Sandra Starke: „Es ist eine Krankheit, mit der man alles machen kann“.
Sandra Starke ist eine Kämpfernatur. Als bei der Stürmerin vom VFL Wolfsburg vor ein paar Jahren Diabetes Typ 1 festgestellt wurde, geriet ihre Welt nur kurz aus den Fugen. Doch die Diagnose hat die 28-jährige Fußballerin nur stärker gemacht: „Es ist alles eine Frage der Einstellung“. In Namibia mit deutschen und niederländischen Wurzeln geboren, ging es mit 13 Jahren allein auf das Sportinternat nach Potsdam.
Wie bist Du zum Fußball gekommen?
Sandra Starke: Die Leidenschaft ist familiär bedingt: Mein Vater war erfolgreicher Spieler, trainierte den Erstligisten in Windhuk und die U19-Nationalmannschaft von Namibia. Das hat meinen Bruder und mich früh geprägt.
Der Sprung nach Deutschland war weit. Wie ist es dazu gekommen?
Sandra Starke: Ich war das einzige Mädchen unter Jungs in der Schulmannschaft. Dort bin ich schnell aufgefallen. Einer unserer Trainer kam aus Deutschland, er hat uns den Kontakt zum Sportinternat in Potsdam vermittelt. Mein Bruder war bereits dort, als ich mein Probetraining absolvierte. Ich wollte unbedingt dorthin, obwohl ich erst 13 Jahre alt war. Nur zwei Wochen hatte ich Zeit, um mich einzugewöhnen und zu klären, wie ich klarkomme und ob mein Niveau reicht. Für mich stand gleich fest, dass ich bleiben will. Die Trainer sahen das ebenso. Für meine Eltern war der Schritt nicht leicht, weil nun beide Kinder auf einem anderen Kontinent lebten.
Wie war es für Dich, fernab der Heimat?
Sandra Starke: Dadurch, dass mein Bruder damals schon in Deutschland war, hatte ich etwas mehr Sicherheit. Und es gibt die Familie meiner Mutter, die in den Niederlanden lebt. Außerdem hat mich das Internatsleben mit lauter Sportlerinnen und Sportlern abgelenkt. Aber es war trotzdem eine große Herausforderung, in so jungem Alter von zu Hause weg zu gehen und völlig auf sich gestellt zu sein … das muss man erst mal verkraften. Aber es hat mich stärker gemacht. Meine Eltern sind öfter zu Besuch gekommen, ich hatte viele Freunde, zu denen ich an Wochenenden gehen konnte, wenn wir vom Internat aus frei hatten. Und meine Leidenschaft für Fußball war immer präsent und hat es mir leicht gemacht.
Heute bist Du Profi. Wie sah Dein Leben vor der Diagnose aus? Hattest Du je gesundheitliche Probleme, oder aber größere Verletzungen zuvor?
Sandra Starke: Rückblickend realisiere ich manche Dinge, die ich zunächst nicht richtig eingeordnet habe. Ich bekam immer mehr körperliche Probleme: Mal waren es muskuläre Schmerzen, dann wieder Entzündungen. Kurz vor der Diagnose hatte ich eine schwere Grippe, die mich aus der Bahn geworfen hatte. Seit der Diagnose habe ich keine großen Verletzungen mehr. Ich schätze, dass meine körperlichen Beschwerden durch den Diabetes bedingt waren. Und ich bin deshalb sehr dankbar, dass es mir inzwischen deutlich besser durch diese Diagnose geht.
Was ist Dir damals so durch den Kopf gegangen? Dass Du Deine Karriere als Fußballerin nicht mehr fortsetzen darfst?
Sandra Starke: Ich habe niemals damit gerechnet, dass ich Diabetes bekommen könnte. Das Thema war zu keinem Zeitpunkt in unserer Familie präsent, weil es gar keine familiären Vorerkrankungen gibt. Und im Alter von gerade 23 Jahren rechnet man auch nicht wirklich damit. Ich musste erst einmal mehr Informationen sammeln, was die Diagnose bedeutet. Es war für mich völlig unklar. Ich wurde von den Ärzten gut betreut. Sie waren jedoch mit der Thematik Leistungssport und Diabetes Typ 1 zuvor noch nicht in Berührung gekommen. So konnten sie mir auch nicht jede Frage gleich beantworten … was bedeutet es für mein Leben? Für meine Karriere? Für meine Lebensziele? Ich hatte in dieser Phase wirklich Probleme, auch psychisch. Aber es hat sich alles zum Guten gewendet. Ich kann meinen Traum als Fußballerin weiterverfolgen. Das bedeutet mir wirklich unendlich viel.
Wer hat Dich beraten, psychologisch betreut? Wer konnte Dir helfen?
Sandra Starke: Die Familie stand immer an erster Stelle, auch wenn es aus der Ferne war. Ich habe viele gute Freundinnen, darunter auch Mannschaftskolleginnen. Aber am meisten weitergeholfen hat mir die Diabetologin Ulrike Thurm, die intensiv auch mit anderen Leistungssportlerinne und Leistungssportlern zusammenarbeitet. Sie hat mir die Angst genommen und mich dahingehend unterstützt, die Gedanken zu verändern; dass auch in Zukunft alles möglich und dass es alleine eine Frage der Einstellung ist. Mit Ulrike habe ich auch die allerersten Schritte wieder auf dem Platz gemacht. Sie hat mich gut eingestellt, mir Erfahrungsberichte zur Verfügung gestellt und mir gute Ratschläge gegeben: Welches Insulin besonders gut hilft und wie man damit weiter Fußball spielen kann. Das waren für mich wichtige Schritte.
Wie viel Zeit ist damals zwischen der niederschmetternden Diagnose und dem dann allerersten Training vergangen?
Sandra Starke: Das ging wirklich sehr schnell. Ich habe dann noch ein wenig mit dem Physiotherapeuten zusammengearbeitet und ein paar Läufchen gemacht. Er hat immer wieder meine Werte kontrolliert, während ich Sport gemacht habe. Einen Monat später habe ich wieder voll auf dem Platz gestanden. Der Fußball hat mir enorm dabei geholfen, wieder zur Normalität zurückzukehren.
Wie bist Du im weiteren Verlauf dann mit der Krankheit umgegangen?
Sandra Starke: Natürlich ist es eine Veränderung im Leben. Eine absolut machbare Veränderung. Ich habe heute mehr Kontrolle über meinen Körper. Ich mache Dinge bewusster, ich esse bewusster. Ich habe mich vorher nicht schlecht ernährt, aber ich habe mir keine Gedanken gemacht, was es heißt, wenn man Pasta isst.
Ist das Training verändert worden?
Sandra Starke: Nein, es hat sich gar nichts geändert, ich achte nur darauf, wie viele Stunden vor dem Training ich etwas esse. Ich würde zum Beispiel heute nicht kurz vor einem Training noch etwas essen. Aber ansonsten hat sich gar nichts geändert. Ich habe zudem immer eine Apfelschorle beim Training dabei.
Wie wichtig ist das Vertrauen bei Diabetes generell in die Technik?
Sandra Starke: Ich habe das FreeStyle Libre-System von Abbott schon in der Klinik vorgeschlagen bekommen. Ich bin sehr zufrieden damit. Ich habe mich von Anfang an wohl gefühlt, komme super damit klar. Trotzdem gab es zunächst Unsicherheit. Man braucht dieses Vertrauen. Irgendwann entwickelt man ein gutes Körpergefühl, was der Körper braucht und wie er reagiert. Wenn du auf die Auslesedaten deines Sensors auf dem Smartphone schaust und sie geben dir Recht, ist dies ein tolles Gefühl. Mit jeder Bestätigung weiß man, dass man dem System und seinem Körper vertrauen kann. Beispiel: Ich spüre, da verändert sich etwas im Körper, meine Kurve steigt gerade. Und dann guckst du drauf und das ist dann auch so. Dann weiß man: Es funktioniert. Du bist sicher, weil du dich eins mit dem Sensor fühlst.
Wie wichtig ist das eigene Körpergefühl?
Sandra Starke: Man muss seinen Körper kennenlernen, das dauert ein bisschen. Jeder reagiert anders, es ist ein Lernprozess, bis die Messwerte mit dem Zustand übereinstimmen, wie du dich fühlst. Irgendwann wird es zu einem Spiel. Du schätzt, du liegst mit deinen Werten zwischen 95 und 98 und dann sind es genau 98, das ist wie ein kleines Battle mit dem System … eine Bestätigung.
Gibt es trotzdem noch Herausforderungen im Alltag für Dich?
Sandra Starke: Es ist etwas anderes, wenn du selbst kochst, weil du weißt, was drin ist. Du kennst die Zubereitung. Bei Auswärtsfahrten ist das schwierig. Da gibt es feste Uhrzeiten, zu denen das Essen angesetzt ist. Damit muss man umgehen, weil es manchmal nicht zu deinen Bedürfnissen passt. Aber ich habe gelernt, dass man ein bisschen nach Gefühl arbeiten muss. Man muss nicht alles akribisch verfolgen und sich verrückt machen. Alles lässt sich auch wieder ausgleichen. Man kann nicht alles zu 1000 Prozent richtig machen. Man entwickelt Erfahrungen.
Hättest Du ein paar Ernährungstipps?
Sandra Starke: Ich glaube, dass vieles bei jedem anders funktioniert. Ich persönlich bin ein Fan von Haferflocken. Bei mir funktionieren Haferflocken wunderbar, weil sie sehr stabile Werte geben. Natürlich ist auch wichtig, wie du dich körperlich fühlst, ob du nervös bist. Der Zeitpunkt der Nahrungsaufnahme ist wichtig. Ich muss vor Spiel oder Training gut vier Stunden zuvor gegessen haben, damit ich einen stabilen Wert habe und nicht eine steigende oder fallende Kurve habe.
Wie wichtig ist es, die ganze Krankheit positiv anzunehmen?
Sandra Starke: Das ist sehr wichtig. Ich habe sehr lange dafür gebraucht, bis ich die Krankheit akzeptiert habe und sie nicht mehr verstecken wollte. Als ich so weit war, fiel mir plötzlich alles leicht. Ich habe es am eigenen Körper gespürt: Es gibt keine blöden Blicke. Es ist eine Krankheit, mit der man noch alles machen kann. Manchmal irritiert mich, wenn Leute fragen, schaffst du das überhaupt? Das finde ich schade, weil es zeigt, wie vielen Menschen noch das Verständnis fehlt. Für mich ist das Schönste, meinen Mitmenschen zu zeigen, dass das Leben ganz normal und schön weitergehen kann. Und dass es dank moderner Monitoringsysteme, wie dem FreeStyle Libre 3, möglich ist, sich rund um die Uhr sicher zu fühlen. (Abbott/SW)
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