Giulio Ciccone: „Ich habe alles versucht, denn meine Beine waren einfach gut“.
Zwischen Niederlage und Sieg liegen oftmals nur einige Stunden. Juan Pedro Lopez musste am Samstag das „rosa Trikot“ nach zehn hart kämpfenden Tagen beim Giro d’Italia 2022 abgeben, am Sonntag triumphierte schließlich Giulio Ciccone als Solist in den Alpen. Der Kapitän beim Team Trek-Segafredo bezwang die drei Bergpässe Pila, Verrogne und Cogne. Dahinter dann Santiago Buitrago und Antonio Pedrero.
Giulio, es ist Dein insgesamt dritter Etappensieg beim Giro d’Italia. Wie fühlst Du Dich nach 177 Kilometern und drei Bergpässen in den Alpen?
Giulio Ciccone: Ich glaube, das war mein schönster Sieg. Noch besser als das „gelbe Trikot“ bei der Tour de France, noch besser als mein erster Etappensieg beim Giro d’Italia. Dies ist mein dritter Etappensieg, aber er hat einen unbeschreiblichen Wert für mich. Es war eine wirklich sehr schwierige Zeit, in der man immer wieder versucht, zu gewinnen, nichts passiert. Das zehrt wirklich an der mentalen Stärke. Ich habe mich eine Zeit lang nicht wie ich selbst gefühlt, und ich habe immer wieder gewartet und gewartet, und heute habe ich es gefunden.
Glaubst Du, heute ist ein Knoten bei Dir geplatzt?
Giulio Ciccone: Ich glaube, ich habe heute mein Gefühl wiedergefunden. Es ist die Art und Weise, wie ich diesen letzten Anstieg angegangen bin, wie ich attackiert und die anderen müde gemacht habe … erst waren wir vier, dann drei, dann zwei und dann habe ich beschlossen, alleine zu fahren. Das ist meine Art zu fahren, und ich bin sehr, sehr glücklich, dass ich dieses Gefühl wiedergefunden habe. Ich habe alles versucht, denn meine Beine waren heute einfach wirklich gut … sehr gut!
Du bist als Kapitän in den Giro d’Italia gegangen, doch dann steckte plötzlich Juan Pedro Lopez im „rosa Trikot“ und Du hattest mit der Gesamtführung gar nichts mehr zu tun. Hast Du die neue Rolle sofort übernommen?
Giulio Ciccone: Ich habe ein ganz tolles Team. Nach zehn Tagen mit Juan im „rosa Trikot“ haben wir eine richtig gute Stimmung im Team. Als wir natürlich sahen, dass die Gesamtwertung nicht mehr möglich war, änderten wir unser Ziel und fuhren um die Etappe. Bauke war vor ein paar Tagen schon nah dran, und heute haben wir es geschafft. Dabei war es nicht wichtig wer den Sieg holt.
Ich wusste, dass ich mit einigen Fragezeichen in diese Rundfahrt kam. Der Ansatz war nicht der beste. Ich musste während des Trainingslagers Antibiotika einnehmen, ich habe Fleche und Lüttich verpasst, deshalb habe ich beschlossen, diesen Giro d’Italia von Tag zu Tag zu erleben. Natürlich hatte ich im Hinterkopf den Gedanken an das Klassement, aber nach dem Blockhaus war klar, dass das nicht möglich ist. Der Anstieg zum Blockhaus war ein sehr schlechter Tag für mich, körperlich, aber vielleicht sogar mehr für meine Moral. Aber ich habe mir neue Ziele gesetzt … und nun dieser Etappensieg. Endlich kam dieser Triumph.
Santiago, Du musstest als letzter Fahrer aus der einstigen Fluchtgruppe am letzten Anstieg reißen lassen. Ging nicht mehr?
Santiago Buitrago: Es war ein weiterer Tag in einer Fluchtgruppe, es war wirklich schwer, wegzukommen. Schließlich war Giulio zu stark. Natürlich bin ich enttäuscht, dass ich die Etappe nicht gewonnen habe, aber es ist ein wichtiger zweiter Platz für mich. Mal sehen, ob es in der letzten Woche weitere Gelegenheiten gibt.
Antonio, Du sahst sehr stark aus. Wo ging Dir die Kraft dann aus?
Antonio Pedrero: Ich weiß nicht, es war wohl zu viel … (TX)