Leonie Beck: „Ich bin Schwimmerin, am Ende legt man eher noch drauf“.
Bei den Spielen in Rio war Leonie Beck noch Beckenschwimmerin, inzwischen hat die gebürtige Augsburgerin den Wechsel ins Freiwasser erfolgreich vollzogen. Bei der Weltmeisterschaft in Budapest holte Leonie Beck mit der Staffel zu Gold. Nach Tokio gelang der Master in Medienkommunikation. Die Deutsche Sporthilfe hat die 25-jährige nun als „Sport-Stipendiatin oder -Stipendiat des Jahres 2022“ nominiert.
Leonie, in Tokio fehlten Dir nur 2,6 Sekunden zu Bronze. Wie bewertest Du die Situation heute mit etwas Abstand?
Leonie Beck: Ich war sehr zufrieden mit dem Rennen und hatte auch richtig Spaß … das ist mir über 10 Kilometer noch nie passiert. Leider haben mir die Kräfte auf der letzten halben Runde etwas gefehlt, aber ansonsten war es das beste Rennen meiner bisherigen Karriere. Gewissermaßen war es ein Wendepunkt für mich, weil ich zu Beginn meiner Laufbahn noch im Becken unterwegs war und nun verstanden habe, wie Freiwasser funktioniert und das nötige Selbstvertrauen gewonnen habe.
Die Spiele fanden ein Jahr später statt als ursprünglich geplant. Wie hast Du diese mentale Herausforderung gemeistert?
Leonie Beck: Das größte Problem war, dass in der Vorbereitung die Wettkämpfe gefehlt haben und ich noch nicht so lange im Freiwasser unterwegs war. Es ist eine sehr erfahrungsgeprägte Sportart. Darüber hinaus bewundere ich die Sportler, die von sich gesagt haben,sie seien während dieser Pandemie hochmotiviert gewesen. Ich hatte nicht so viele Hochs. Wenn man über Wochen nicht trainieren kann und im Trainingslager nicht einmal rausgehen darf, dann ist das mental nicht einfach. Mein Studium hat mir hier geholfen, eigentlich wollte ich zwischen Bachelor und Master ein Jahr aussetzen, um mich auf Olympia vorzubereiten. Aber zum Glück habe ich mich dagegen entschieden, konnte die freie Zeit mehr ins Studium investieren.
Nach einem so langen Zyklus fallen viele Leistungssportlerinnen und -sportler erst einmal in ein Loch. Der Fokus geht ein wenig verloren. Wie ist es Dir nach Deinen zweiten Spielen ergangen?
Leonie Beck: Nach den Olympischen Spielen habe ich mich unmittelbar an meine Masterarbeit gesetzt, die fertig werden musste. Vor Tokio war noch nicht eine Seite geschrieben. In der Woche vor Tokio hatte ich noch meine Online-Umfrage gestartet und die Daten erhoben, aber danach musste ich mich dann zu 100 Prozent auf mein Rennen konzentrieren. Gerade dieser „Stress“, meine Masterarbeit fertig zu kriegen, hat mich wohl vor einem mentalen Loch bewahrt. Für meineTrainingsarbeit belohnt wurde ich dann noch im Dezember mit dem Sieg beim Weltcupfinale in Abu Dhabi.
Deine Thesis hast Du über „Body Positivity“ bei Instagram erstellt. Wie muss man sich Deine Tage nach Tokio vorstellen?
Leonie Beck: Nach dem Rennen habe ich mir ein paar Tage freigenommen, die ich bei meiner Oma am Ammersee verbracht habe. Zudem habe ich mir noch meinen Traum erfüllt und mir die Ringe auf den Unterarm stechen lassen. Anschließend saß ich zwei Wochen lang den ganzen Tag an der Masterarbeit, habe erst die Statistik ausgewertet und dann im Akkord schließlich Seite für Seite runtergeschrieben. Und wenn man das konzentriert und strukturiert erledigt, sein Ziel verfolgt, ist das fast wie im Sport, dann funktioniert es auch. Natürlich muss man stets positiv bleiben.
Wieso ist es Dir so wichtig, schon während der aktiven Laufbahn für die Zeit nach der Karrierevorzusorgen?
Leonie Beck: Ich will unbedingt neben dem Sport ein zweites Standbein haben. Einerseits, um im Kopf nicht verrückt zu werden, wenn man nur auf den Sport fixiert ist. Und andererseits auch, um eine Ausbildung, einen Abschluss in der Tasche zu haben. Ich freue mich, wenn ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, jüngeren Athletinnen und Athleten ein Vorbild zu sein, wie man Sport und Ausbildung schafft.
Dabei bekommst Du Unterstützung von der Deutschen Sporthilfe, bereits vor elf Jahren wurdest Du das erste Mal gefördert, und von der Deutschen Bank. Was bedeutet Dir diese Form des Vertrauens?
Leonie Beck: Die Sporthilfe ist über die Jahre gesehen mein größter Sponsor, ohne sie wäre es nicht möglich, mein Leben so zu leben, wie ich es tue. Und ich finde es sehr cool, dass es das Deutsche Bank Sport-Stipendium gibt. Auch dieses regt die jüngeren Sportlerinnen und Sportler dazu an, neben Leistungssport etwas anderes zu machen, um nicht ohne Plan zu sein. Wir sind keine Tennis- oder Fußballprofis, ich bin immer noch Schwimmerin und da legt man am Ende eher drauf. Wenn man das aber trotzdem professionell machen möchte, dann braucht man die finanzielle Unterstützung. Deswegen bin ich dafür seit Jahren wirklich äußerst dankbar!
Aktuell lebst Du in Italien, wo Du mit bei einer der stärksten Trainingsgruppen trainierst. Was war der Auslöser?
Leonie Beck: Nach den Spielen habe ich entschieden, dass ich ein Auslandsjahr in Italien mache. Wenn man so eine Möglichkeit hat, dann sollte man sie auchnutzen, dachte ich mir. Schon davor habe ich in einem Trainingslager mit den sehr starken Italienerinnen und Italienern trainiert. Der Kontakt war auch danach immer wieder da, nun haben sie mich dann längerfristig nach Italien eingeladen (Deutsche Sporthilfe/TX)
Foro: Copyright Deutsche Sporthilfe