Julia Taubitz: „Ich freue mich auf meinen ersten Wettkampf in der Saison“.
Erst am 3. Dezember beginnt für die Rennrodlerinnen und Rennrodler die Saison, mit dem Höhepunkt in Oberhof. Bei der Heim-WM sind die deutschen Athletinnen und Athleten gefordert. Julia Taubitz peilt zumindest eine WM-Medaille an. Aber im Interview äußert die Einzel-Weltmeisterin 2021 auch, den Gesamtweltcup gerne zu verteidigen. Das ganze Interview unter: www.youtube.com/watch?v=YIJ6upATSx8.
Es heißt: Gute Wintersportler werden im Sommer gemacht. Wie haben Sie den Sommer verbracht?
Julia Taubitz: Die Aussage trifft auf jeden Fall zu. Viele denken, dass Wintersportler im Sommer eher ihr Leben genießen und auf der Couch liegen. Aber im Sommer steht ganz, ganz viel Athletik bei uns auf dem Programm. Also da werden eigentlich die Muskeln für die Saison geschaffen. Denn im Winter sehen wir den Kraftraum nur noch selten, da wird gerodelt.
Wir fangen also mit generellen Kraftübungen und Konditionstraining an, steigern uns dann in maximale Kraft und Schnellkraft. Dann haben wir noch zwei Lehrgänge, wo wir endlich auch mit dem Eis in Kontakt kommen. Jedoch wird nicht gerodelt, es ist vor allem für den Startablauf.
Im Sommer selbst gibt es aber auch eine kleinere Sommerpause von zwei Wochen. Da dürfen wir unseren Urlaub einfach auch einmal genießen. So zieht der Sommer für uns in etwa durchs Land.
Die neue Saison beginnt erst am 3. Dezember. Was steht bis dahin noch alles auf dem Programm?
Julia Taubitz: Tatsächlich haben wir am 2. Oktober mit dem Rodeln in Norwegen angefangen. Wir haben in diesem Jahr eine sehr lange Vorbereitungsphase auf die Weltcup-Saison. Durch die schöne Fußball-Weltmeisterschaft in der Wüste beginnt unsere Saison nämlich erst im Dezember. In der Vorbereitung geht es allein darum, wieder das Gefühl für den Schlitten und die Bahn zu bekommen. Danach folgt noch ein ziemlich straffes Qualifikation für das Weltcup-Team. Aus sieben Frauen müssen vier Starterinnen für den Weltcup gefunden werden.
Bahn ist ja nicht gleich Bahn. Hat man als professionelle Rodlerin überhaupt eine Lieblingsbahn?
Julia Taubitz: Tatsächlich hatte ich eine Lieblingsstrecke: Königssee. Doch leider wurde die Strecke im vergangenen Jahr bei dem Hochwasser zerstört. Der Aufbau gestaltet sich ziemlich schwierig und langwierig. Ich weiß also nicht, ob ich dort in meiner Karriere noch einmal rodeln werde. Aber ich habe mir überlegt, ich bräuchte eine neue Lieblingsbahn … tatsächlich wurde es Peking. Die Bahn in China ist sehr anspruchsvoll und jeder Lauf dort war voller Aufregung. In meinem Fall eine echte Achterbahn der Gefühle.
Gut, bleiben wir kurz bei den Olympischen Spielen. Man ist die Schnellste. Die Zeiten wurden immer besser und dann der Sturz. Wie lange beschäftigt einen solch ein Desaster?
Julia Taubitz: Ich denke, der Prozess läuft immer noch. Es war mein Traum … also ich hatte drei große Ziele: Den Gesamtweltcup gewinnen, Weltmeisterin werden und irgendeine Medaille bei den Olympischen Spielen zu holen. Und dann platzt dieser Traum, durch einen minimalen Fahrfehler, der nur Zehntel gedauert hat … das tut schon weh. Die ersten Wochen danach waren schon ziemlich schwierig. Ich war in einem kleinen Loch, ganz ehrlich. Aber leider stimmt auch der Ausspruch, dass man aus Rückschlägen lernt. Und heute ist die Motivation bei mir dadurch umso größer. Aber trotzdem hält der ganze Prozess immer noch an.
Es hat aber auch gut getan zu sehen, wie viele Menschen hinter einem stehen. Im Erfolg kommen alle angerannt, bei Misserfolg sieht man, wer wirklich hinter dir steht. Es war schön, dieses Umfeld richtig gespürt zu haben.
Gold ging trotzdem nach Deutschland. Kann man sich in dem Moment mit der Teamkollegin freuen?
Julia Taubitz: Das ist tatsächlich ziemlich schwer, so als Einzelsportlerin. Aber ich habe mich in dem Moment trotzdem doppelt mit den Kolleginnen gefreut, über zwei Medaillen für Deutschland.
Ich habe die beiden Mädels am Abend dann auch empfangen, mit Konfetti und Bier. Auf der einen Seite freut man sich ganz, ganz ehrlich mit, auf der anderen Seite tut es trotzdem weh. Man würde auch gerne da vorne stehen und sich feiern lassen … man sitzt mit einem weinenden Auge dabei und versucht das alles zu verarbeiten. Was geschehen ist, ist schwierig gewesen, aber ich konnte mich trotzdem ehrlich für die beiden Mädels freuen.
Das klingt danach, dass da noch eine Rechnung offen ist. Damit ist 2026 wohl definitiv ein Fernziel?
Julia Taubitz: Ganz genau. Das ist das große Ziel!
Zur anstehenden Saison hat sich einiges getan im Starterfeld. Was sind denn die Ziele für 2022/23?
Julia Taubitz: Ich will erst einmal wieder meine alte Stabilität in den Wettkämpfen finden. Mein letzter Wettkampf war Olympia … von daher freue ich mich auf meinen ersten Wettkampf. Es kribbelt schon. Und dann muss man schauen, aber natürlich würde ich gerne den Gesamtweltcup verteidigen. Dann steht in diesem Winter auch noch die Heim-WM in Oberhof auf dem Programm. Also eine Weltmeisterschaft an meinem Trainingsstützpunkt. Seit vier Jahren trainiere ich dort, es ist mittlerweile so etwas wie meine zweite Heimat geworden. Von daher wäre eine WM-Medaille dort natürlich schon ein Ding!
Ziele, die ohne die Bundeswehr als Sportsoldatin wahrscheinlich in der Form nicht möglich wären?
Julia Taubitz: Die Bundeswehr ist sehr, sehr wichtig für uns Sportsoldaten. Also ich würde behaupten, ohne die Bundeswehr könnte ich meinen Sport so nicht ausüben und wäre auch nicht so weit gekommen. Wir haben den finanziellen Rückhalt und auch den medizinischen Rückhalt, dürfen uns zu 100 Prozent auf Sport fokussieren. Ich persönlich finde, mit Blick auf die Förderung und die weiteren Möglichkeiten, ist die Bundeswehr für Sportlerinnen und Sportler der beste Arbeitgeber in Deutschland. Man kann sich wirklich komplett auf den Sport konzentrieren und nach der Karriere hat man außerdem auch noch eine stabile Absicherung. Man kann die beruflichen Perspektiven in jegliche Richtung zu entwickeln.
Seit dem 24. Februar ist der Krieg ein akutes Thema. Was passiert bei einer militärischen Notlage?
Julia Taubitz: In erster Linie bin ich Sportlerin und präsentiere die Bundeswehr über meine sportlichen Leistungen. Aber auf der anderen Seite bin ich Soldatin. Wenn es bei uns zu einer Notsituation käme, gehe ich meinem Job nach und verteidige dann auch mein Land. Das ist irgendwo mein Beruf. Ich habe die Ausbildung und müsste das Land verteidigen. (TX)
Foto: Julia Taubitz Copyright Facebook