Simon Stiebjahn: „Eine Medaille bei Weltmeisterschaften ist so ein Ziel“.
Simon Stiebjahn fokussierte sich in seiner frühsten Jugend auf Fußball, Langlauf und Mountainbiken. Als Jugendlicher musste dann eine Entscheidung fallen und der 31-jährige aus Titisee-Neustadt im Schwarzwald gehört heute zu den erfolgreichsten deutschen Mountainbikern. Heute ist Simon Stiebjahn nicht nur Profi, sondern selbst schon aktiv in der Nachwuchsförderung. Der Schwarzwälder denkt generell weiter!
Simon, vom Fußball aufs Mountainbike. Warum wolltest Du nicht mehr mit den Kameraden vom SV Hölzlebruck dem Ball hinter rennen?
Simon Stiebjahn: Naja, nicht mehr ist in diesem Fall nicht ganz richtig. In meiner Saisonpause tue ich dies nach wie vor mit sehr großer Freude. Es ist jedoch richtig, dass ich irgendwann als Jugendlicher eine Entscheidung treffen musste. Diese fiel mir damals nicht leicht, aber die Chancen es irgendwann einmal in Profibereich zu schaffen war im Mountainbike definitiv höher.
Ich habe meine Wurzeln im Straßenradsport, bin vom BMX direkt aufs Rennrad gewechselt und habe zudem noch nie auf einem Mountainbike gesessen. Wie würdest Du mir die Faszination Deiner Sportart näher bringen?
Simon Stiebjahn: Die Natur einfach hautnah erleben. Abseits von Straßen an Orte zu kommen, die nicht jeder besuchen kann, lange Strecken zurückzulegen und das alles aus eigener Muskelkraft, dass macht für mich persönlich das Mountainbiken so einzigartig.
Hat Dich die Straße nie gereizt? Einmal beim Giro, der Tour oder der Vuelta zu fahren … einige Profis fahren Mountainbike und Rennrad.
Simon Stiebjahn: Doch definitiv! Sehr, sehr gerne hätte ich es einmal versucht und es würde mich persönlich immer noch reizen. Aber man muss auch ehrlich zu sich sein, dass es mit 31 Jahren wohl eher schwer wird nochmal neu anzufangen in einer „ganz anderen Sportart“.
Wenn man sich Deine Erfolge anschaut, dann hast Du scheinbar alles richtig gemacht. Deutscher Meister, Europameister oder Bundesliga-Gesamtsieger im Cross Country von 2014 bis 2018. Welche Ziele hast Du noch?
Simon Stiebjahn: Da gibt es schon noch Erfolge die ich gerne erreichen würde. Das Cape Epic zum Beispiel, aber auch eine Medaille bei Weltmeisterschaften ist so ein Ziel, auch wenn das sicherlich ganz schwer werden wird. Aber Ziele braucht man als Sportler.
Gibt es einen Spot, den Du noch unbedingt fahren willst?
Simon Stiebjahn: Ich bin viel rumgereist in meiner Karriere und durfte vieles sehen, wofür ich sehr dankbar bin. Allerdings war ich noch nie auf dem südamerikanischen Kontinent. Dort würde ich gerne mal hin.
Gibt es eine Route, die man einmal unbedingt bewältigt haben sollte? Anders gefragt: Was wäre Dein persönlicher Geheimtipp und warum?
Simon Stiebjahn: Wenn es um die sportliche Herausforderung geht, dann sicherlich das Grand Raid Cristalp mit seinen 125 Kilometern sowie 5.025 Höhenmeter, dazu eine fast 300 Höhenmeter lange Laufpassage am Ende des Rennens. Wenn es darum geht eine schöne Tour zu fahren, dann würde ich als Geheimtipp tatsächlich meine Heimat, den Hochschwarzwald vorschlagen. Ich glaube, dass viele Biker die Schönheit dieser Region nicht wirklich auf dem Schirm haben. Ich freue mich immer wieder zurückzukehren und dort auf langen Touren durch die Wälder und Berge, vorbei an Seen und kleinen Dörfern den Rennstress hinter mir zu lassen und mich auf neue Aufgaben vorzubereiten.
Deutscher Meister im Sprint. Europameister im Marathon. In vielen Sportarten ist dies ein Widerspruch, auch auf der Straße. Wie lässt sich dies vereinbaren? Wo liegen generell die Unterschiede in den Disziplinen?
Simon Stiebjahn: Eine Frage die ich nicht zum ersten Mal gestellt bekomme und die ich mir zum Teil selbst nicht erklären kann. Die wohl einfachste Version ist die, dass bei einem Test herauskam, dass ich beide Muskelfasern (FT und ST) besitze. Ein gewaltiger Vorteil, wenn man beim Sprint eine Renndauer von 2 Minuten hat und beim Marathon bis zu 6 Stunden im Sattel sitzt.
Um auf diesem Level erfolgreich zu sein, reicht Talent alleine nicht aus. Was trainierst Du in einer Woche alles und in welchen Umfängen?
Simon Stiebjahn: Je nach Trainingsphase kann das allein schon stark variieren. In der Saisonvorbereitung sind es schon einmal 40 Stunden im Sattel. Vorwiegend auf dem Rennrad. Innerhalb einer Saison sind es zum Teil nur 10 bis etwa 15 Stunden, da dort die Regeneration zwischen den einzelnen Wettkämpfen immer die absolute Priorität hat.
Auch war ich verblüfft, als ich gelesen habe, dass Du Vegetarier bist. Wie kam es dazu und merkst Du einen Unterschied im Training?
Simon Stiebjahn: Da bist du nicht der Einzige … hatte ich früher sogar einen Steakzähler auf meiner Website integriert. In einem Gespräch mit meinem Kumpel Markus Bauer sind wir verschiedene Punkte durchgegangen. Einer davon war das Thema Ernährung. Für mich persönlich zum damaligen Zeitpunkt die Stellschraube, an der ich noch am Meisten drehen konnte. Ich habe mir dann gedacht, warum nicht ausprobieren und schauen was passiert. Den größten Effekt spüre ich tatsächlich in der Regeneration … wobei mich ehrlicherweise ab und an so ein richtiges Steak auch noch richtig anmachen würde. Nur ab und an.
Um im Training oder im Wettkampf keinen „Hungerast“ zu erleiden muss man den Körper mit reichlich Energie versorgen. Musst Du, weil Du beispielsweise auf Fleisch verzichtest, Nahrungsergänzungsmittel nehmen?
Simon Stiebjahn: Ernährung ist sehr wichtig und ich habe mir immer gesagt, wenn ich durch das Weglassen von Fleisch die Nahrungsergänzungsmittel nehmen muss, dann ist dies spätestens der Zeitpunkt wieder Fleisch zu essen. Ich bin der Meinung, dass man durch eine gesunde, ausgewogene Ernährung alles hat, was der Körper braucht. So auch aktuell als Vegetarier.
Bist Du als Vegetarier eine Art Exot bei den Profis?
Simon Stiebjahn: Definitiv nicht mehr. Immer mehr Sportler, die ich auch persönlich kenne reduzieren ihren Fleischkonsum. Ein Trend der in anderen Lebensgruppen mittlerweile auch deutlich sichtbar ist.
Auf www.simon-stiebjahn.com habe ich den Reiter „Bikedays“ gesehen. Was sind „Bikedays“ und an welche Zielgruppe richtest Du Dich?
Simon Stiebjahn: „Bikedays“ richten sich an jeden der Lust am Mountainbike hat, der seine Fahrtechnik verbessern möchte und dabei die schönsten Spots meiner Heimat kennen lernen will. Bis zu Beginn des Jahres waren dies immer individuell buchbare Termine. Seit März besteht eine Kooperation mit der Hochschwarzwald Tourismus GmbH. Dort kann dann jeder Gast der mindestens zwei Nächte in einer Unterkunft bucht, welche die Hochschwarzwald Card im Programm hat, an 6 bis 8 Terminen pro Jahr kostenlos an so einem zweitägigen Kurs teilnehmen.
Abschließend: Wie sieht es um den deutschen Nachwuchs aus? Kannst Du Dir vorstellen, in dem Bereich einmal tätig zu werden?
Simon Stiebjahn: Ich glaube, wir haben in Sachen Nachwuchs aktuell eine sehr gute Basis, auch wenn man ehrlich sein muss und einige Baustellen sicherlich in der Zukunft noch bewerkstelligt werden müssen.
Als Vereinsvorstand, Trainer und Gesamtorganisator der zehnteiligen Rennserie des Schwarzwälder MTB Cup bringe ich mich heute schon in die Nachwuchsförderung ein, denn ich möchte was zurückgeben. Ich durfte und darf heute immer noch Teil einer sehr schönen Sportart sein, die mir sehr viel geboten hat und auch eine Art Lebensschule für mich war. Da wäre es schade, wenn die Kinder von heute so eine Chance nicht bekommen würden. Die Freude der Kinder beim Fahren zu sehen ist das Größte für mich. (TX)
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