Oliver Kreuzer: „Wir wollen den jetzt engen Spielplan nicht als Alibi benutzen“.
Es ist mitten in der Saison und plötzlich wird alles komplett gestoppt … aufgrund von Infektionsfällen mit dem Corona-Virus geht es in die Quarantäne. Der Sportdirektor vom Karlsruher SC, Oliver Kreuzer, erklärt, wie diese Zeit bei einem Fußballverein abläuft, wo die Herausforderungen sind und wagt einen Blick auf den kommenden Transfermarkt und verrät „sportflash.online“, wann wieder Zuschauer in die Stadien dürfen.
Am Anfang mal eine eher ganz normale Frage: Wie geht es Euch beim KSC?
Oliver Kreuzer: Den Umständen entsprechend ganz gut. Wir waren ja 14 Tage in häuslicher Quarantäne. Das Trainerteam war aber mit den Spielern regelmäßig im Austausch. Die Mannschaft hat täglich ihr Trainingsprogramm absolviert. Wir haben den Spielern Spinning-Räder nach Hause gebracht und jeder Spieler hatte ein ganz individuelles Programm. Dazu gab es via Zoom auch noch gemeinsame Einheiten mit Kräftigungs- und Stabilisierungsübungen. Wir freuen uns sehr, dass wir wieder draußen gemeinsam trainieren können.
Gehen wir doch mal zurück zum Beginn der Quarantäne. Wie läuft eigentlich so ein Prozess ab, wenn es positive Tests bei einem Klub gibt?
Oliver Kreuzer: Seit dem 1. April gibt es täglich die Schnelltests und schon seit 14 Monaten zweimal die Woche die PCR-Tests. Ein Spieler wurde bei einem PCR-Test positiv getestet und es gab eine Kontaktverfolgung. Es wurde festgestellt, dass es Probleme im familiären Bereich gab, weil Frau und Tochter krank waren. Dann gab es bei uns den zweiten Fall. Auch hier gab es eine Kontaktverfolgung und es stellte sich heraus, dass es eventuell auch aus dem mannschaftlichen Umfeld kommen könnte. Unser Hygienebeauftragter und der Mannschaftsarzt hatten Kontakt mit dem Gesundheitsamt, die den beiden mitgeteilt haben, dass nicht er alleine, sondern die ganze Mannschaft in Quarantäne muss. Danach kam die Information an die Trainer und an alle Spieler, die wir sofort nach Hause geschickt haben.
War das für Dich in Deiner Amtszeit die größte Herausforderung, dies alles zu bewerkstelligen?
Oliver Kreuzer: Ich glaube, die größte Herausforderung kommt jetzt noch. Es ist kein großes Problem, die Jungs mal für 14 Tage nach Hause zu schicken. Um sie bei Laune zu halten, haben wir auch ein gutes Trainerteam. Das man so genanntes Wohnzimmertraining nicht mit dem normalen Training vergleichen kann, ist auch klar. Aber jetzt, und da hat man keine Vergleichswerte, wie verhält man sich nach 14 Tagen Home-Training? Wir haben mit dem ganz normalen Trainingsbeginn bis zum ersten Spiel gegen Würzburg gerade einmal nur 48 Stunden … Wie geht man aus medizinischer Sicht so ein Training an? Was passiert nach dem Würzburg-Spiel? Montag haben wir dann Aue, Donnerstag den HSV. Das ist die Herausforderung, der wir uns stellen müssen. Es gibt kein Grund zum Jammern. Die Dresdner haben es letztes Jahr im Abstiegskampf erlebt und in diesem Jahr sind die Kieler noch im Aufstiegskampf. Das sind dann noch ganz andere Sachen, die da mitspielen. Wir haben 42 Punkte und das Saisonziel eigentlich erreicht. Wir wollen anständig die Saison zu Ende spielen und noch einige Punkte holen.
Spieler haben unterschiedliche Charaktere, der eine nimmt so eine Situation locker, der andere macht sich Stress. Wie geht es den Spielern?
Oliver Kreuzer: Wir haben keine Spieler, im Kader, die damit ein großes Problem haben. Ich gehe davon aus, dass sich alle an die Vorgaben gehalten haben und zu Hause geblieben sind. Jetzt freuen sie sich wieder und scharren mit den Hufen, um wieder auf den Platz gehen zu können und dem Ball hinterher jagen. So wollen wir die letzten sieben Spiele auch angehen. Wir wollen den jetzt engen Spielplan nicht als Alibi benutzen. Wir werden der Situation trotzen und noch mal vier Wochen lang alles raushauen, noch ein paar Punkte holen und dann den Haken dran machen.
Die Hertha propagieren ja auch ein „Jetzt-erst-recht-Gefühl“ …
Oliver Kreuzer: So musst du es auch angehen und nicht in Selbstmitleid versinken. Wenn sich im Kopf verfestigt, dass man die Ärmsten der Nation sei, dann wird es schwer. Du musst die positive Grundhaltung an den Tag legen.
In der DFL wird über Quarantänetrainingslager geredet. Wie steht Ihr dazu?
Oliver Kreuzer: Ich war immer dafür und man hätte es auch jetzt schon machen sollen. Vor zehn, zwölf Tagen war der Inzidenzwert noch nicht so hoch wie jetzt. Ich befürworte es absolut, dass man Minimum rundum die beiden letzten Spieltage, sich von der Außenwelt isoliert. Und dann auch alle drei Ligen. Ich begrüße es, wenn man ab Anfang Mai in diese Trainingslager gehen muss. Dann bist du sicher, und nur dann! Du musst bis zum 23. Mai alles gespielt haben. Dann hast du Relegation und am 31. Mai beginnt die Abstellungsperiode für die EM. Wir haben nicht dieses Jahr die Möglichkeit bis Mitte oder Ende Juni zu spielen. Wenn also am zweitletzten Spieltag noch etwas passiert, du musst dann noch eine Mannschaft in Quarantäne schicken, dann hast du keine Chance mehr.
Wie ist das Stimmungsbild bei den Kollegen in der Liga?
Oliver Kreuzer: Viele sind dafür. Es ist die einzige Möglichkeit, dieser Gefahr aus dem Weg zu gehen. Dann bist du in einer Glocke, hast weiterhin die Tests und bist in einem Hotel oder in einer Sportschule untergebracht, wo du alleine bist, keinen Kontakt mit anderen Menschen hast. Das ist dann eine brutale Zeit, aber dann müssen sie jeden Tag zusammen Playstation spielen … Du kannst das Risiko nur minimieren, wenn du ins Quarantänetrainingslager gehst.
Es werden schon Szenarien durchdiskutiert, was bei einem Abbruch passieren soll und welche Tabelle man nimmt, um Auf- und Absteiger zu bestimmen!
Oliver Kreuzer: Um Gottes Willen. Dann hast du nur Klagen am Hals und Chaos pur! Wegschließen, Quarantänetrainingslager, die Saison zu Ende spielen, dann Mund abputzen. Danach schauen wir mal, ob wir in drei Monaten alle geimpft sind.
Was sagst Du denen, die jetzt mit Schadenfreude auf Euch gezeigt haben und froh sind, dass es Profifußballer auch erwischt hat?
Oliver Kreuzer: Ich glaube schon, dass der Profifußball privilegiert ist. Aber wir haben zu Beginn der Pandemie auch gesehen, dass Fußball ein gesellschaftliches Gut ist. Mit dem Lockdown, wo keine Spiele haben stattfinden können, haben wir gesehen, wie Menschen sehnsüchtig darauf gewartet haben, dass Fußball wieder in der Flimmerkiste läuft. Dazu hat die DFL mit absoluten Fachmännern ein ganz tolles Hygienekonzept entwickelt. Dadurch war der Fußball mit das erste, wo wieder etwas wie Normalität eingekehrt ist. Viele ausländische Ligen haben das Konzept kopiert und es hat auch funktioniert. Dazu über Fußballer auch ihren Beruf aus. Der Fußball ist schon in Deutschland extrem wichtig.
Wie schwierig ist es für Dich, in diesen Zeiten die nächste Saison zu planen?
Oliver Kreuzer: Nicht schwieriger als in den letzten Jahren. Im Endeffekt ist weniger Geld auf dem Markt, aber es werden mehr Spieler auf den Markt kommen. Es ist zum ersten Mal seit Jahren, dass der KSC seit einigen Wochen schon planen kann. Du hast die Planungssicherheit, dass du wieder in der 2. Liga spielst. Die Spieler und die Berater warten allerdings gerne oft lange. Der KSC ist noch kein Verein, der finanziell mit den Großen mithalten kann. Deswegen wird es wohl auch von unseren Wunschspielern relativ spät Entscheidungen geben.
Wen Du sagst, dass es mehr Spieler auf dem Markt geben wird, kann es ja auch bedeuten, dass Ihr Spieler bekommen könnt, an die Ihr bisher noch gar nicht gedacht habt?
Oliver Kreuzer: Genauso ist es. Deswegen sind wir relativ entspannt. Wir haben schon ein Korsett, eine Achse unter Vertrag. Wir wollen vier bis fünf Neuzugänge holen. Mit einigen sind wir schon im Austausch. Nach der Saison kommen Spieler, auch aus der 1. Liga auf den Markt, wo du nie gedacht hast, dass du sie bekommen kannst. Ruhe bewahren, den Markt sondieren. Richtige Entscheidungen sind besser als schnelle Entscheidungen.
Wann glaubst Du, kannst Du dann wieder Zuschauer im Karlsruher Wildpark begrüßen?
Oliver Kreuzer: Ich glaube, dass wir zu Beginn der neuen Spielzeit am 23. Juli mit 20 Prozent Zuschauerkapazität spielen dürfen. Wen es keine Rückschläge geben wird, dann gehen wir im Herbst auf 50 Prozent. Wenn Ende des Jahres dann 80 bis 90 Prozent der Deutschen geimpft sind, werden wir in der Rückrunde wieder totale Auslastung haben. Das wäre richtig schön! (OD)
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