Sabine Spitz: „Ein absoluter Traum ging so in Erfüllung, den nur wenige schaffen“.
Sabine Spitz ist einfach nur „Frau Mountainbike“. Die Olympiasiegerin von Peking hat zwischen 2004 und 2012 einen kompletten Medaillensatz bei Olympia gefeiert, ist zweifache Weltmeisterin, vierfache Europameisterin und zudem noch 20-fache Deutsche Meisterin im Mountainbikesport. Im exklusiven Interview mit „sportflash.online“ blickt Sabine Spitz auf diese lange und extrem erfolgreiche Karriere zurück.
Frau Spitz, bei Ihrem ersten offiziellen Rennen waren Sie damals 22 Jahren alt. Warum erst so spät aufs Mountainbike?
Sabine Spitz: Auf dem Mountainbike war ich schon länger unterwegs, aber nur für Touren im Schwarzwald und auf dem Weg zur Arbeit. Ich war sportbegeistert und habe vieles gemacht wie beispielsweise Fußball, Eishockey Skifahren oder Klettern.
Zum ersten MTB Start bin ich dann durch meinen damaligen Freund gekommen. Er wollte Rennen fahren und hat mich motiviert es selber zu versuchen. Dazu kam der äußerst glückliche Umstand, dass in meiner Heimat die Badischen Meisterschaften stattgefunden haben. So nahmen die Dinge ihren Lauf.
26 Jahre waren Sie dann aktiv … äußerst erfolgreich aktiv. Auch wenn Sie seit 2019 keine Wettkämpfe mehr bestreiten: Was hat Sie so fasziniert?
Sabine Spitz: Die vielen Facetten des Mountainbike-Sports. Es ist eine Kombination aus Kraft, Ausdauer, Technik, Taktik und Mut, die den Erfolg ausmacht, wobei am Ende ausschließlich die individuelle Leistungsfähigkeit zählt. Das Anforderungsprofil ist komplex, was ein abwechslungsreiches Training zur Folge hat. Im Trainingsalltag kommt außerdem auch noch die Komponente Naturerlebnis und Freiheit dazu, was ja auch die zig tausend Hobbysportler motiviert, regelmäßig auf ihr Mountainbike zu steigen. Es ist und bleibt für mich Passion.
Es gibt Profis, die sowohl im MTB-Weltcup als auch auf der Straße aktiv sind. Waren Straßenrennen niemals Thema?
Sabine Spitz: Doch und ich habe auch etliche Wettkämpfe auf der Straße bestritten, bei denen ich auch recht erfolgreich war, wie zum Beispiel die Thüringen Rundfahrt, Rundfahrten in Frankreich und in den Niederlande oder auch bei den Deutschen Meisterschaften. Aber es war für mich mehr Mittel zum Zweck, in der Vorbereitung auf die MTB-Saisonhöhepunkte. Die Straßenrennen haben Spaß gemacht, aber nur ausschließlich auf der Straße zu fahren, hätte ich mir nicht vorstellen können
Deutsche Meisterin in verschiedenen Disziplinen, fast durchgehend von 2001 bis 2018. Mehrfache Europa- und Weltmeisterin, sowie auch einen kompletten Medaillensatz bei Olympia. Was war das Highlight dieser Karriere?
Sabine Spitz: Das war schon eindeutig das Olympische Gold. Es war „das perfekte Rennen“ für mich, wie man vielleicht nur eines in seiner Karriere hat. Da bekomme ich heute noch Gänsehaut, wenn ich daran denke. Das war Emotion pur. Ein ganz unbeschreibliches Glücksgefühl, es geschafft zu haben, auf dem Olymp zu sei. Ein absoluter Traum ging so in Erfüllung, den nur wenige schaffen. Auch wenn es viele, viele andere Highlights gab in den 27 Jahren Racing, dieser war schon etwas ganz besonderes. Ein absolutes Glücksgefühl!
Welche Disziplin war denn Ihre liebste?
Sabine Spitz: Schon das Olympische Cross-Country. Es ist einfach brutal, ehrlich und spektakulär. Mit fortschreitendem Alter wurde es allerdings immer schwieriger mit den Jungen mitzuhalten, auch weil sich sie Disziplin in eine Richtung entwickelt hat, die für mich schon recht herausfordernd war. Daher habe ich den letzten Jahren auch mehr Spaß auf der Langstrecke mit Marathon und Etappenrennen gefunden.
Die Wettkämpfe sind gefahren, haben Sie trotzdem noch ein Ziel im Sport? Ein völlig abwegiges Unterfangen, oder eine ganz bestimmte Route …
Sabine Spitz: Derzeit will ich das Mountainbiken in erster Linie genießen. Ich bin mehr als zwei Jahrzehnte auf höchstem Niveau unterwegs gewesen, wo eigentlich das ganze Jahr mit Trainingsplan und Wettkampfkalender durchgetaktet war. Da ist es einfach nur schön, dann auf das Bike zu steigen wenn man Lust und Laune hat. Deshalb habe ich im Moment keine konkreten Ziele was das Biken angeht. Aber mal sehen, dass kann durchaus wieder kommen. Was ich schon immer gerne gemacht habe, sind Mehrtagestouren. Warum nicht da mal was Krasses angehen?
Leider besteht eine lange Karriere nicht nur aus den Hochs, es gibt auch Tiefs. Oft haben diese dann mit Verletzungen zu tun … und auch Sie blieben nicht unverschont. Was hat Sie immer motiviert, vor allem im Herbst dieser Karriere, wieder aufs Mountainbike zu steigen?
Sabine Spitz: Immer der Spaß am Sport und am Wettkampf. Lediglich 2013 hatte ich nach meiner zweiten schweren Schulterverletzung innerhalb eines Jahres, kurz dran gezweifelt, ob es das Richtige ist, was ich hier mache. Aber nach einer Woche saß ich wieder auf dem Bike, um doch noch ein Rennen in dem Jahr zu bestreiten. Und zuletzt war es ja so, dass ich das geplante Karriereende bei den Olympischen Spielen in Rio nochmals aufgeschoben habe, weil ich wegen einer Knieverletzung, das Ziel einer vierten Medaille nicht umsetzten konnte. So wollte ich nicht aufhören.
Wie sah eigentlich eine Trainingseinheit, eine Trainingswoche aus?
Sabine Spitz: Das war sehr unterschiedlich und sehr stark von der Saisonplanung, Wettkampfkalender und Jahreszeit abhängig. Grob gesagt habe ich im Winter an meiner Ausdauer mit langen Trainingseinheiten gearbeitet und im Frühling/Sommer an der Wettkampfhärte und Schnelligkeit. Das heißt ein langes Training am Tag und das drei Tage hintereinander, ein Tag Pause und dann geht es auch schon weiter. Bei intensiven Einheiten waren es dann oftmals zwei Trainings am Tag. Vormittags Intervalle und am Nachmittag noch ein Ausdauereinheit. Dazu kamen allgemeine Kräftigung, Fahrtechniktraining und Dehnen. Der Mountainbike-Rennsport erfordert schon einen sehr hohen Trainingsaufwand.
Wie lange sitzen Sie heute in einer typischen Woche auf dem Mountainbike, oder ist es heute etwa so ein E-Bike?
Sabine Spitz: Das ist recht unterschiedlich und hängt als bekennende Schönwetter-Fahrerin stark vom Wetter ab. Ok, so ganz ohne Rad geht es auch bei schlechtem Wetter nicht. Aber wenn es schön ist, können es gerne mal fünf oder sechs Tage in der Woche sein, an denen ich mit dem Mountainbike oder Rennrad unterwegs bin. Bisher immer noch ohne Motorunterstützung!
Wenn wir Ihre ersten professionellen Mountainbikes nehmen und die heutigen, ohne Elektrifizierung, in welcher Art hat sich der Sport gewandelt?
Sabine Spitz: Das Olympische Cross Country hat sich in den letzten 20 Jahres sehr gewandelt, was wie erwähnt auch eine besondere Herausforderung für mich war. Die Rennen sind deutlich kürzer geworden, dafür aber schneller und aggressiver. Bei meinem ersten Weltcup betrug die Renndauer zweieinhalb Stunden. Heute sind es maximal eineinhalb Stunden. Und die Strecken sind wesentlich technischer und zum Teil auch gefährlicher geworden. Sprünge, Steinfelder, Drops usw. die meisten künstlich gebaut. Fast schon Standard. Auch das Material hat sich verändert. Mehr Federweg, breitere Lenker, größerer Laufräder, breitere Reifen, Karbon statt Alu … früher sind wir noch ohne Federgabel und mit Felgenbremsen gefahren. Das kann man sich heute gar nicht mehr vorstellen.
Der MTB-Weltcup ist in Albstadt in die Saison 2021 gestartet. Etwas Normalität in diesen schwierigen Zeiten. Sie waren als Co-Moderatorin direkt mit dabei. Was dürfen wir in der Saison erwarten?
Sabine Spitz: Das ist natürlich eine ganz besondere Saison. Zum einen weil wir Olympische Spiele haben, zum andern weil wir letztes Jahr nur eine „Mini“-Saison hatten, die auf einen Monat komprimiert war. 2020 hat sich vor allem gezeigt, dass die Leistungsdichte noch breiter geworden ist, dass vor allem sehr junge Sportler schon in der Weltspitze mithalten können beziehungsweise top sind. Ich denke der Trend wird anhalten. Die Weltspitze ist 2021 natürlich vor allem auf Tokio fokussiert. Es ist alle vier Jahre das mit Abstand wichtigste Rennen. Dort wird es spannend sein zu sehen, wie sich Erfahrung gegen Jungend behaupten kann. Bei einem solch besonderen Rennen, bei dem die Umstände äußerst speziell sind, spielt Erfahrung schon eine wichtige Rolle.
Wie ist es um den deutschen Nachwuchs bestellt? Kommen die Talente nach? Oder müssen wir doch auf ein Comeback von Sabine Spitz hoffen?
Sabine Spitz: Nein, ein Comeback von mir ist nicht zu befürchten … und nicht notwendig, auch wenn die Anzahl der Talente in Deutschland nicht allzu üppig ist, leider. Aber sowohl im männlichen als auch im weiblichen Bereich gibt es ein paar echte, wenn auch wenige Hoffnungsträger, die zukünftig in der Weltelite mitmischen können. Leider hatten und haben wir in Deutschland immer das Problem, dass das Reservoir an hochkarätigem Nachwuchs immer sehr klein war, im direkten Vergleich zu anderen, führenden Nationen wie der Schweiz oder Frankreich.
Abschließend Frau Spitz: Haben Ihr wichtigsten „Goldesel“ einen besonderen Platz bei Ihnen? Und wie viele Fahrräder oder Mountainbikes hat eine Sabine Spitz in Ihrem Fahrradkeller so stehen?
Sabine Spitz: Ja schon, wobei mein echter „Goldesel“, das Siegerrad von Peking; sogar im Museum steht. Wie viele Bikes ich aus der Vergangenheit noch habe, kann ich gar nicht genau sagen. Aber in den letzten Jahren ist da schon etwas zusammen gekommen. Es ist immer wieder schön diese Bikes zu sehen. Mit jedem einzelnen, sind besondere Geschichten und Emotionen verbunden. Heute denke ich auch, wie war es überhaupt möglich damals mit dem Bike so schnell zu fahren. (TX)
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