Martin Rath: „Wir kriegen sehr nette Mails. Das ist sehr positiv“.
„Sprenger spricht“ … diesmal mit Martin Rath, Inhaber des Fitnessstudios „Art of Fitness“ in Köln. „sportflash.online“-Redakteur Christian Sprenger hört mit diesem Interview in eine Branche rein, die durch die anhaltende Pandemie in eine extreme Schieflage geraten ist. Die ganze Fitnessbranche in Deutschland liegt am Boden, Martin Rath beschreibt die aktuelle Situation, ohne aber die generelle Hoffnung zu verlieren.
Ich habe das Gefühl, dass der Sport, den wir so machen, vergessen wird. Ich habe den Chef meines Fitnessstudios gefühlt seit gut einem halben Jahr nicht mehr gesehen. Martin Rath, Art of Fitness in Köln, hat man Euch vergessen?
Martin Rath: Zum Teil. Oder man gewichtet uns einfach nicht so stark wie andere Branchen. Das haben wir so im Gefühl. Für uns ist das schwer nachzuvollziehen, weil wir teilweise im Gesundheitssektor sind. Bei uns sind nicht nur die Kraftsportler, sondern auch die Herz-Kreislauf-Erkrankten und Co. Es ist sehr schwierig in dieser Pandemie die Übersicht zu behalten, was richtig und was falsch ist. Jeder hat eine andere Auffassung. Die Pauschalschließung über sechs Monate, um die Pandemie in den Griff zu bekommen ist sehr schade, ohne über alternative Lösungen etwa mit geringerem Einlass und gewissen Maßnahmen nach zu denken. Wir vermissen an der Politik, dass man keine anderen Lösungen präsentiert.
Im Spätsommer sollte es wieder losgehen. Die Palette an Geräten stand weit auseinander, überall gab es die Desinfektionstücher. Platz und Abstand …
Martin Rath: Ja. Es war von der Politik so vorgegeben. Wir hatten damals gar nicht den Stand wie heute, wie sich das Virus sich überträgt und wo die Gefahrenquellen sind. Wir haben alle sehr bedacht reagiert. Vor der Schließung wollten wir auch eine freiwillige Maskenpflicht einführen, um die besten Schutzvorkehrungen zu treffen. Man muss wissen, dass man in ein Sportstudio mit einer registrierten Karte kommt. Wir wissen als Betreiber, wer du bist, wo du wohnst, wie alt du bist und von wann bis wann du da warst. Wir können über unser Einlasssystem den Zutritt begrenzen. Wir hätten alle faktischen Möglichkeiten schaffen können. Im November fühlten wir uns vor den Kopf gestoßen, dass wir mit der Gastronomie und der Kultur mit Schließung betroffen sind. Wir könnten ja sogar auch dem Gesundheitsamt zuarbeiten, falls ein Infektionsgeschehen festgestellt würde. Mit unserem System könnten wir helfen!
Es war ja mal ein paar Monate geöffnet. Hat sich in der Zeit jemand infiziert?
Martin Rath: Nicht wissentlich. Bei uns keiner. Ich habe auch von anderen Studios nichts gehört.
Jetzt sind wir im Mai 2021. Viele haben die Impfungen hinter sich. Man hört, dass geimpfte oder genesene Menschen wieder etwas mehr machen dürfen. Aber von Fitnessstudios hört man nichts …
Martin Rath: Man ist irgendwann überdrüssig, jeden Tag von neuen Meldungen und Regelungen zu lesen. Mein Stand ist, dass, wenn wir sieben Tage unter Inzidenz 100 sind, wir wieder ins Eröffnungsspektrum rücken. Dann darf auch wieder drinnen Sport gemacht werden. Wir haben 12 Meter hohe Decken, wir sind ebenerdig, wir haben große Fenster zum Lüften. Unser Studio könnte wahrscheinlich unter diesen Bedingungen sehr gut wieder öffnen. Das ist bei anderen Studios vielleicht nicht der Fall. Dann hoffen wir, dass wir bei der Pauschalöffnung dabei sind.
Es gab einmal die Möglichkeit, auf dem Parkplatz draußen Geräte aufzustellen. Eine Fitnesskette hat das vorgemacht. Hast Du auch darüber nachgedacht?
Martin Rath: Für ein Einzelstudio wäre der Außensport ein viel zu großer Aufwand. Wenn du die Geräte rausstellst, müsstest du sie nachts absichern. Zudem sind sie auch nicht für die Witterungsverhältnisse gemacht. Es sind dazu noch so viele Leute durch die Pandemie verunsichert. Unser Problem der Sportstätten ist das Konzept. Wir würden Trainierenden gerne Rahmenmöglichkeiten anbieten. Dieser Aufwand, den ich da betreiben würde, würde für die Leute, die ohnehin zum Training kommen sinnvoll sein, aber unser Geschäftsmodell lebt von Neumitgliedschaften, die sich mit den Kündigungen kompensieren. Aktuell haben wir seit sechs Monaten jeden Monat null Neuverträge und jeden Monat gehen Kunden raus. Das geht Ketten, das geht allen Studios so. Ein Unternehmer hat es mal treffend gesagt, dass es ein Loch in einem Wassereimer gibt, wo das Wasser rausfließt. Oben kippt man Wasser nach. Seit sechs Monaten schüttet man oben gar nichts nach. Der Eimer leert sich eben.
Aber die Friseurin oder der Friseur kommen mir doch wesentlich näher als Du mir im Fitnessstudio …
Martin Rath: Herr Altmaier hat damals gesagt, dass man Kontaktbeschränkungen machen will. Das ist für mich persönlich als Kölner ein Hohn. Wenn ich rausgucke und sehe, was täglich auf der Straße los ist. Die Leute müssen im Bus oder mit dem Auto zum Studio. Und sie glauben, dass es dann im Studio knubbelt und drinnen zu viel los ist. Wie beim Friseur kann man simple Konzepte entwickeln, dass man pro Quadratmeter nur eine bestimmte Anzahl an Leuten rein lässt und die müssen dann alle eine Maske tragen. Dann wäre uns schon geholfen und wir könnten dann eine gewissen Anzahl von Personen tagsüber trainieren lassen. Warum die hohe Politik dies nicht sieht, das kann ich nicht sagen. Es hat nichts mit Gerechtigkeit zu tun, sondern mit Glück. Ist meine Branche dabei oder nicht? Schreie ich laut genug und werde gehört? Welche Lobby und welches Standing hat der Sport in der Politik?
Kannst Du denn die Verluste beziffern?
Martin Rath: Wir haben jedes vierte Mitglied innerhalb eines Jahres verloren. Ein Viertel unserer Mitglieder ist weggebrochen. Am Anfang der Pandemie waren viele Leute verunsichert und es gab direkt ein erhöhtes Kündigungsaufkommen und eine geringere Anmeldequote. Das hat sich über den Sommer ein bisschen gelockert. Im Winter hat sich das alles noch verstärkt. Aufgrund der Handlungsweisen der Politik haben die Leute auch gesagt, dass sie ja gar nicht wissen, wann man überhaupt wieder ins Fitnessstudio gehen kann und deswegen gekündigt haben. Die Schere ist dann auseinander geklappt. Wir haben Null Anmeldungen und viele Abmeldungen. Unser Kerngeschäft läuft jedoch im Winter. Deswegen haben ganz viele Ketten und Studios einen Mitgliederschwund ohne Ende.
Wie lange kannst Du noch durchhalten?
Martin Rath: Bis einschließlich Juni hat die Politik ja die Soforthilfen bereitgestellt. Wenn es im Juni geschlossen bleiben muss, dann hilft uns das sehr. Dann ist das nächste halbe Jahr entscheidend. Wenn wir wieder auf haben, ist die Frage, wie verhalten sich die Kunden? Kriegen wir wieder neue Anmeldungen? Haben wir im nächsten Winter offen oder haben wir dann wieder einen Lockdown? Das würde uns allen das Genick brechen. Wir brauchen Mitgliedschaften, wir brauchen Menschen, die sich anmelden und uns allen vertrauen. Wenn sie das Gefühl haben, wieder zum Sport gehen zu wollen, sich wieder anmelden, dann kann man das nächste halbe Jahr gut überstehen. Aber lange hält keiner mehr durch.
Wie stehst Du dazu, dass nur geimpfte oder geschützte Menschen ins Studio kommen dürfen?
Martin Rath: Wir haben ja das Hausrecht und können entscheiden, wer zu uns rein kommen darf. Jetzt ist die Frage, was ich persönlich für richtig halte und was ich für mein Unternehmen machen möchte? Ich möchte das differenzieren. Und hier muss ich es aus der Unternehmerseite sehen. Ich will Leuten das Training ermöglichen. Es ist wichtig, wie praktikabel es ist, wie alles mit Tests und Impfpässen ablaufen soll und wo dann die Verantwortlichkeit liegt. In der Praxis habe ich noch gar keine Vorstellung, wie das aussehen soll.
Wenn es die digitale App geben sollte, ist es doch ein relativ Leichtes, oder?
Martin Rath: Dann ist es einfach. Die Leute zeigen ihr Handy, man scannt den QR-Code ein, es gibt einen grünen Haken, um zu wissen, dass es auch ein Mitglied ist. Das wäre technologisch fortschrittlich. Aber ich rutsche hier in eine Zwei-Klassen-Gesellschaft, die ich persönlich nicht befürworte. Aber ich muss wieder aufmachen, um mein Unternehmen fortführen zu können. Wer soll das denn alles kontrollieren? Kommt dann das Ordnungsamt? Ist es dann so wie eine Razzia in der Disco? Alle bleiben stehen, keiner bewegt sich und jetzt wird erstmal kontrolliert, ob alle ihren Impfausweis tatsächlich dabei haben? Das ist so unrealistisch.
Gibt es denn irgendetwas Positives? Bekommst Du viel Zuspruch?
Martin Rath: Wir haben sehr loyale Kunden. Ein Großteil dieser Kunden hält uns weiterhin die Fahne. Wir kriegen sehr nette Mails. Das ist sehr positiv.
Bei den Friseuren war es teilweise so, dass sie mit Öffnungen immer teurer wurden. Kannst Du Dir es denn erlauben, teurer zu werden, wenn Ihr dann wieder öffnet?
Martin Rath: Ganz ehrlich, wir müssen teurer werden. Wir haben seit 10 Jahren den Preis nicht erhöht. Wir haben immer die Leistung gebracht. Es gab immer neue Geräte. Für Neumitglieder werden wir den Beitrag ein bisschen erhöhen. Aber diese Sonderangebote können wir nicht mehr machen, denn alles wird ja teurer. EEG-Umlage, Strom, wir betreiben zwei Saunen … wir reden bei unseren Beiträgen nur um Euro-Schritte. Aber es geht kein Weg daran vorbei. Die Mitbewerber haben alle die Preise erhöht. Das ist einfach so. Die Pandemie lässt uns keine Wahl. (CSP)
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