Marc L. Merten: „Das war uns wichtig, dass wir respektiert wurden“.
Wenn die Liebe zum Verein als Journalist groß ist, dann macht man seine eigene Online-Zeitung über „seinen“ Klub. So geschehen bei Marc L. Merten. Der gelernte Journalist verbindet somit seine Sympathien zum 1. FC Köln mit seinem Beruf als Chefredakteur des „Geißblogs“. Ein Blick hinter die Kulissen journalistischer Arbeit (www.geissblog.koeln), mal mit, aber auch mal ohne subjektive Vereinsbrille.
Marc, der „Geißblog“ ist eigentlich gar kein Blog im herkömmlichen Sinne. Es ist eigentlich eine normale Homepage, oder?
Marc L. Merten: Es ist eine normale Online-Zeitung. Ich habe mich mal mit dem Begriff des Blogs befasst und in einem Theoriewälzer hieß es, je professioneller ein Blog, desto mehr ist es eine Online-Zeitung. Wir berichten tagesaktuell über den 1. FC Köln. Das Wortspiel passt nun mal …
Der Name ist überragend und naheliegend …
Marc L. Merten: Das war einfach Glück. Wir wollten uns „der Geißbock“ nennen. Aber bevor wir online gingen, hat der FC das Fähnchen gehoben, weil sie rechtliche Bedenken hatten. Ein Kollege aus München war auf Ibiza und schickte mir nachts um Drei per WhatsApp die Idee zum „Geißblog“.
Aber vor der Namensfindung muss es einen Impuls für diese Online-Zeitung gegeben haben. Wie kamst Du auf diese Idee?
Marc L. Merten: Ich wollte privat zurück nach Köln. Ich war einige Jahre unterwegs und habe in Darmstadt und Frankfurt gelebt. Dazu noch ein Jahr in England. Und in München habe ich als „Löwenreporter“ für die Abendzeitung gearbeitet. Ich habe dort einen Kollegen kennengelernt, der hatte eine ähnliche Idee und betrieb schon damals „dieblaue24“, eine Art Online-Zeitung nur über den TSV 1860 München. Ich habe gesehen, dass so etwas auch in Köln möglich wäre. Hier gibt es den „Kölner Stadtanzeiger“, den „Express“, die „Kölner Rundschau“ und den „Kicker“ … sie alle hatten ihre Reporter für den FC. Ich wollte aber über diesen Klub schreiben. Ich dachte, wenn das in München über 1860 klappt, dann funktioniert das auch in Köln mit dem FC. Nach ein paar Gedanken habe ich dann den „Geißblog“ gegründet.
Hat der FC vor Freude in die Hände geklatscht oder waren sie sehr skeptisch?
Marc L. Merten: Da gab es schon eine gesunde Skepsis, aber ich war relativ früh beim damaligen Pressesprecher und habe ihm klar gemacht, dass es nur Sinn machen würde, wenn der Verein uns als Medium direkt von Anfang an akzeptiert. Das bedeutete, dass wir Akkreditierungen und Zugänge bekämen und dass unsere Interviewanfragen nicht negativ gesehen würden. Wenn die damals komplett die Tür zugemacht hätten, dann hätte ich mir das Ganze gut überlegen müssen. Aber der Klub hat dann mitgeteilt, dass er uns nicht im Wege stehen würde. Das war uns wichtig, dass wir respektiert wurden.
Seit fast 6 Jahren gibt es Euch jetzt. Wie hat sich der „Geißblog“ entwickelt?
Marc L. Merten: Seit Sommer 2015 gibt es den „Geißblog“. Das war damals die zweite Saison unter Peter Stöger. Da ging es sehr erfolgreich los. Wir waren relativ schnell etabliert und haben bei den Fans einen Fuß in die Tür bekommen. Zurzeit haben wir täglich rund 30.000 Leser, eine schöne Stammleserschaft, denn um auch Geld zu verdienen, brauchen wir eine entsprechende Reichweite. Den sportlichen Abstieg haben wir ganz gut überstanden. Die Pandemie hat uns wie auch so viele andere Medien getroffen. Wir sind auf einem guten Weg mit zwei Festangestellten plus drei Reportern, die viel im Nachwuchs unterwegs sind.
Wie viele neue Geschichten habt Ihr denn jeden Tag? Abschreiben macht ja keinen Sinn … wie sieht es mit exklusiven Stories aus?
Marc L. Merten: Normalerweise haben wir fünf Geschichten pro Tag. Damit meine ich nicht irgendwelche Instagram-Geschichten, sondern selbstrecherchierte Inhalte. Dadurch, dass die A- und B-Junioren nicht spielen, fallen uns einige Geschichten aktuell natürlich weg.
Wenn man bei Euch arbeiten will, dann muss man durch und durch FC-Fan sein?
Marc L. Merten: Das muss man nicht … wir haben auch schon mit Reportern zusammengearbeitet, die anderen Vereinen näher standen. Aber irgendwie braucht man schon die Leidenschaft für den FC. Es widerspricht sich auch nicht, dass man Fan vom FC ist und gleichzeitig über den Klub berichtet. Wir wissen, wie sich der Fan fühlt, aber da wir auch ausgebildete Journalisten sind, wissen wir auch, dass es wichtig ist, sich mal einen Schritt zurückzunehmen. Dann nimmt man alle Emotionen beiseite und schaut, wie es wirklich aussieht, wenn man objektiv auf Fakten guckt.
Wenn es sportlich nicht so gut läuft, dann muss auch mal Kritik fallen. Wie objektiv könnt Ihr da sein?
Marc L. Merten: In den letzten zwei Jahren lief es nicht besonders. Und da muss man sich auch hinterfragen, ob man manchmal zu kritisch ist und sich von seinen Emotionen treiben lässt. Klar sind wir auch mal kritischer als andere, aber wir haben auch Ansätze, die sagen, dass es in jedem Schlechten auch etwas Gutes gibt. Wir hauen dann nicht einfach drauf und sagen eher, was vielleicht Mut macht. Diese Ausgewogenheit braucht es. Das wird uns auch von den Fans vorgeworfen, dass wir in einer kritischen Zeit nicht kritisch genug sind. Aber gerade Polemik wird uns von der Vereinsseite schnell mal vorgeworfen. Armin Veh war als Sportdirektor so jemand, der gerne diese Karte gezogen hat. Da dann den Finger Richtung Medien zu heben ist zu einfach.
Was sagen denn die „Blätter“ am Markt? Steht Ihr im Wettbewerb, seid Ihr Konkurrenten, belächeln sie Euch oder nehmen sie Euch ernst?
Marc L. Merten: Wahrnehmen tun sie uns auf jeden Fall. Das ging relativ schnell, weil wir schon 2015 mit ein paar Geschichten online gegangen sind, die sie geärgert haben. Beispielswiese wusste ich vier Wochen, bevor der „Geißblog“ online gehen konnte, dass der FC Milos Jojic verpflichten wollte. Wir hatten es geschafft, dass wir mit dieser Meldung als einzige online gehen konnten. Das hat natürlich alle sofort genervt. Das Konkurrenzdenken ist immer da, aber wir haben in Köln eine sehr nette Kollegialität untereinander.
Wie finanziert Ihr Euch? In diesen Zeiten sicher nicht leicht …
Marc L. Merten: Nein, zurzeit ist es echt nicht leicht. Wir waren nahezu komplett abhängig vom Werbemarkt. Wir versuchen uns seit einem Jahr auf mehrere Säulen aufzustellen, so dass wir die Verluste etwas abfedern können. Die Pandemie hat uns hart getroffen. Während der zweimonatigen Spielunterbrechung vor einem Jahr hatten die Menschen ganz andere Sachen im Kopf als Fußball, den es ja auch dann nicht mehr gab. Es gab auch nicht viel, worüber man hätte berichten können. Das Interesse war extrem zurückgegangen, damit auch unsere Einnahmen. Wir hatten bis zu 90 Prozent Umsatzeinbrüche. Da mussten wir kämpfen, sind aber jetzt durch, obwohl sich der Werbemarkt noch nicht erholt hat.
Du sagtest, dass Ihr täglich rund 30.000 Leser habt. Eure Zielgruppe ist auch relativ eindeutig, nämlich Menschen, die sich für den 1. FC Köln interessieren. Ist es schwierig, eine Online-Zeitung zu leiten, wenn man weiß, dass die Zahl der Leser endlich ist?
Marc L. Merten: Wir haben 30.000 Leser, der FC hat knapp 112.000 Mitglieder. Allein da ist schon eine große Spanne. Dem FC folgen bei Facebook knapp 700.000 Menschen. Wenn ich nur von den Zahlen rundum den FC ausgehe, weiß ich, dass wir noch Potential haben. Wenn ich es mit ähnlichen Formaten bei anderen Vereine vergleiche, wie zum Beispiel „Der Betze brennt…“ vom 1. FC Kaiserslautern, der seit 20 Jahren am Markt ist, die haben eine vielfache Reichweite von dem, was wir so haben. „dieblaue24“ in München ist aktuell doppelt so groß wie wir. Ich gehe davon aus, dass der „Geißblog“ noch lange nicht das Ende erreicht hat.
Ihr vergrößert Euren Content mit Podcasts und Talkrunden. Was plant Ihr in der Zukunft noch alles?
Marc L. Merten: Wir müssen Podcasts machen, weil er wieder andere Menschen erreicht. Wir müssen in den sozialen Netzwerken viel aktiver sein. Wir müssen neue Formate anbieten und uns vielleicht mal mit TikTok, Twitch oder anderen Kanälen auseinander setzen. Wir haben noch lange nicht alle Kanäle ausgeschöpft.
Für die, die es nicht wissen, Du bist als Leon Sachs auch ein hervorragender Schriftsteller im Segment Krimi/Thriller. Du hast drei tolle Bücher geschrieben. Wenn Du schon über 5 Jahre den FC ganz eng verbunden bist, schreib doch mal ein Buch über den 1. FC Köln …
Marc L. Merten: Nein, deswegen habe ich mir auch ein Pseudonym gegeben, weil ich die beiden Welten echt trennen will. In „Eleven“ gab es mal einen kleinen Bezug zu Crystal Palace im Süden Londons. Als ich mal zu einem Spiel gegangen bin, dachte ich, dass in diesen Gassen einmal von mir etwas spielen muss. Ansonsten würde ich den Fußball aus meinen Büchern raushalten wollen. (OD)
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