Olaf Tabor: „Eine Entbürokratisierung der Prozesse ist angestrebt“.
Olaf Tabor verstärkte am 1. April als neuer Vorstand Leistungssport den DOSB. Der 52-jährige Familienvater von drei Kindern, der im texanischen El Paso das Licht der Welt erblickte, war zuvor mehr als zehn Jahre Hauptgeschäftsführer des Deutschen Alpenvereins (DAV). Olaf Tabor sprach zum Antritt über Algorithmen, Agenturen und akute Voraussetzungen sowie Bedingungen für einen erfolgreichen Spitzensport.
Herr Tabor, Sie haben den DAV auf dem Weg von einem nicht-olympischen zu einem olympischen Spitzenverband mitgestaltet. Jetzt sieht Ihr neuer Job die Weiterentwicklung der gesamten Leistungssportlandschaft vor. Was steht in diesem Fall ganz oben auf der Liste?
Olaf Tabor: Ich steige zu Beginn einer der wohl wichtigsten Weichenstellungen zur Leistungssportstruktur auf Bundesebene in meine neue Tätigkeit ein. Daher werde ich mich intensiv mit dem vorliegenden Grobkonzept für die Spitzensportförderung zu beschäftigen haben, dem nach meinem Eindruck Offenheit sowie grundsätzliche Zustimmung entgegengebracht wird. Die Hauptaufgabe für die nächsten Monate ist, die enthaltenen Ideen auszudifferenzieren und daraus ein Konzept zu entwickeln, das dazu beiträgt, vor allem den neuen Instrumenten, dem Sportfördergesetz und einer noch auszugestaltenden Agentur, auf die Welt zu helfen.
Diese Strukturanpassung ist aus meiner Sicht eine wichtige Voraussetzung, um mit der Sportförderung wieder in ruhigeres und erfolgreicheres Fahrwasser zu kommen. Das Sportfördergesetz, die Agentur sowie eine umfassende Entbürokratisierung der Prozesse stellen für mich eine notwendige Voraussetzung für eine wieder positivere sportliche Entwicklung dar. Allerdings sorgen sie nicht aus sich selbst heraus dafür, irgendetwas erfolgreicher, weniger bürokratisch oder besser zu machen. Erst nach der strukturellen Ausgestaltung wird sich in der Praxis zeigen müssen, ob die mit der Reform verbundenen Erwartungen auch erfüllt werden können.
Wo bremst die Bürokratie genau den Sport?
Olaf Tabor: Eine gezieltere und flexiblere Förderung hat viel mehr Einfluss auf die künftige Leistungsfähigkeit der Verbände und Institutionen im Leistungssportsystem, damit auch unmittelbar auf die Athletinnen und Athleten. Bei diesem Thema haben wir noch Luft nach oben. Aus meiner Zeit als Verbandsvertreter habe ich miterlebt, dass es parallel zu wachsenden Fördermitteln immer auch wachsende Ambitionen gegeben hat, den Mitteleinsatz stärker zu regulieren. Dies ging zu Lasten flexibler Steuerungsmöglichkeiten unter anderem bei den Spitzenverbänden, die der Sport allerdings braucht. Spitzenleistungen sind eben nicht programmierbar und künftige Ergebnisse können nur bedingt durch Algorithmen prognostiziert werden. Konzepte und akribische Planung sind unverzichtbare Werkzeuge für einen professionellen Trainings- und Wettkampfbetrieb, am Ende zeigt die tägliche Praxis, dass unzählige Einflüsse kontinuierliche Anpassungen erfordern. Dann wird aus Planen Navigieren, schließlich haben wir es mit Menschen sowie wechselnden Situationen zu tun. Ich höre aus fast allen Sportarten, dass es auch aus bürokratischen Gründen immer schwieriger geworden ist, flexibler sowie situationsangemessener auf sich ändernde Bedingungen zu reagieren. So habe ich das zuletzt in der Individualsportart Klettern erlebt. Die bürokratischen Vorgaben aus der Bundesmittelförderung vor Olympia in Tokio habe ich als ein zu starres Korsett für die Entwicklungen wahrgenommen.
Auch die Sportförderung soll ausgelagert werden. Was für eine Rolle spielt der organisierte Sport und welche die Politik?
Olaf Tabor: Die bisherige Finanzierungsfunktion des Bundesinnenministeriums und die Steuerungsfunktion des DOSB sollen eine unabhängige Agentur bilden. Wo also bisher zwei Institutionen zuständig waren, wird es nur noch eine geben. Während Politik und Sport weiterhin gemeinsam den strategischen Rahmen vorgeben, soll die operative Umsetzung in der Verantwortung der Agentur liegen. Gleichzeitig wird eine Verschlankung der Verfahren, eine Digitalisierung sowie Entbürokratisierung der Prozesse angestrebt. Dieser von Bund, Ländern und Sport sehr ernst gemeinte erste Schritt, die strukturelle Aufstellung des deutschen Leistungssports endlich zu modernisieren, stellt für mich mit dem Sportfördergesetz und der Entbürokratisierung der Verbändeförderung eine wesentliche Grundlage für nachhaltige Verbesserungen dar. Die eigens allein nur für diese genannten Prozesse initiierte Bund-Länder-Sport AG hat ihre vielversprechende Arbeit erst kürzlich aufgenommen.
Während die Spitzensportförderung auf neue Grundlagen gestellt wird, laufen zeitgleich die Vorbereitungen für Olympia 2024 …
Olaf Tabor: Wenige Tage nach Dienstantritt darf ich da noch zurückhaltend sein. Es wäre zu wünschen, dass wir die herausragenden Erfolge in den nicht-olympischen Sportarten bei den letzten World Games 2022 konservieren, den negativen Trend der zurückliegenden Olympischen Sommerspiele aufhalten. Eine Umkehr muss das Ziel sein, braucht aber sicher leider doch länger als nur einen olympischen Zyklus.
Welche Erwartungen knüpfen Sie zum Abschluss an den laufenden Prozess zu einer möglichen deutschen Bewerbung?
Olaf Tabor: Olympische Sommer- oder Winterspiele im eigenen Land waren für die Athletinnen und Athleten, die Trainerinnen und Trainer, die Verbände und auch für die Öffentlichkeit zumeist eine herausragende, nachhaltige Motivation. Es scheint eine Tradition in Deutschland zu sein, dass Großveranstaltungen immer erst kritisch gesehen werden sowie Widerstand erzeugen. Wenn es in der Vergangenheit soweit war haben deutsche Ausrichter immer gezeigt, zu welch herausragenden Events wir fähig sind. Frisch im Gedächtnis sind mir die European Championships im letzten Jahr und ich bin mir sicher, dass auch die Special Olympics World Games im Juni in Berlin und die EURO 2024 das unter Beweis stellen werden. Ein Blick auf die mit uns am ehesten vergleichbaren Gastgeber wie Australien oder aber Großbritannien macht deutlich, dass deren Leistungssport bis heute von den damaligen Impulsen profitiert hat. Ganz sicher strahlen Olympische und Paralympische Spiele aber auch auf uns alle, auf Breiten- und Schulsport aus. Wenn sie helfen, unser Land aktiver, bewegter und begeisterter zu machen, würde das allen gut tun! (TX)
Foto‘: Olaf Tabor Copyright DOSB