbst im Reinen. Die Jungs waren sehr glücklich, haben es genossen. Wir sind ein paar Jahre hinter dem Ding hergelaufen und die Jungs mussten in den letzten Jahren viel Dreck fressen.
Rot-Weiß Köln ist zum neunten Mal Meister geworden. Was bedeutet dieser Titel, dieser Erfolg?
André Henning: Sicher hat dieser Titelgewinn viel Geschichte dahinter. Wir hatten ein paar Anläufe, die aus den unterschiedlichsten Gründen nicht funktioniert haben. Es sind ein paar Jungs mit dabei, die mit mir zusammen seit 2016 mehrere Anläufe gestartet haben. Wenn man so lange einen so großen Berg herauflaufen muss, ist dann auch viel Strecke auf dem Weg gewesen. Das ist das Besondere, dass wir es als Team geschafft haben, genau diese negativen Momente für uns zu nutzen. Am Ende ist wirklich jede Meisterschaft etwas besonders. 2016 war persönlich meine erste Meisterschaft und der erste Titel ist ja immer etwas Außergewöhnliches. Das hat sich damals anders angefühlt.
Es hat uns allen aber ein sehr schönes Gefühl gegeben, zumal viele neue Spieler dabei sind. So haben wir nun sehr viele schöne individuelle Geschichten.
Es war auch deswegen besonders, weil es eine Meisterschaft in der Pandemie war. Wie hat der Hockey-Sport, wie hat Rot-Weiß Köln diese Zeiten erlebt?
André Henning: Am Anfang natürlich genauso unwirklich, wie bei vielen anderen. Uns hat es im März 2020 vor unserer EHL-Vorbereitung, der Champions League im Hockey, getroffen. Da hatten wir uns schon etwas für ausgerechnet und wollten da gewinnen. Zumal wir ein Jahr davor ein fast perfektes Spiel gespielt haben, mega unglücklich das Finale verloren haben. Wir waren sehr euphorisch aufs Turnier. Dir wird dann sehr viel an Fokus und an Motivation entrissen. Man hat ja immer schon das nächste Ding im Kopf und plötzlich ist nichts mehr da, die Saison wurde auch nicht fortgesetzt. Einige wollten 2020 mit zu Olympia und diese Motivation war dann auch weg. Wir haben uns dann neue Fokusfelder gesucht. Das haben wir ganz gut hinbekommen. Letztendlich hat Hockey den Beitrag geleistet, den so eine Sportart auch leisten konnte. Wir haben früh gemerkt, dass wir unter gewissen Umständen keine Saison weiterspielen können. Um dann zu schauen, welche Konzepte ziehen könnten, um alles unter den besten Bedingungen möglich zu machen. Das wir dann wieder spielen duften war ein Privileg, und auch Verantwortung. Am Ende hatten wir über ein Jahr nur ganz wenige Infektion rundum das Hockey-Bundesligageschehen. Die Konzepte haben gezogen.
Hat denn die Krise dem Image des Hockey-Sports geschadet? Gefühlsmäßig schauen Millionen bei Olympia zu, wenn es um mögliche Medaillen geht, nach den Spielen findet in der Öffentlichkeit Hockey nicht mehr statt …
André Henning: Das würde ich tatsächlich so teilen. Wir sind eine Randsportart. Der Weltverband versucht zum Beispiel durch die Pro League einiges. Das ist so eine Art Weltliga, die natürlich in diesen Zeiten grenzwertig ist. Nicht nur wegen der Pandemie, sondern auch aus ökologischen Gründen, wenn das deutsche Team mal für ein Spiel eben nach Australien fliegt. Der Sport versucht etwas, in Deutschland ist der Nischenstatus da. Immerhin war die Art der Übertragung des Turniers mal etwas Neues, weil das Final Four auf „Twitch“ lief. Dazu gab es auch wohl positive Rückmeldungen. Das mediale Interesse an dieser Meisterschaft war tatsächlich so hoch wie lange nicht mehr. Und Olympia steht ja auch wieder vor der Tür.
Ihr habt Nationalspieler und diese spielen dann in Tokio gegen Kanada, deren Teamchef Du bist. Ein kurioses Ding, oder?
André Henning: Ich mache das für Kanada zusammen mit Pasha Gademan, wie hier bei Rot-Weiß. Offiziell bin ich in Köln im Lead und er ist offiziell in Kanada vor Ort. Sie haben mir die Headcoach-Position gegeben, jedoch ist es eher so ein 51:49 Level. Wir kennen diese Hierarchie-Menatlität nicht und machen es gemeinsam.
Ja, das wird gegen die Jungs besonders sein, gerade dann bei den Spielen gegen die deutsche Nationalmannschaft zu spielen … es ist sicherlich außergewöhnlich, aber ich freue mich darauf. Es gibt schon seit Wochen ein paar Sticheleien.
Wie kam zum Abenteuer Kanada?
André Henning: Durch verschiedene Kanäle gab es immer mal wieder Kontakt. Jetzt ist der Job frei geworden und sie haben jemanden gesucht, der noch mal Input von außen reinbringt. Das kanadische Trainerteam leitet die Trainingseinheiten vor Ort, ich mache die Vorbereitung und Turniere. So kam es auch zur Konstellation mit Pasha Gademan, so dass immer einer vor Ort sein kann. Es macht wahnsinnig viel Freude, auch wenn es dieses Jahr für mich keine Pause gibt. Ein fantastisches und langfristiges Projekt mit einer super Mannschaft, die ganz viel Potenzial hat.
Was erwartet der Verband von Euch?
André Henning: Druck spüre ich überhaupt nicht. Sie sind happy, dass wir erst mal da sind und mit den Jungs arbeiten können. Es gibt schon viel positives Feedback. Schon die Qualifikation für Olympia ist ein riesiger Erfolg. In unserer Gruppe sind wir krasser Außenseiter. Deutschland, Belgien, Holland und dazu Großbritannien, also die „Big Four“ aus Europa. Die Favoriten für das Viertelfinale. Südafrika und Kanada sind da die Außenseiter. Südafrika wollen wir auf jeden Fall schlagen. Und dann brauchen wir noch diesen einen Überraschungssieg.
In Kanada gibt es kein Ligasystem, wie bei den anderen Nationen. Die Mannschaft hat die letzten Länderspiele im Januar 2020 in Südamerika gemacht. Und bis Ostern 2021, mit Testspielen gegen Belgien und Frankreich, gab es 15 Monate lang kein einziges Spiel. Die Pandemie hat die Verhältnisse noch einmal verrückt.
Du hast schon eine Bronzemedaille. 2016 hast Du diese mit den Damen geholt. Ist es ein großer Unterschied, ob man Damen oder Herren trainiert?
André Henning: Es ist bestimmt nicht ganz genau das Gleiche. Es war eine meiner wertvollsten Trainer- und Lebenserfahrungen. Es war eine besondere Mannschaft in einer ganz besonderen Phase mit den ganzen Prozessen und der Offenheit des Teams. Ich habe schon den Eindruck, dass die Arbeit mit einer Frauenmannschaft anders ist. Es war für mich das erste und bis aktuell einzige Mal, das ich mit einem Frauenteam länger gearbeitet habe. Dieses Team, also was die Kommunikation und das Feedback anging, war das stärkste, stabilste, smarteste sowie erwachsenste Team, was ich auf dem höchsten Level je trainiert habe. Die Feedback-Kultur war fantastisch. Noch heute bin ich mit vielen in Kontakt. Das ist schon emotional und empathisch eine komplett andere Liga. Und seit dem schaue ich auch auf Frauen in Führungsposition ganz anders. Natürlich ist Frauenhockey in vielen Punkten anders als Männerhockey, das ist eine Logik, die sich aber von selbst ergibt. Man stellt sich darauf ein, weil es auch andere taktische Ansprüche gibt. Männer schlenzen über den ganzen Platz, das ist bei Frauen nicht so. Es gibt andere Pressingvarianten, die man spielen kann.
Deutscher Meister bist Du schon. Wenn Du an Silvester zurückblickst, wann sagst Du, dass es ein gutes Jahr war?
André Henning: Ich weiß gar nicht, was passieren muss, damit es nicht ein gutes Jahr wird. Mit Rot-Weiß Köln haben wir den wichtigsten Teil schon hinter uns. Wir werden um keinen Titel mehr spielen und den, den es gab, den haben wir. Rein auf Rot-Weiß geguckt ist es nahezu perfekt. Für mich gilt es jetzt, viele Talente da rein zu bringen. Rot-Weiß setzt auf hochwertige Jugendarbeit. Wenn Jugendspieler im Kader sind, dann bringen sie die ganze A- und B-Jugend samt Freunde und Familie mit und schon hast Du 100 Zuschauer mehr. Es rückt alles immer enger zusammen. Wir haben nun auch einen Perspektivkader mit vielen Jungen, die an die Bundesliga heran rutschen. Das gibt dem Klub richtig viel. Der nächste Schritt ist kein Ergebnis- oder Meisterschritt, sondern ein Entwicklungsschritt. Was Olympia angeht ist der Ergebnisdruck mit Kanada nicht so riesig. Wir wollen uns gut verkaufen, mindestens ein Spiel gewinnen. Wenn wir die Sensation mit dem Viertelfinale schaffen, dann wäre es eine der größten Stories der Hockeygeschichte. (OD)
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