Lukas Tobler: „Das Überwinden seiner Grenzen als unwiderrufliche Entscheidung“.
Lukas Tobler ist ehemaliger Spitzenathlet aus der Schweiz und heute ein gefragter Bewusstseinstrainer. Mit seinem Wirken ermöglicht der Autor seinen Klienten, sich aus ihrer inneren Gefangenschaft zu befreien, tiefes Vertrauen in sich zu gewinnen und ihre wahre Größe zu entfalten. Der Start ihrer aufregenden Reise hin zu einem bewussten, freien und glücklichen Leben. Mehr dazu unter www.lukastobler.com.
Herr Tobler, Sie sind unter anderem Mentaltrainer und aus dieser Sichtweise heraus haben Sie zum Karriereende von Roger Federer eine Analyse über den „Mozart des Tennis“ gemacht. Zu welchen Erkenntnissen sind Sie kommen?
Lukas Tobler: Eigentlich haben sich für mich acht klassische Erfolgsmerkmale herauskristallisiert, die sich in drei übergeordnete Themenbereiche einteilen lassen.
Erstens, die innere Haltung: Obwohl sich Roger Federers Einstellung im Laufe der Karriere stark entwickelte, brachte er einige wichtige Bausteine mit. Dazu zählen der Spaß am Spiel, der Siegeshunger sowie die Bereitschaft, selbstverantwortlich zu handeln und sich nicht nur als Sportler, sondern als Mensch gezielt und vor allem kontinuierlich weiterzuentwickeln. Zweitens, das Umfeld: Es ist kein Geheimnis, dass Roger Federer sein Umfeld, insbesondere seine Ehefrau, öffentlich als die entscheidende Stütze für seinen Erfolg nennt und in der Tat ist ein positives Umfeld entscheidend für den langanhaltenden Erfolg. Roger Federer beließ es aber nicht nur bei sich selbst, sondern er lernte recht früh von seinen Eltern, dass Erfolg keine Einbahnstraße ist. Darum legt er bis heute sehr großen Wert darauf, durch positive Beiträge etwas zurückzugeben. Kurzum stand er nicht nur auf den allergrößten Podesten der Tenniswelt, sondern er erschuf sich dadurch ein solides Fundament für fortwährende Erfüllung. Drittens, der Umgang mit Emotionen und Druck: Die Art und Weise, wie Roger Federer mit Emotionen sowie Druck umging, war überaus beeindruckend. Gleichzeitig bildet diese Fähigkeit die wichtigste Grundlage, um in sportlicher Hinsicht nicht nur den Durchbruch, sondern stetige Erfolge zu schaffen.
Roger Federer taugte in jungen Jahren eher weniger zum Vorbild. Irgendwann hat der Rekordsieger von Wimbledon im Kopf einen 100-prozentigen Wandel vollzogen. Kann jeder Mensch solch einen mentalen Wandel vollziehen?
Lukas Tobler: Dieser Wandel ist tatsächlich bemerkenswert und für Roger Federer war es, wie für viele Sportlerinnen und Sportler, das Tor zu seinem großen Erfolg. Für viele Menschen ist eine solche Entwicklung wenig greifbar oder sie schieben es auf Glück, angeborene Fähigkeiten oder sonstige Begebenheiten. Einer der Gründe ist sicherlich, dass der richtige Umgang mit Emotionen leider weder in Schulen noch Sportvereinen umfassend unterrichtet beziehungsweise als optionaler Erfolgsfaktor gesehen wird. In Wirklichkeit ist jeder Wandel in erster Linie ein mentaler Wandel, doch die wenigsten Menschen sind sich weder dessen bewusst, noch setzen sie im menschlichen Geist an. Darum kann wirklich jeder Mensch, der bereit dazu ist, diese Schritte diszipliniert umzusetzen, solch einen Quantensprung für sich bewirken. Es scheitert also nicht an den persönlichen Voraussetzungen, sondern viel mehr an der fehlenden Kenntnis und Bereitschaft, sich auf den Wandel einzulassen. Auch wenn es bei manchen Sportlerinnen und Sportlern scheinbar ohne gezielte Bemühungen „Klick” macht, sieht der Weg für die restlichen 99 Prozent anders aus: Sie müssen täglich an ihrer mentalen Einstellung feilen und sie immer mit den richtigen Schritten kontinuierlich weiterentwickeln. Dieser Weg steht allen Menschen offen.
Ticken Spitzensportlerinnen und -sportler in der Regel eigentlich identisch?
Lukas Tobler: Es gibt durchaus so etwas wie einen roten Faden, der sich aus der inneren Einstellung und den daraus resultierenden Verhaltensweisen ergibt. Aber gleichzeitig muss ich meine Beobachtung differenzieren, denn es gibt Unterschiede zwischen der absoluten Weltspitze und den dahinter platzierten Sportlerinnen und Sportlern. Der Sprung an die Spitze ist nicht mit einem eisernen Willen, Disziplin und unermüdlichem Training getan. Was die allerbesten Sportlerinnen und Sportler eint, ist ihre unschlagbare Einstellung. Darum finde ich es oft sehr schade, wenn ich von Sportlerinnen und Sportlern lese, die sich abmühen, ohne ihren Kopf in den Griff zu kriegen beziehungsweise nicht offen sind für Mentaltraining. Es hat sich sowohl im Sport als auch in anderen Bereichen unserer erfolgsorientierten Gesellschaft diese Meinung gefestigt, dass Erfolg die Folge harter Arbeit ist. Was definitiv unvollständig ist. Wenn ein Profi Jahre lang diszipliniert in die falsche Richtung läuft, wird er trotz seines unermüdlichen Einsatzes das Ziel verfehlen. Und diese innere Kurskorrektur nehmen die besten der Welt meist unbewusst vor. Sie richten sich geistig auf ihr Ziel aus und bewegen sich dann geduldig mit kontinuierlichen Schritten darauf hin. Die restlichen Sportlerinnen und Sportler sind der Meinung, dass sie auf Kurs sind und lassen sich dabei nicht eines Besseren belehren. Wir brauchen Gemeinsamkeiten also nicht in den oft zitierten äußeren Erfolgsfaktoren zu suchen, sondern vor allem in der inneren Einstellung eines Profis … genau hier gibt es große Abweichungen.
Sie sind auch Mentor für Spitzensportlerinnen und -sportler. Wahrscheinlich habe ich den Begriff falsch abgespeichert, aber was ist hier ein Mentor?
Lukas Tobler: Als Mentor begleite ich Sportlerinnen und Sportler rund um die Uhr, denn Leistungssport spielt sich nicht alleine nur im Training oder im Wettkampf ab; Leistungssport fließt in die Familie, Beziehungen und die Freizeit … in das gesamte Leben. Hier zeigen sich Erfolgshürden, die nicht erst überwunden werden sollten, wenn eine Sportlerin oder ein Sportler verletzt ist, einen Tiefpunkt oder ein Plateau erreicht hat, sondern zuvor. Oft geht es im Mentoring darum, Ängste sowie Zweifel aufzulösen oder Selbstwert sowie Selbstvertrauen aufzubauen. Das Augenmerk ruht dazu auch auf anderen verborgenen Erfolgsblockaden, die bei allen zu finden sind. Nur ein paar Beispiele dafür wären negative Überzeugungen, unterdrückte negative Emotionen, Beziehungsprobleme oder selbst die unerkannte Angst vor dem Siegen. Hier ist es wichtig zu verstehen, dass es im Mentoring nicht um die Aufarbeitung der Vergangenheit oder dem Analysieren von Problemen, sondern den Durchbruch auf die nächste Ebene von Fortschritt, Erfolg sowie Erfüllung geht. Obwohl ich seit über einem Jahrzehnt Menschen bei ihrem persönlichen Wachstum unterstütze, lerne ich
selbst immer wieder neue Facetten kennen, die den Erfolg erschweren oder sogar
verunmöglichen können. Wichtig ist das Verständnis, dass selbst ein Roger Federer nicht davor gefeit ist, denn auch er befindet sich beispielsweise in einem stetigen Entwicklungsschritt, der neue Hürden hervorbringt. Interessant ist dabei, dass sich ausgerechnet die besten der Welt einen Mentor an ihre Seite holen, während aber weniger erfolgreiche oder angeschlagene Sportlerinnen und Sportler der Meinung sind, es alleine schaffen zu müssen. Dahinter verbirgt sich natürlich die Angst, nicht gut genug zu sein, was übrigens ein weiteres universelles Muster darstellt, das sehr vielen Sportlerinnen und Sportlern das Leben nur unnötig schwer macht.
Hat eigentlich jeder Mensch das Potenzial in sich, die gesteckten Grenzen zu überwinden? Und was sollte man auf solch einem Weg, unbedingt beachten?
Lukas Tobler: Ja. Die einzige Voraussetzung ist das brennende Verlangen, es zu wollen. Ich bin mir durchaus bewusst, dass diese Aussage viele Menschen vor den Kopf stoßen wird, denn wer möchte sein Ziel nicht erreichen? In Wirklichkeit gibt es einen großen Unterschied zwischen „sich ein Ziel zu wünschen” und für „ein Ziel zu brennen“. Letzteres ist die bekannte positive Besessenheit, die einen Menschen zu beinahe unermesslichen Kräften sowie Ausdauer verhilft. Gleichzeitig ist genau dies die Stelle, an der die meisten Menschen scheitern beziehungsweise wo sich zeigt, dass lediglich ein Interesse am Ziel, aber kein Gefühl von Verpflichtung vorhanden war. Wer seine Grenzen überwinden möchte, muss in erst Mal eine unwiderrufliche Entscheidung fällen, es zu tun. Also keine Hintertür wird offengelassen, sondern nur Ergebnisse werden toleriert. Zu diesem Schritt sind wenige bereit, denn das heißt, dass sie die Komfortzone verlassen müssen. Das braucht sehr, sehr viel Mut. Mut ist nichts anderes, als die Bereitschaft, Unsicherheit zu ertragen. Was natürlich einen Interessenkonflikt zwischen dem menschlichen Bedürfnis nach Sicherheit und dem Bedürfnis nach Wachstum auslöst. Kein Mensch hat jemals in seiner bestehenden Komfortzone bemerkenswerte Sprünge vollzogen. Wachstum findet allein außerhalb des Bekannten statt und führt immer zu einem großen Maß an innerer Unsicherheit. Natürlich überwinden auch Menschen, die nicht bereit sind, den gewohnten Rahmen zu verlassen, gewisse Grenzen. Dabei handelt es sich aber um Grenzen und Ziele, die sie bemessen können und die für sie daher wenig bedeutsam sind. Und die sie langfristig nicht befriedigen werden. Die Entwicklung vom jungen Talent zur echten
Weltklasse braucht sehr viel Mut und vor allem die Bereitschaft, emotionale Risiken einzugehen. Zusammengefasst ist das Überwinden seiner Grenzen also immer eine unwiderrufliche Entscheidung, die aufgrund eines inneren Verlangens gefällt wird, gefolgt von mutigen kontinuierlichen Schritten sowie der ständigen Optimierung der inneren Einstellung und Transformation negativer Emotionen und Gefühlen. (TX)