Paul Drux: „Ich habe mich riesig gefreut und den Jungs dann auch geschrieben“.
Paul Drux musste der DHB-Auswahl mit einem Außenmeniskusschaden kurzfristig absagen, beim Qualifikations-Turnier für Olympia in Tokio war der Stammplatz nach der Operation die Couch. Nach der souveränen, erfolgreichen Qualifikation feierte der linke Rückraumspieler von den Füchsen Berlin mit einem Glas Wasser und mit Gedanken an Olympia in Rio 2016. Doch nun geht es um die Sommerspiele 2021!
Was sind Deine ersten Gedanken, wenn Du Olympia 2021 in Tokio hörst?
Paul Drux: Das hört sich erste einmal anders als geplant an. Es sollte ja schon letztes Jahr stattfinden, worauf man schon hintrainiert hat. Bei uns ist das gar nicht so ein Problem gewesen wie bei so vielen anderen Sportlern. Aber ich freue mich riesig, dass die Jungs die Olympiaqualifikation geschafft haben. Wenn ich Olympia höre, dann denke ich sofort an die Erlebnisse in Rio 2016 und an den Gewinn der Bronzemedaille zurück.
Was ist an Olympia anders als bei den anderen Turnieren wie zum Beispiel bei einer Weltmeisterschaft?
Paul Drux: Der größte Unterschied ist der, dass man sich mit den Besten der Besten misst. Gleichzeitig hat man noch die Verbindung mit den anderen Sportlern, wenn man sie direkt auf dem Flur trifft, das Mitfiebern, die Erfolge miterleben, wenn jemand die Goldmedaille holt. Oder wenn man Sportler aus anderen Nationen sieht, zu denen man vielleicht aufsieht. Das ist für mich das Größte. Als Kind und als Jugendlicher habe ich immer die Olympischen Spiele mit Faszination verfolgt. Mit der Familie saßen wir zusammen auf der Couch, haben fast alles geguckt. Einmal selbst dabei gewesen zu sein war super und jetzt die Chance auf eine erneute Teilnahme ist sehr motivierend.
Hattest Du denn damals in Rio einen Sportler gesehen, den du immer mal treffen wolltest?
Paul Drux: Ich hatte viele coole Erlebnisse. Ich habe die US-Basketballer gesehen, die mal einen Abstecher ins olympische Dorf gemacht haben. Ich glaube, die hatten darauf gar keine Lust, aber es war cool, sie mal zu sehen. Richtig cool war auch das Tennismatch zwischen Del Potro und Djokovic. Da saß ich am Centre Court.
Hast Du Deinen Nationalmannschaftskollegen von Deinen Olympiaerlebnissen im Vorfeld erzählt?
Paul Drux: Viele waren ja 2016 dabei und das hat alle angetrieben. Im Slowenien-Spiel konnte man es auch sehen, wie Feuer drin war und jeder gebrannt hat. Denen, die noch nicht dabei waren, hat man erzählt, dass man so etwas miterleben muss.
Es war der Montag vor dem Turnier, Du fährst zur Nationalmannschaft, Du bist motiviert und bereit für die DHB-Auswahl und dann kam es anders …
Paul Drux: Am Abend nach der Rückfahrt aus Essen habe ich schon gemerkt, dass es sich im Knie nicht so gut anfühlt. Ich war jedoch trotzdem voller Hoffnung und Tatendrang, es zu probieren. Ich dachte, dass ich die Schmerzen rauslaufen könnte. Das ging relativ schnell in die Hose … Ich habe die Ärzte drauf schauen lassen, die gleich sagten, dass es keinen Sinn machen würde. So kam ich dann relativ schnell direkt unters Messer.
Wie groß war der Frust, denn Du hast so etwas schon mal erlebt? Bei der EM 2018 im Spiel gegen Dänemark hattest Du auch Probleme mit dem Meniskus und konntest dann nicht weiterspielen.
Paul Drux: Man lernt damit umzugehen, weil es nicht das erste Mal war, dass man so einen Rückschlag erleben muss. Man muss lernen, dass man es nicht ändern kann, das Beste daraus zu machen. Es ist nicht einfach, die Jungs am Wochenende spielen zu sehen. Man wäre gerne dabei, würde gerne helfen und man könnte dem Trainer zeigen, dass man da ist. Denn das erhöht dann auch die Möglichkeiten im Olympiakader dabei zu sein.
Hattest Du noch Kontakt mit der Mannschaft und dem Trainerstab?
Paul Drux: Nach der Operation haben sich einige Jungs direkt gemeldet. Ich habe die Spiele auf der Couch verfolgt und mitgefiebert, musste aber manchmal trotz Verletzung aufstehen. Normalerweise bin ich ruhig und sachlich. Gegen Slowenien war ich dann relativ entspannt.
Du hast die drei Spiele von Deiner Couch aus erlebt. Deswegen kannst Du es wunderbar analysieren. Was war denn am Wochenende die große Stärke der deutschen Mannschaft?
Paul Drux: Gegen Schweden haben wir etwas Glück gehabt. Dass es sich so noch gedreht hat, ist sicherlich auch ein Verdienst von Jogi Bitter im Tor. Nach einer guten ersten Halbzeit kam es zum Einbruch. Trotz des Glücksgefühls müssen wir daran arbeiten, dass das nicht wieder passiert. Das Positivste im Schwedenspiel war, dass man sich die letzten fünf Minuten raus gekämpft hat. Gegen Slowenien und Algerien hat man dann mit einer riesigen Mentalität gespielt. Das hat unsere Mannschaft in den letzten Jahren so stark gemacht. Wenn wir erfolgreich waren, dann hatten wir eine gute Abwehr, schnelle Gegenstöße und viel Mentalität. Wenn wir so spielen, dann hat keiner Bock, gegen uns zu spielen.
Warum hat es denn im Vergleich zu früheren Spielen bei dem „do or die“-Spiel geklappt? Wenn es negativ gelaufen wäre, dann wäre das ein Nackenschlag für den deutschen Handball gewesen, oder?
Paul Drux: Auf jeden Fall! Gegen Ungarn hatten wir bei der WM genauso ein Spiel, als ein Tor im Endeffekt über den Turnierverlauf entschied. Da war das Glück nicht auf unserer Seite und wir haben es auch nicht erzwungen. Anders als jetzt gegen die Schweden. Man hat so viel Kampfgeist gezeigt, dass man dafür belohnt wurde.
Viele sprachen vom nahezu perfekten Spiel gegen Slowenien. Hast Du das von Deiner Couch auch so gesehen?
Paul Drux: Da lief hinten wie vorne viel Gutes zusammen. Ich hatte die Slowenen stärker erwartet. Wir haben es sehr gut gemacht, ihnen wenige Chancen gelassen.
Hast Du denn nach dem Algerien-Spiel und der gelungenen Qualifikation auch mal eine Büchse zum Feiern aufgemacht?
Paul Drux: Ich habe Wasser getrunken, weil ich momentan kein Alkohol trinke … aber ich habe mich riesig gefreut und den Jungs dann auch geschrieben.
Was dürfen wir denn jetzt bei den Sommerspielen so erwarten? Bob Hanning wünscht sich Gold …
Paul Drux: Das wünscht sich jeder! Natürlich will jeder, der zu Olympia fährt, oben auf dem Podest stehen. Wir wissen, dass es schwierig ist, aber auch, dass vieles möglich ist. 2016 haben uns nicht viele etwas zugetraut, nach einem Rückschlag gegen Brasilien haben wir es trotzdem allen gezeigt. Wir brauchen eine gute Form zum Zeitpunkt, wenn möglich keine Verletzungen und dann einen guten Turnierstart.
Wen siehst Du sonst noch in der Favoritenrolle? Die üblichen Verdächtigen?
Paul Drux: Glaube ich schon … sie sind am abgeklärteste. Sie sind es gewohnt, solche Turniere zu spielen und haben in der Regel eingespielte Mannschaften mit wenig Rotation im Kader.
Welche Rolle spielt der Bundestrainer? Alfred Gislasson war als Trainer noch nicht bei den Spielen?
Paul Drux: Alfred brennt unfassbar darauf, zum ersten Mal zu Olympia zu kommen. Er hat als Vereinstrainer wirklich alles gewonnen, er hat Riesenmannschaften hervor gebracht und er hat die Zeiten in der Bundesliga geprägt. Er ist ein sehr, sehr guter Trainer, der uns die Siegermentalität geben kann, weil er weiss, wie man Teams formen muss.
Wann sehen wir Dich denn wieder auf der Platte? Die Füchse Berlin scharren sicher mit den Hufen …
Paul Drux: Mindestens vier bis fünf Wochen muss man mir schon geben.
Du baust gerade ein Haus in Berlin, Dein Vertrag geht bei den Füchsen bis 2025. Bleibst Du ewig in Berlin?
Paul Drux: Ich fühle mich pudelwohl, kann mir nicht vorstellen, woanders zu leben.
Andere deutsche Handballer spielen im Ausland? Ist das eine Alternative?
Paul Drux: Das muss man nach der Vertragslaufzeit mal sehen und wie sich mein Körper verhält. Da bin ich noch offen. Aber erst mal wollen wir das Leben in Berlin genießen. (OD)