„Steffi“ Nerius: „Ich mache bis Paris 2024 weiter“.
„Steffi“ Nerius war eine recht erfolgreiche Speerwerferin. 2004 bei den Olympischen Spielen in Athen reichte es zu Silber, bei den Weltmeisterschaften 2006 zu Gold und bei den Europameisterschaften 2009 ebenfalls zu Gold. Schon zu Ihrer aktiven Zeit kümmerte sich „Steffi“ Nerius um Paralympische Athleten. Heute ist die ehemalige Speerwerferin im Besitz der A-Lizenz und trainiert unter anderem Markus Rehm.
Seit dem 8. Juli finden die Para-Weltmeisterschaften der Leichtathletik in Paris statt. Wann waren es gute Wettkämpfe für das Team D?
„Steffi“ Nerius: Die deutsche Mannschaft ist mit 29 Athletinnen und Athleten plus zwei Guides nicht groß, hat aber eine hohe Qualität. Wichtig ist, dass sie möglichst viele Plätze für die kommenden Paralympischen Sommerspiele erreichen. Und für unsere Nachwuchsathletinnen und -athleten geht es erst einmal auch darum, dabei zu sein und Erfahrungen sammeln zu können.
Wie sehen Sie die Entwicklungen des Para-Sports in den letzten Jahren?
„Steffi“ Nerius: Der deutsche Para-Sport hat eine tolle Entwicklung genommen. Wenn man ihn mit dem Sport für Olympia vergleicht, sieht man, dass Aufwand und Leistungen inzwischen nahezu identisch sind … wobei die Para-Athletinnen und -Athleten fast noch mehr trainieren, zumindest meine Trainingsgruppe. Es ist wirklich toll, was im Para-Sport passiert ist und wie die Leistungen heute anerkannt werden.
Spiegelt dies auch ausreichend die Förderung wieder?
„Steffi“ Nerius: Wie die Leistung und die Professionalität entwickelt sich auch die Förderung peu à peu weiter. Die Sporthilfe ist mit ihren Programmen ein absoluter Vorreiter bei der Anpassung an die Förderungen für Olympia, die inzwischen in den meisten Bereichen vollständig angeglichen ist. Allein in dem Jahr sind mit der Elite-Förderung für Paralympia und der „Duale Karriere Berufsqualifikation“ zwei ganz, ganz wichtige Meilensteine in der Gleichstellung der Förderung von deutschen Para-Sportlerinnen und -Sportlern gesetzt worden.
Seit 13 Jahren sind Sie ehrenamtlich im Sporthilfe-Gutachterausschuss!
„Steffi“ Nerius: Als ich 1991 von Ostdeutschland nach Leverkusen kam, waren die Sporthilfe und der TSV Bayer 04 Leverkusen e.V. meine Rettung. Nur dank dieser Unterstützung konnte ich mit dem Leistungssport weitermachen. Nach der aktiven Karriere wollte ich der Sporthilfe so etwas zurückgeben. Heute ist es mir zusätzlich wichtig, strategisch mit eingebunden zu werden. Ich will wissen, wo die Probleme sind und wie geholfen werden kann. Und das Schöne daran ist: Es wird von den Athletinnen und Athleten gesehen und wertgeschätzt. Wobei ich grundsätzlich von Para-Athletinnen und -Athleten dann doch etwas mehr Dankbarkeit wahrnehme, es ist oft ein völlig anderes Feedback als von Olympia-Sportlerinnen und -Sportlern … zumindest was die von mir trainierten Athletinnen und Athleten betrifft. Tolle Typen!
Sie werden also weiterhin als Trainerin arbeiten, obwohl Sie als Leiterin des Sportinternats in Leverkusen einen Vollzeitjob haben?
„Steffi“ Nerius: Ich mache auf jeden Fall bis zu den Sommerspielen in Paris weiter. Was danach kommt, hängt auch von Markus Rehm ab. Als ich im Jahr 2009 meine sportliche Karriere beendet habe, ist Markus zum ersten Mal zum Schnuppertraining zu mir gekommen. Mit ihm habe ich als Vollzeittrainerin damals begonnen. Für mich ist klar, dass ich als Trainerin aufhöre, wenn Markus mit seiner Sportkarriere aufhört. Bei den Paralympics im kommenden Jahr ist er bereits 36. Aber wann er Schluss macht, kann natürlich nur er selbst entscheiden.
Der Übergang von der aktiven Karriere in das Leben „danach“ ist oftmals eine Herausforderung. Hatten Sie damals dafür immer den konkreten Plan?
„Steffi“ Nerius: Nein, aber ich bin wirklich glücklich, wie alles gekommen ist. Mit 37 Jahren habe ich meine sportliche Karriere beendet und darunter dann einen grünen Haken gesetzt. Mit dem Ende der Trainerkarriere kommt dann der zweite Haken … auch dieses Kapitel war Weltklasse. Ich habe neben Markus viele tolle Athletinnen sowie Athleten begleiten dürfen, wie etwa Franziska Liebhardt oder Mathias Mester.
Und welcher „grüne Haken“ fehlt persönlich noch?
„Steffi“ Nerius: Als ich nach der Wende 1991 nach Leverkusen kam, habe ich nicht verstanden, dass es kein Vollinternat gibt. Aktuell werden Wohnungen gemietet und Jugendliche erst ab 16 Jahren aufgenommen. Mein Herz hängt am ganzen Verein, aber insbesondere an der Nachwuchsförderung. Und dadurch ist mein Ziel, hier ein Vollinternat mit aufzubauen. Wenn alles gut läuft, schaffen wir dies bis 2026. Dann will ich noch helfen, das Ganze ins Laufen zu bringen und hoffe, mit vielleicht schon 60 Jahren, meinen dritten Haken zu machen. (Sporthilfe/TX)
Foto: photo by Rene Tillmann / Messe Duesseldorf