Erwin Kostedde: „Irgendwie mochten wir uns, das Publikum und Erwin Kostedde“.
In #books&sports geht es in dieser Woche nur um ein einziges Buch, nämlich um die Biografie von Erwin Kostedde. Während sich Christian Sprenger in dem Format mit dem Autor Alexander Heflik intensiv austauscht, ist in „Sprenger spricht“ eben jener Erwin Kostedde höchstpersönlich der Interviewpartner. Und der Münsteraner kennt die positiven und negativen Seiten des Lebens. Zu viele, für ein Interview …
Herr Kostedde, schön Sie dabei zu haben. Wie kam es zu dem Buch?
Erwin Kostedde: Das müssen sie Herrn Heflik besser fragen, es ist ja nicht meine Idee gewesen. Herr Heflik hat mich damals angerufen, dann habe ich ihn erst mal kennengelernt und bin schließlich zum Entschluss gekommen, dass er ein furchtbar guter Mensch ist und Ahnung hat. Dann habe ich auch zugesagt!
Dann haben Sie also das Buch umgesetzt, wie war die Erfahrung nun für Sie?
Erwin Kostedde: Die Voraussetzung war für mich, man muss wirklich ehrlich sein. Man muss die Wahrheit schreiben und die Wahrheit ist nicht immer nur positiv. Das habe ich mit mir ausgemacht, dass eben auch negative Seite geben wird. Wie soll ich das genau erklären …
Man muss offen und ehrlich sein. Ich habe das Buch in einem Rutsch gelesen und ich muss auch ehrlich sein, es hat mich teilweise betroffen gemacht. Man stellt sich die Frage: Warum haben Sie so viel Schlechtes erfahren?
Erwin Kostedde: Das kann ich ihnen auch nicht sagen, ich kann ihnen nur sagen, dass ich die Hautfarbe ein Leben lang habe. Das ich als Kind schlechtes erfahren habe ist klar, aber auch gutes. Ich will jetzt auch nicht nur jammern … ich bin ja auch nach dem Krieg geboren und wenn ich 20 Jahre später geboren worden wäre, wäre es auch schon nicht mehr ganz so heikel gewesen.
Wie sehr hat Ihnen denn der Fußball in dieser Zeit der Anfeindung geholfen?
Erwin Kostedde: Was heißt geholfen? Ich hatte Talent und ein ehemaliger Polizist, ein ganz feiner Mensch, hat mich gesehen. Verein konnte ich nicht, weil dafür hätte ich auch Fußballschuhe gebraucht. Alles was man brauchte hat er mir besorgt und dann bin ich zum FC Münster 08 gegangen. Leider der verkehrte Verein, alles ein wenig versnobt. Da gehörte ich nicht hin. Dann ging ich zu Saxonia Münster, ich war ja bekannt in Münster, durch meine Hautfarbe. Nicht durch besondere Leistungen, durch meine Hautfarbe. Dort hatten wir eine tolle Mannschaft und es ging mir auch selbst viel, viel besser. Da passte ich auch hin.
Zu welchem Verein haben Sie in Ihrer Karriere am besten gepasst?
Erwin Kostedde: Offenbach. Nicht weil ich in Offenbach zum Nationalspieler wurde. In Offenbach habe ich vom ersten Moment einfach gepasst. Unterschrieben habe ich für die Bundesliga, dann kam der Abstieg. Ich bin trotzdem geblieben und habe es nie bereut. Wir sind niemals Meister geworden, mit Lüttich bin ich ja belgischer Meister geworden, aber Offenbach hat gepasst, auch moralisch. Irgendwie mochten wir uns, also das Publikum und Erwin Kostedde.
Was war der Unterschied zwischen Offenbach und Lüttich? Nicht sportlich, in Bezug auf die Menschen. Was unterscheidet denn die Hessen und die Belgier?
Erwin Kostedde: Eigentlich gar nicht so viel. Die Belgier haben mich auch gemocht, wie eben auch die Offenbacher. Ich wurde weder in Offenbach noch in Lüttich vom Anhang ausgepfiffen, in Dortmund war es schon anders. Vielleicht auch begründet. Bremen war auch eine gute Zeit.
Gibt es noch Kontakte zu den alten Vereinen, zu den Leuten vor Ort?
Erwin Kostedde: Nur nach Offenbach. Nur nach Offenbach. Sonst nichts!
Das klingt ja schon sehr hart. Fühlen Sie sich generell vom Glück verlassen?
Erwin Kostedde: Ich hatte von Anfang an nicht wirklich großes Glück. Ich lebte mit meiner Hautfarbe in Münster … das kann man sich alles gar nicht vorstellen. Ich war ja ein Kind. Ich habe mich einmal drei Stunden nur gewaschen um heller zu werden. Wenn man das einmal überlegt, so etwas ist traurig. Man muss aber auch sagen, es kam auch nur von den Eltern. Das habe ich einmal paar erlebt, es hat mich geprägt.
Das mit der Kernseife steht auch im Buch von Alexander Heflik. Das war ein Moment, da habe ich schon geschluckt. Und es gibt ja auch Beispiele in der jüngeren Vergangenheit. Wie nehmen Sie Rassismus denn heute wahr?
Erwin Kostedde: Heute bin ich gar nicht mehr so viel unter Menschen und aus den Diskussionen halte ich mich komplett raus. Ich gehe mit meinem Hund raus … mein Sohn kommt mich besuchen. Oft bin ich mit meinem Hund einfach alleine. Die Leute kennen mich noch, aber ich führe keine großen Debatten mehr. Die Leute sollen das Buch kaufen, dann können sie mein ganzes Leben nachvollziehen. (CSP)
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