Niko Kappel: „Ich denke, wir haben beim Thema Inklusion schon einiges erreicht“.
Niko Kappel sitzt für die CDU-Fraktion im Welzheimer Gemeinderat, doch der 1,41 Meter große Athlet ist einer der erfolgreichsten deutschen Kugelstoßer. Der gelernte Bankkaufmann hat Gold bei den Paralympics 2016 in Rio de Janeiro gewonnen und Gold bei der Weltmeisterschaft 2017 in London. 2020 hat Niko Kappel als allererster Athlet über 14 Meter gestoßen und heute steht sein Weltrekord bei 14,30 Meter.
Herr Kappel, Sie sind Olympiasieger, Weltmeister und Weltrekordhalter, wann war Ihnen klar, Kugelstoßen ist meine Sportart? Und was hat Sie so fasziniert?
Niko Kappel: Ich komme ja eigentlich aus dem Fußball was bis dato auch meine Lieblingssportart war. Aus purem Zufall habe ich 2008 die Paralympics verfolg und gesehen das Kugel-, Speer-, und Diskuswurf in der Para-Leichtathletik gibt und das hat mich dann fasziniert. Am Anfang war es eher der Speerwurf, was sich dann aber relativ schnell Richtung Kugel verlagert hat da ich dort einfach bessere Fortschritte gemacht habe.
Vergleichen wir unsere aktuell besten deutschen Kugelstoßer: David Storl ist 1,99 Meter, Sie sind 1,41 Meter. Wahrscheinlich besteht nicht nur rein optisch ein Unterschied. Gibt es im technischen Ablauf einen Unterschied zwischen dem paralympischen und olympischen Kugelstoßen?
Niko Kappel: Klar gibt es da Unterschiede, das hat aber nicht unbedingt etwas mit der Größe zu tun. Es gibt ja zwei unterschiedliche Techniken beim Kugelstoßen, das ist zum einen die Angleit-Technik und zum anderen die Drehstoß-Technik. Das ist schon der erste große Unterschied zwischen David und mir, ich nutze die Drehstoß-Technik und David gleitet an. Der nächste Unterschied ist dann auch die Weite, die olympischen Athleten stoßen deutlich weiter, da einfach dort die Hebelverhältnisse natürlich besser und günstiger sind.
Ich muss gestehen, ich habe mir in meinem ganzen Leben noch nie Gedanken darüber gemacht, was es heißt, kleiner als die Norm zu sein. Wahrscheinlich würde ich vor meinem vollen Kühlschrank verhungern … Wie sieht es denn beim Training aus? Gibt es beispielsweise extra angepasste Trainingsgeräte?
Niko Kappel: Nein, dort gibt es keine Unterschiede, denn die Trainingsgeräte sind meisten sehr gut höhenverstellbar. Und keine Sorge, ich verhungere nicht vor dem vollen Kühlschrank …
Trainieren Sie in einer Trainingsgruppe für Inklusion?
Niko Kappel: Nein, wir sind eine Trainingsgruppe in der es darauf ankommt, dass unsere Kugel möglichst weit fliegt, daher trainieren olympischen und paralympische Athleten zusammen am OSP in Stuttgart.
Kann man sich beispielsweise bei einem David Storl auch etwas abschauen?
Niko Kappel: Natürlich ist David ein sehr erfahrener Athlet der auch schon sehr viel erreicht hat, aber durch die unterschiedlichen Techniken gibt es da nicht so extrem viele Berührungspunkte. Aber natürlich schaut man sich die anderen Athleten an und probiert, ob es die eigene Kugel weiter fliegen lässt.
2016 in Rio de Janeiro gewannen Sie mit 13,57 Meter noch Gold. Seit 2020 sind Sie Weltrekordhalter mit 14,30 Meter. Sie sind erst 26 Jahre alt und haben die besten Jahre noch vor sich. Was glauben Sie, ist generell in der Klasse F41 in den nächsten Jahren möglich? Wo wollen Sie landen?
Niko Kappel: Ich glaube, da ist gerade bei uns noch einiges Möglich. Wir sind in meiner Startklasse noch relativ junge Athleten mit viel Potential. Wobei ich meine 26 Jahre durchaus auch schon spüre! Spaß bei Seite, ich denke wir können alle noch weiter stoßen und uns spannende Wettkämpfe liefern.
Tokio 2020 ist aufgrund der Pandemie bekanntlich verschoben. Sie haben sehr schnell Stellung bezogen. War es wirklich so einfach für Sie, diesen Traum zu verschieben? Und wie haben Sie nun dieses zusätzliche Jahr genau genutzt?
Niko Kappel: Ja, ich habe die Verschiebung auf Grund der Unklarheit gefordert und finde es immer noch richtig, dass die Sommerspiele verschoben worden sind. Es ist trotzdem keine einfache Situation, aber ich habe versucht weiter meine Abläufe zu verbessern, und auch die letzte Saison ist für mich sehr gut gelaufen. Dieses Jahr müssen wir mal schauen, sobald die Saison losgeht, wo wir stehen.
Keine Wettkämpfe, kein Vergleich. Ist Gold realistisch?
Niko Kappel: Ja stimmt. Es ist schwer zu sagen was die Konkurrenz drauf hat. Ein paar sind schon in die Saison gestartet, aber zum jetzigen Zeitpunkt kann man da in unserem Sport noch keine Aussage treffen. Klar ist es mein Traum am Ende wieder ganz oben mit Gold zu stehen, aber es wird unfassbar spannend, da man nie weiß, wie sich die Situation entwickelt. Wie kann man trainieren? Oder muss man etwa in Quarantäne usw. Ich schaue einfach von Tag zu Tag, versuch das Maximum aus mir rauszuholen.
In Ihrer Jugend haben Sie wie fast alle Kinder aktiv Fußball gespielt. In einem typischen Verein. Heute nennt man so etwas Inklusion. War Ihre Größe jemals ein Thema im Sport? Heute setzen Sie sich für Inklusion ein, gibt es Erfolge?
Niko Kappel: Genau, ich habe früher ganz normal Fußball gespielt. Früher war das auch nie ein Thema. Natürlich gab es Situationen die nicht meine Stärken waren. Es war ganz klar, dass ich bei einer Ecke nicht unbedingt in den 16er bin und den Ball gefordert habe, aber man muss sich da einfach auf seine Stärken konzentrieren und diese für das Team einsetzen.
Ich denke, wir haben beim Thema Inklusion schon einiges erreicht, aber dort ist es ganz wichtig aufzuklären. Am Beispiel des kleinwüchsigen den Leuten zu sagen: Ja, der ist klein, aber er kann trotzdem alles machen wie ein „normaler“. Und genau so sollte man ihn dann auch behandeln. Man muss den Leuten auch einfach die Angst nehmen und muss den beteiligten Personen zeigen, wie simple es eigentlich ist.
Abschließend Herr Kappel: Sie sind Bankkaufmann, Sie sitzen für die CDU im Gemeinderat und Sie sind professioneller Sportler … Haben Sie auch Freizeit und vor allem, wie verbringen Sie diese Freizeit?
Niko Kappel: Ja, ich habe noch Freizeit, da ich mich ja komplett auf den Sport konzentrieren darf. Meine Freizeit verbringe ich sehr gerne mit meiner Freundin, sei es essen gehen, spazieren, kochen oder auch einfach nur auf dem Sofa liegen und einen Film schauen. (TX)
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