Julian Voloj: „Es ist eine Hommage an die Pioniere, die keiner mehr kennt“.
Julian Voloj ist einer der Gewinner des Wettbewerbs „Lese-Kicker 2020“. Das illustre Werk „Ein Leben für den Fußball. Die Geschichte von Oscar Rohr“ konnte sich in der Kategorie „Bestes Fußball-Jugendbuch“ durchsetzen. Gebürtig aus Münster lebt der Autor heute in New York und plant schon die nächsten Bücher über Sportler, so wie Oskar Rohr einer war. Bayerns Robert Lewandowski der 1930er Jahre.
Julian, Du hast einen Preis für das Fußball-Jugendbuch des Jahres erhalten. Was ist die besondere Herausforderung, ein solches Buch zu schreiben?
Julian Voloj: Es handelt sich um eine Graphic Novel. Die Herausforderung war, wie man eine visuelle Sprache kreiert, wo man auch Fußball zeigen kann. Beim Film hat man die Action im Fußballspiel selber, aber wie macht man das in einer Art Comic. Bei meinen Graphic Novels ging es immer um biographische Themen. Da meine Kinder fußballbegeistert sind, wollte ich unbedingt etwas mit Fußball machen und habe recherchiert. Mein Agent, der aus Straßburg kommt, meinte, ich soll mal etwas über Oskar Rohr machen. Er ist noch heute in Straßburg bekannt. Ich hatte noch nie von ihm gehört. Er spielte sogar beim FC Bayern. Ich war erstaunt, weil es über ihn nicht viel gab. In der Recherche stellte ich fest, dass es überraschenderweise mehr über ihn in französischer als in deutscher Sprache gab. Man kennt noch den Trainer Gernot Rohr, der erfreut war, dass sich jemand für seinen Großonkel interessiert, den keiner mehr in Deutschland kannte. Ich habe dann über Beziehungen den FC Bayern München kontaktiert, deren Archiv hat mir alles über Oskar Rohr geschickt.
Neben der Biographie, was ist noch das Besondere an Deinem Buch?
Julian Voloj: Es war mir wichtig, die Zeitgeschichte zu erzählen. 1932 spielen die Bayern gegen Frankfurt im Finale und werden schließlich deutscher Meister. Es war die Mannschaft der Zukunft und nur ein halbes Jahr später kamen die Nazis an die Macht. Das halbe Team war dann weg. Der Präsident Kurt Landauer war jüdisch, der Trainer war jüdisch. Spieler gingen ins Ausland, weil die Nazis keine Fans von Profisport waren. Dazu wurde Fußball als fremd gesehen, es war der „Engländer-Sport“. Leichtathletik war bei den Nazis bevorzugt. Oskar Rohr ging ins Ausland, um Profi zu werden. Bei Racing Straßburg wurde er dann ein erfolgreicher Torjäger. Eine interessante Geschichte, einerseits Sport, andererseits Zeitgeschichte. Es ist schön, dass es in Frankreich erschienen ist, in Deutschland einen Preis bekommen hat und noch andere Sprachen dazu kommen.
Oskar Rohr war der Torjäger, der Robert Lewandowski der 1930er Jahre …
Julian Voloj: Genau! Er war unglaublich am Ball mit unglaublichem Gespür, wie Lewandowski, immer zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort zu stehen.
Du hast ja gesagt, dass es eine Graphic Novel ist. Hast Du im Verlauf Deiner Recherche mal gedacht, darüber ein „richtiges“ Buch zu schreiben? Vielleicht auch für Erwachsene?
Julian Voloj: Das Problem in Deutschland ist, dass Graphic Novels nur als reine Kinderbücher gesehen werden. In Frankreich hat das eine ganz andere Tradition. Das Buch ist nicht nur für Kinder. Ich könnte mir diese Geschichte auch gut als Film vorstellen. Oskar Rohr war sehr erfolgreich in Frankreich. Aber er wurde aus der Nationalmannschaft rausgeschmissen, weil es als Vaterlandsverrat gesehen wurde. Er flieht in den Süden, wird geschnappt und muss sogar für eine kurze Zeit in ein Konzentrationslager. Er kam raus, musste aber seinen Patriotismus beweisen und an die Ostfront. Er wird dort verletzt, aber er überlebt. Er spielte noch ein bisschen Fußball, die große Karriere war aber vorbei. Wenn der II. Weltkrieg nicht gekommen wäre, dann würde ihn jeder kennen.
Was hast Du für Resonanz von den Kindern und Jugendlichen bekommen? Es ist ja auch ein wenig Geschichtsunterricht auf charmante Art.
Julian Voloj: Ich habe selbst auch so viel gelernt. Es ist eine Hommage an die Pioniere, die keiner mehr kennt. Dieses Buch ist ein guter Einstieg. Von Lehrern in Deutschland habe ich mitbekommen, dass sie dieses Buch an Schulen gelesen haben und dass es sehr gut angekommen ist.
War es für Dich schwieriger ein Sportbuch zu schreiben im direkten Vergleich zu anderen Porträts?
Julian Voloj: Ja, das schon, weil ich die Sorge hatte, dass es kompliziert ist, die Geschichte zu erzählen.
Was hat denn der Gewinn des Preises für eine Bedeutung?
Julian Voloj: 2020 war schon enttäuschend. Das Buch sollte erst auf der Leipziger Buchmesse präsentiert werden. Aber die Messe fiel bekanntlich aus. Es gab wegen der Pandemie eine Absage nach der anderen. So war der Preis ein kleines Happy End. Eine schöne Anerkennung nach einem enttäuschenden Jahr.
Themenwechsel: Da Du in New York lebst, wie wird in den USA der deutsche Sport gesehen, vielleicht am Beispiel Fußball? Oder haben die Amerikaner nur American Football, Eishockey, Baseball und Basketball im Kopf?
Julian Voloj: Ich bin 2002 nach New York gekommen. Damals war hier Fußball kein Thema. Zufällig habe ich damals zwei Münsteraner getroffen. Wir haben uns zum Kicken zusammengetan. Mit Engländern und Lateinamerikanern haben wir dann einmal die Woche Fußball gespielt. Als Schnapsidee haben wir dann den Preußen Münster-Fanclub in New York gegründet. Wir haben die Preußen kontaktiert und es stellte sich heraus, dass sie keinen einzigen internationalen Fanclub hatten. Und so haben wir Vereinsgeschichte geschrieben. Sonst war mit Fußball hier gar nichts. Nur die Leute aus dem Ausland haben sich für Fußball interessiert. Ab 2015 wurde es anders in New York, dank Red Bull, die aber in New Jersey zu Hause sind. Cosmos New York wurde 2010 wiederbelebt, spielen aber nur in einer Art Amateurliga. 2015 wurde dann New York City F.C. gegründet. Das war der erste Klub, der mitten in der Stadt liegt. Sie hatten damals zum Fußball in New York eine sehr große Kampagne gemacht. Allerdings sieht man immer noch mehr Menschen in ihren Chelsea- oder Barcelona-Trikots, allerdings wenige Trikots aus Deutschland. Deutschen Fußball nimmt man hier nicht so wahr. Obwohl der New Yorker Fußball nicht so prickelnd ist und dazu sehr teuer ist. Das billigste Ticket kostet 40 US-Dollar. Dazu spielen sie im Stadion der Yankees, also in einer Baseball-Arena. Da ist man weit vom Spielfeld weg. Es ist nicht das gleiche … der Fußball hier ist langweiliger.
Zum Glück gibt es in New York die NFL, die NBA, die NHL … es gibt ja noch andere Möglichkeiten, Spitzensport zu sehen.
Julian Voloj: Genau. Aber man macht es selten, da New York zu teuer ist. Ich würde gerne mal Basketball sehen, aber wenn man als Familie zu viert dort hingeht, dann sind ein paar hundert Dollar weg.
Ausblick in Deine Zukunft? Schreibst Du bald wieder über einen Sportler?
Julian Voloj: Ich plane über Althea Gibson zu schreiben. Sie war eine farbige Tennisspielerin aus Harlem. Die Afro-Amerikanerin hat sogar in den 50er Jahren in Wimbledon gewonnen. Sie war die erste Schwarze, die in den weißen Tennissport gekommen ist. Dieses Projekt ist gerade in der Endphase. Im Anfangsstadium ist eine Graphic Novel über Lutz Eigendorf. Der Fußballer flüchtete in den Westen und wurde von der Stasi ermordet. Da habe ich viel über den Fußball in den 70er Jahren in der DDR recherchiert. Er spielte für den BFC Dynamo und im Westen dann für den 1. FC Kaiserslautern. Das wird jedoch mehr eine Spionage-Geschichte, weniger eine Fußballstory. (OD)