Almuth Schult: „Bei Gleichberechtigung gibt es noch Aufholbedarf“.
Almuth Schult hütet seit Jahren sehr erfolgreich das Tor des VfL Wolfsburg und der deutschen Nationalmannschaft. Mit dem Verein mehrfache Meisterin, Pokalsiegerin und Gewinnern der Champions League sowie u.a. Olympiasiegerin 2016 mit dem DFB-Team. Seit April des vergangenen Jahres hütet die 30-jährige Dannenbergerin zudem ihre Zwillingsbabys. Ein Interview über Kind, Karriere und Königsklasse.
Almuth, seit 50 Jahren spielen Frauen in Deutschland ganz offiziell Fußball. Erinnerst Du Dich noch, wie Du begonnen hast?
Almuth Schult: Mein großer Bruder hat irgendwann angefangen. Und weil kleine Schwestern immer das wollen, was die großen Brüder machen, bin ich schließlich mitgegangen. Ich fand den Fußball gleich toll und habe sehr viele neue Freunde kennengelernt. Natürlich habe ich recht lange in einer Jungsmannschaft gespielt, Mädchenteams gab es in unserer dünn besiedelten Gegend nicht.
Heute stehst Du beim VfL Wolfsburg zwischen den Pfosten, und bist gerade Mutter von Zwillingen geworden. Mutter und Fußballprofi zugleich, das ist eine Seltenheit?
Almuth Schult: Ich meine, dass tatsächlich in den letzten 25 Jahren keine Spielerin, die ein Kind bekommen hat, auch in der Bundesliga dann noch weitergespielt hat. Die letzte war meines Wissens Martina Voss-Tecklenburg, die Nationaltrainerin. Die bekannten Spielerinnen wie Celia Šašić oder Lira Alushi haben ihre Karriere als sie Mütter wurden beendet.
Warum machst Du weiter?
Almuth Schult: Ich habe von Anfang an gesagt: Für mich ist das eine bewusste Entscheidung. Außerdem habe ich einen laufenden Vertrag, den möchte ich gern erfüllen. Vorher habe ich mich lange mit meiner Familie besprochen. Alle haben gesagt: „Wir stehen hinter, wir bekommen das hin“. Meine Mutter hat damals auch in ihrem Job weitergearbeitet, warum soll das also im Fußball nicht auch möglich sein.
Die Schwierigkeit ist wahrscheinlich: Du hast komplett andere Arbeitszeiten als viele andere Mütter?
Almuth Schult: Ja, es ist nicht ganz so klar geregelt. Manchmal verschieben sich Termine kurzfristig, manchmal fallen freie Tage weg, manchmal haben wir eine 7-Tage-Woche. Da gibt es nicht immer eine Kita, die offen hat. Stattdessen bin ich auf viel Unterstützung in der Familie angewiesen. Das ist nicht immer ganz so einfach zu organisieren, aber bis jetzt klappt es sehr gut. Und darauf bin ich sehr stolz.
Wie unterstützt der Verein Dich dabei?
Almuth Schult: Die Verantwortlichen beim VfL und ich hatten uns darauf geeinigt, dass ich in den ersten zwei Monaten nach dem Mutterschutz in Teilzeit arbeiten kann. Das war dann nicht möglich. Der Verein hat es mir ermöglicht, schrittweise ins Training einzusteigen. Einerseits konnte ich mich so wieder ans Mannschaftstraining gewöhnen, andererseits habe ich mir auch nicht zu viel abverlangt.
Siehst Du die Kinder zwischen den Trainingseinheiten?
Almuth Schult: Nein, das schaffe ich nicht, weil ich mehr als eine Stunde Fahrtzeit entfernt wohne. Das ist eben der Kompromiss: Dafür ist meine Familie am Wohnort immer in der Nähe und kann sich kümmern. Aber ich kann auch zu Hause individuell trainieren. Dafür habe ich mir vorausschauend einen Kraftraum eingerichtet, den ich jetzt nutze. Generell gilt: Beim Mannschaftstraining bin ich dabei und meine Zwerge sind zu Hause.
Mit Deiner Entscheidung, nach der Geburt weiter als Profifußballerin aktiv zu sein, bist Du für viele ein Vorbild, nicht nur für andere Sportlerinnen. Hast Du Tipps für Mütter, die sich ähnlich wie Du nicht zwischen Kind oder Karriere entscheiden wollen?
Almuth Schult: Das Wichtigste ist, sich selber zu fragen, ob und wie früh ich wieder arbeiten möchte. Oder ob ich nicht lieber die Zeit mit meinem Kind verbringe. Man muss mit sich im Reinen sein. Denn wenn ich mich auf die Arbeit konzentrieren muss, kann ich nicht alle paar Minuten auf mein Smartphone schauen. Der nächste Schritt ist: Wem vertraue ich meine Kinder an? Einer Kindertagesstätte? Oder den Großeltern? Tante? Onkel? Da muss jeder seinen Weg finden. Und: Man muss sich immer wieder auf seine Kinder freuen. Und wenn zwischendurch etwas schief läuft, es einfach hinnehmen. Das ist völlig normal“.
Du arbeitest und Dein Mann auch: Sind wir beim Thema Gleichberechtigung in Deutschland auf einem guten Weg?
Almuth Schult: Es ist besser als noch vor 50 Jahren. Immer mehr Männer nehmen Elternzeit und genießen es, ihre kleinen Kinder aufwachsen zu sehen. Nicht nur morgens zur Arbeit zu gehen und abends von der Arbeit zu kommen, wenn die Kinder schon im Bett sind. Das ist wirklich toll. Aber es gibt noch Aufholbedarf.
Wie meinst Du das?
Almuth Schult: Mir persönlich wurden Dinge vorgeworfen wie: „Aber jetzt als Mutter musst du doch mit dem Fußball aufhören“. Dabei ist es ja nicht so, dass ich mich nicht um meine Kinder kümmere, nur weil ich noch arbeite. Es gibt noch sehr viele Vorurteile über arbeitende Mütter.
Was wünschst Du Dir?
Almuth Schult: Wir müssen als Gesellschaft dran bleiben, Möglichkeiten für Mütter zu schaffen. Es darf nicht suggeriert werden, dass Arbeiten als junge Mutter nicht möglich und den Kindern gegenüber unfair ist. Das stimmt einfach nicht.
Was können Arbeitgeber tun, um Müttern den Wiedereinstieg zu erleichtern?
Almuth Schult: Da gibt es einiges. Firmeninterne Kitas sind beispielsweise wichtig. Falls etwas mit meinem Kind ist, kann ich schnell hingehen oder sogar mit ihm zusammen Mittagessen. Vielleicht kommen so auch Kontakte zu Kolleginnen oder Kollegen zustande und man kann sich dann gegenseitig helfen, etwa beim Abholen nachmittags. Außerdem würde ich mir auch noch wünschen, dass es mehr Mütter in Führungspositionen gibt. Die selbst einmal diese Erfahrung gemacht haben, wie herausfordernd es für Frauen ist, nach einer Geburt wieder in den Job einzusteigen. Mütter haben zwangsläufig einen ganz anderen Blick auf das Thema Vereinbarkeit von Familie und Beruf als es zuweilen bei Männern der Fall ist.
Zum Abschluss: Was sind Deine sportlichen Ziele?
Almuth Schult: Bei der EM 2022 in England wäre ich super gerne dabei. Auch die WM in Neuseeland und Australien 2024 ist sehr, sehr attraktiv. Ich hab auch schon einmal Olympia gewonnen und würde das gern noch einmal erleben, wenn mir das vergönnt ist. Ich möchte mit dem VfL Wolfsburg noch einmal die Champions League gewinnen, am liebsten immer wieder Meister und Pokalsieger werden. (Volkswagen/TX)