HC Leipzig: „Die gesamte Pandemie verhindert unser Vereinsleben“.
Der Handball-Club Leipzig e.V. (HCL) ist ein reiner Frauen-Handballverein, aber viel mehr noch: Es ist einer der erfolgreichsten Klubs in ganz Deutschland. Auch wenn der HCL in seiner heutigen Form erst 1999 gegründet wurde, so geht die bewegte Geschichte viel weiter zurück. Allein 21 Meisterschaften oder auch der Europapokal der Landesmeister sagen dazu alles. Über die Zukunft spricht Trainer Fabian Kunze.
Herr Kunze, leider lässt sich diese Frage nicht vermeiden: Wie kommt der HC Leipzig durch die anhaltende Pandemie mit Spielen vor leeren Rängen? Wenn man dazu auch noch bedenkt, dass die Insolvenz noch gar nicht so lange her ist und einer der erfolgreichsten deutschen Frauen-Handballvereine aktuell in der 2. Liga spielt. Wie sieht es heute aus?
Fabian Kunze: Die gesamte Pandemie verhindert unser Vereinsleben sehr, was vor allem für unseren ganzen Nachwuchs und unsere Fans riesige Probleme bedeutet. Rein finanziell kommen wir durch die Unterstützung unserer Partner und die Treue unserer Fans noch gerade so über die Runden. Es ist sehr schwer neue Sponsoren und Spender zu akquirieren, da wir als Sportverein jedes Jahr von neuen Geldern abhängig sind. Auch unseren aktuellen Sponsoren muss zur Erfüllung der Verträge etwas geboten werden, da hilft uns das Streaming mittels www.sportdeutschland.tv. Wir danken auch den Schiedsrichtern für das freundliche Entgegenkommen bei den Spielleitungsgebühren. Jedes Heimspiel stellt derzeit erhebliche Kosten dar; durch die mögliche Bezuschussung der entgangenen Zuschauereinnahmen im Profisport könnten diese aber bewerkstelligt werden.
Nach der Insolvenz konnte unser neu gewähltes Präsidium eine solide und auch schuldenfreie Basis für den „neuen“ HC Leipzig aufbauen. Auf diesen Beinen stehen und laufen wir weiterhin, immer mit der Pflicht nicht über die Verhältnisse zu leben. Auch Corona macht uns hier glücklicherweise keinen Strich durch die Rechnung.
Das ist Ihre erste Station als Cheftrainer im professionellen Handball und dann gleich solch eine Situation mit Lockdown usw. Holen Sie sich Ratschläge von erfahreneren Trainern, wie man jetzt beispielsweise das Training steuert?
Fabian Kunze: Der Start in meine erste Station im Profibereich war wirklich eine große Herausforderung. Aber generell gesehen konnte wirklich jeder Verein sowie Trainer nicht auf eine „ganz normale“ Vorbereitung zurückgreifen. Bei der gesamten Trainingssteuerung habe ich mit unseren Athletiktrainern samt Empfehlung des DHB zum „Restart“ gearbeitet. Ratschläge hole ich mir prinzipiell und regelmäßig ein, da ich mich stetig weiterentwickeln möchte
Wie sieht so ein Training heute im Lockdown aus? Auch mit Blick darauf, dass der Verein eher auf junge Talente setzt.
Fabian Kunze: Das Training unserer Bundesligamannschaft kann derzeit normal durchgeführt werden. Wir testen wöchentlich und mussten am Anfang sehr viele Kompromisse eingehen, sind jedoch auch dankbar, dass es die Möglichkeiten zum geregelten Training für uns gibt! Die An- und Abreisen, teambildende Aktivitäten nach dem Training und auch zur Regeneration beitragende Saunabesuche fallen flach, was sich auf die Gemüter auswirkt. Unser Fitnessstudio kann derzeit keine Spielerinnen empfangen, sodass wir auch beim Athletiktraining improvisieren.
Unsere Nachwuchssportlerinnen mit DHB-Kaderstatus und die größten Talente auf Verbandsebene wurden mit in unser Training integriert. Für diese Mädels ist es eine Chance sich zu zeigen und auch in diesen Zeiten zu entwickeln. Für den gesamten anderen Nachwuchs war und ist diese lange Trainingspause eine Katastrophe. Wir sind gespannt, wie die betroffenen Mädels auch überregional in ihrer Entwicklung vorankommen.
Im ersten Lockdown wurde die Saison noch abgebrochen und Planungen für eine neue Saison waren schwierig, weil es lange kein festes Ziel für eine neue Saison gab. Waren Sie mehr als Trainer oder als Psychologe gefordert?
Fabian Kunze: Im ersten Lockdown war ich als Trainer des Juniorteams sehr als Psychologe gefordert. Großer Unmut herrschte wegen des „verlorenen“ Jugendjahrs, bei dem wieder um die Deutsche Meisterschaft gespielt werden sollte. Aber mit der Übernahme der Bundesliga überwog tatsächlich das Sein als Trainer, die Mädels hatten das Ziel sich für die neue Saison richtig fit zu machen und in einer kompletten Saison zu zeigen, was sie können.
Was macht das mit einem Profi, wenn man trainiert, ohne ein festes Ziel bzw. ohne auf einen bestimmten Termin hin?
Fabian Kunze: Was diese Situation mit einem Sportler allgemein macht sieht und merkt man derzeit bei fast allen Sportarten. Die Motivation ist nach den Wochen voller selbstständiger oder über Video durchgeführter Stabi- und Kraftübungen am Boden. Hier helfen Wettkämpfe untereinander am Anfang, aber eben auch nur am Anfang. Bei den Profis war dieser Trend zum Ende der abgebrochenen Saison auch zu spüren, jedoch wurde dem Team glücklicherweise schnell ein Ziel aufgezeigt, damit die Motivation wieder kam. Ein Training oder Spielen ohne ein bestimmtes Ziel wird nie wirklich erfolgreich sein.
Die DFL hat im ersten Lockdown recht schnell für den professionellen Fußball ein tragbares Konzept zur Wiederaufnahme des Spielbetriebs entwickelt und somit auch für Ziele gesorgt. Schaut man neidisch auf so eine Struktur?
Fabian Kunze: Ich schaue persönlich eher nicht neidisch zum Fußball. Uns ist bewusst, dass Handball und Fußball gerade in der Darstellung und Lobby nicht wirklich vergleichbar sind. Kurz hat man sich gefragt was nun mit den Profis bei anderen Sportarten passiert, jedoch haben der DHB und die HBF sehr gute Arbeit geleistet, um auch uns den Weg zum Sport transparent aufzuzeigen. Ich kann mir gut vorstellen, dass besonders untere Ligen extrem neidisch auf die professionellen Verbände sind, erhoffe aber ein Verständnis.
In einigen Regionen wird ein starker Fußballklub auch gerne als Argument für die eigene wirtschaftliche Schwäche genommen. Mit RB Leipzig ist ein äußerst erfolgreiches Konstrukt in direkter Nachbarschaft. Hat dies Auswirkungen auf den HCL? Oder lernt man eher davon?
Fabian Kunze: Den Aufstieg von RB hat man zu unseren Zeiten der Bundesliga GmbH schon wirtschaftlich gemerkt. Jedoch entsteht hier gar kein Neid oder eine Missgunst, wir freuen uns über die Leistungen von RB und hoffen auch in Zukunft auf viele Erfolge. RB bringt zusätzliche Wirtschaftsstärke nach Leipzig und dazu Sportbegeisterung. Wie bei der Frage zuvor ist es schwer den gemeinen Fußballfan mit dem vom Frauenhandball zu vergleichen. Unsere Fans sind uns treu geblieben und auch die Sponsoren unterstützen unseren „kleinen“ Verein. Wir hoffen noch auf eine bessere Zusammenarbeit mit RB und versuchen konstant zu lernen.
Der HC Leipzig wurde zwar erst 1999 gegründet, trotzdem steht der Verein als Nachfolger von Lok. Leipzig, SC Leipzig oder VfB Leipzig für Tradition, mit u.a. 21 Meisterschaften vor und nach der Wende für erfolgreiche Tradition. Doch trotz der großen Erfolge, geriet der Klub auch immer wieder in wirtschaftliche Nöte. 2016/17 der Zwangsabstieg. Welches Konzept wird heute verfolgt?
Fabian Kunze: Wir gehen einen Weg, der unseren ebenfalls traditionell starken Nachwuchs fördert und integriert. Dabei sollen kaum Spielerinnen von Außerhalb oder besonders aus dem Ausland verpflichtet werden, stattdessen wird weiter gewissenhaft im Nachwuchs gearbeitet, damit die besonderen Talente unsere erste Mannschaft verstärken. Wer sich beim HC Leipzig engagiert ist sich bewusst, dass wir aufgrund der Vergangenheit noch keine großen finanziellen Sprünge machen können, und wir besonders beim Umgang mit den Finanzen immer doppelt prüfen, ob eine Investition in unser Konzept passt.
Der Klub setzt auf den Nachwuchs und junge Talente in der ersten Mannschaft, Sie selbst haben bis 2020 den Nachwuchskoordiniert und sind heute mit 30 Jahren der Cheftrainer. Vorteil für Sie?
Fabian Kunze: Unser Weg ist der mit jungen Talenten, richtig. In den vergangenen Jahren konnte ich einige junge Frauen auf ihrem Weg in Jugendauswahlteams oder die Bundesliga begleiten. Ich bin immer noch sehr nah am Nachwuchs dran und kenne die meisten der Mädels, die Strukturen habe ich zum großen Teil ein- oder weitergeführt. Schaut man sich unser Team heute an, welches zum größten Teil aus unserem Nachwuchs kommt und weiterhin junge Mädchen integriert, halte ich meine vergangene Position für einen Vorteil.
Aktuell steht der HC Leipzig im gesicherten Mittelfeld der 2. Liga, jedoch geht der Blick eher runter als hoch. Was ist die Zielsetzung in dieser Saison?
Fabian Kunze: Unsere Zielstellung in dieser Saison ist es, möglichst nichts mit den Abstiegsrängen zu tun zu haben. Dieses Ziel scheint realistisch zu sein. Wir sind am Anfang der Saison wirklich gut gestartet und konnten sogar etwas über unserem Leistungsniveau spielen. Unsere Mannschaft hat sich das Ziel Platz 7 bis 9 gesetzt, was nach den letzten Ergebnissen einen richtigen Endspurt in der Liga benötigt
Wie sehen die Planungen im Verein für eine Rückkehr in die Bundesliga aus? Wann spielt der HCL wieder 1. Liga?
Fabian Kunze: Es gibt natürlich den Wunsch wieder in die Bundesliga zu kommen. Genaue Pläne dazu gibt es nicht, da wie vorher erwähnt, eine gesunde finanzielle Basis benötigt wird und wir es unseren Sponsoren und Fans schulden, allein so zu handeln, wie es vernünftig ist. Von sportlicher Seite aus ist es ein sehr interessantes Ziel, welches bei vielen Verantwortlichen auf Rückenwind trifft.
Abschließend noch Herr Kunze: Welche persönlichen Ziele verfolgen Sie?
Fabian Kunze: Mein Ziel ist das verbessern jeder einzelnen Spielerin im Team und diesen erfolgreichen Weg des HC Leipzig auch in den nächsten Jahren erfolgreich weiter gestalten zu können. Persönlich möchte ich mich, auch durch die anstehende A-Lizenz, stets weiterentwickeln und den Spaß am Handballjob nicht verlieren. (TX)
You must be logged in to post a comment.