Jonas Wohlfarth-Bottermann: „Es wäre schon schön, mal Meister zu werden“.
Der Center der MHP Riesen Ludwigsburg ist nicht nur durch seinen Namen in der Basketballwelt in aller Munde. Jonas Wohlfarth-Bottermann, kurz genannt „WoBo“, ist zweimaliger Pokalsieger, dreimaliger Vizemeister und steht nach der Hauptrunde mit den MHP Riesen Ludwigsburg an der Tabellenspitze der BBL. Mit Stefan Koch und Oliver Dütschke spricht „WoBo“ über seinen Namen, einen Hexer, seine Ziele.
Jonas, die meist gestellte Frage ist sicherlich nach Deinem Künstlername. Wer kam wann und wo auf „WoBo“?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Das ist eine gute Frage. Mein Nachname geht auf vier Generationen zurück. Väterlicherseits gibt es eine Geschichte zum Namen. Es gibt tatsächlich eine Bottermann-Straße in Witten, wo die Familie herkommt. Mein Ur-Ur-Großvater war der letzte Hexer, der in Deutschland auf einem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Ein tragisches Ereignis, aber zu Ehren gab es eine Straße, welche nach ihm benannt wurde. Vor ein paar Jahren habe ich mal Unterlagen von meiner Tante bekommen bezüglich meines Großvaters, der starb als ich 7 oder 8 Jahre alt war. Er war Professor für Mikrobiologie in Bonn. Als er verabschiedet wurde, gab es ein Schreiben mit dem Zitat Karl Ernst Wohlfarth-Bottermann, genannt WoBo. Das fand ich lustig. Mein Großvater wurde also auch schon so genannt.
Gab es denn mal ein Trikot, wo Dein kompletter Nachname drauf stand?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Ja, tatsächlich. Als ich damals angefangen habe, auf höherem Niveau zu spielen, als noch der Name gedruckt wurde. Auf meinem ersten U18-Nationalmannschaftstrikot stand ein Zweizeiler.
Du hast als erstes in Roleber gespielt. Wo ist denn das?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Roleber ist ein Teil von Bonn. Dort bin ich bei einem kleinen Verein erstmals zum Basketball gekommen als ein damaliger Mitschüler mich zum Training mitgenommen hat.
Da warst Du schon 15. Der Klassiker, ein groß gewachsener Junge muss zum Basketball gehen?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Ich habe lange Fußball gespielt. Ich habe fast alles ausprobiert, ich habe auch Badminton gespielt. Meine Mutter hat mir die Prämisse gegeben, wenn ich am Computer oder Playstation spielen will, dann muss ich auch ein anderes Hobby haben. Ich war sehr sportaffin und schon auf vielen Umwegen. Mit 15 war ich schon sehr groß, so über 1,95 m. Der Mitschüler und mein damaliger Klassenlehrer haben immer gepredigt, dass ich es probieren sollte. Ich bin beiden extrem dankbar, denn ohne Basketball würde ich ein ganz anderes Leben führen.
Welches Leben denn?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Oh, das ist schwer. Ich bin allgemein an sehr vielen Dingen interessiert. Mein allererstes Praktikum in der 5. Klasse habe ich im Büro für Umweltanalytik gemacht. Wahrscheinlich hätte ich wohl irgendetwas studiert, dann in einer Behörde gesessen oder in einem wissenschaftlichen Institut.
Du wohnst etwas von Ludwigsburg entfernt, eher so im ländlichen Bereich. Bist Du ein Naturbursche?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Es wird ja oft erwähnt, dass ich angeln gehe. Das ist ja auch in der Natur. Aber ich habe schon einen gewissen Hang dazu, Städte zu mögen. Ich bin in Bonn aufgewachsen, nach Berlin gegangen, ein halbes Jahr Ulm, dann zwei Jahre Frankfurt. Mir gefallen Städte. Gerade in dieser Pandemie habe ich hier das Ländliche aber schätzen gelernt. Das Schwabenland ist schon sehr schön.
Auf Deinem Instagram-Account findet man schon modellmäßige Bilder. Bist Du eigentlich eitel?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Ich versuche meine Außendarstellung schon so zu produzieren, wie ich das auch von anderen, die mir sympathisch sind, sehe. Es gibt inzwischen so viele unangenehme, bescheuerte Dinge und Trends in der Social-Media-Welt. Ich denke, dass, was ich poste, gibt meine Persönlichkeit auch ganz gut wieder. Ich würde mich nicht als eitlen Menschen bezeichnen. Mir ist bewusst, wenn man etwas postet, dann hat man eine Verantwortung. Ich muss jetzt keine Tik-Tok-Challenge machen, wo ich tanzen soll. Das wäre mir unangenehm.
Kommen wir einmal zum sportlichen Aspekt. In Berlin wurdest Du ja zweimal Pokalsieger unter Sasa Obradovic. Es heißt, dass es unter ihm besonders hart sein soll. Klischee oder Wahrheit?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Das ist eher Wahrheit als Klischee. Die Zeit bei Sasa wird eine der prägendsten Zeiten bleiben. Ich habe auch auf deutscher Seite viele unterschiedliche Trainertypen gesehen. Alle waren auf ihre eigene Art mit sehr verschiedenen Ansätzen auch erfolgreich. Aber Sasa war mit seiner serbischen, harten Schule das tougheste, härteste, was ich bisher erlebt habe.
Meinst Du was Training angeht oder was die Kommunikation zwischen Coach uns Spieler betrifft?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Alles. Jeder wirklich erfolgreiche Trainer ist in allen Bereichen extrem akribisch und hat seine Prioritäten. Für Sasa stand Fleiß, Disziplin und harte Arbeit an erster Stelle. Das war dann der Trainingsumfang und die Art des Trainings. Speziell war auch die Mentalität, die er vertritt. Das war schon besonders. Da geht es auch um Sachen, die außerhalb vom Basketball sind, an die er einfach glaubt. Basketball ist sein Leben. Das wollte er auch von den Spielern, weil du dein Geld verdienst, deine Familie ernährst. Es ist harte Arbeit. ihm war die Ernsthaftigkeit extrem wichtig. Man durfte bei Auswärtsfahrten teilweise nicht miteinander sprechen und rumflachsen. Ruhe war hier angesagt, fokussiert sein. Je näher das Spiel kam, umso härter wurde diese Stimmung. Ich habe gelernt, dass es viel Kopfsache und Psychologie ist. Du kannst deine Performance extrem über den Kopf beeinflussen. Ich kenne wahrscheinlich jedes serbische Schimpfwort und Sasa gibt dir eher die Militärtugenden mit, dass du wie ein Soldat auf dem Feld stehst und hart spielst.
War Deine Zeit mit der schweren Knieverletzung die schwierigste Zeit in der Karriere und warum bist Du dann ausgerechnet in Ulm gelandet?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Das war durchaus meine schwerste Zeit. Sasa hat Recht, das Leben ist Basketball. Und in dem Moment wurde mir meine Arbeit, mein Leben entzogen. Das war sehr schwer, damit richtig umzugehen. Man hat extreme Privilegien als Basketballprofi. Man muss sich um recht wenig kümmern. Es wird alles getan, damit du dich wohl fühlst und dadurch gut spielen kannst. Wenn dein Vertrag ausläuft oder du verletzt bist, dann fallen die ganzen Privilegien weg. Es war aber auch eine lehrreiche Zeit. Ich bin ein stückweit auch dankbar, weil es mir für die Zeit nach dem Basketball vorbereitet hat. Ich habe damals in Ulm unterschrieben, weil sich Tim Ohlbrecht schwer verletzt hatte. Nur dadurch hatte sich die Win-Win-Gelegenheit ergeben. Ich kam so wieder rein, konnte für den Saisonendspurt in Ulm noch etwas bringen.
In Deiner Laufbahn hast Du schon viele Spieler kommen und wieder gehen sehen. Wer war der verrückteste Spieler, der so eine richtige Macke hatte?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Ich habe viele verrückte Spieler gesehen. Ich kann ja nicht alles erzählen … ein prägender Moment war damals in Bonn als ich noch sehr jung war. Ich musste auf einer Auswärtsfahrt als Rookie mit einem Ami das Zimmer teilen. Er hatte schon spezielle Rituale und er hat auch einfach unfassbar geschnarcht. Ich konnte kein Auge zu machen und habe Kopfhörer aufgesetzt mit Meeresrauschen oder ganz leiser Musik. Er wurde dann wach und fragte, was das für Musik wäre und warum ich so laut bin. Ich habe ihm das mit dem Kopfhörer erklärt und er meinte, er würde nie schnarchen, das hätte zuvor noch nie jemand behauptet. Ich habe selten einen Menschen erlebt, der so viel geschnarcht hat. Aber er hat sich ein bisschen die Welt so gemacht, wie er es wollte.
Und wer war spielerisch der beste Spieler, mit dem Du zu tun hattest?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Ich hatte so viele gute Mitspieler. Der beste Passer war Jared Jordan. Der kompletteste Spieler insgesamt war damals in Berlin Jamel McLean, der uns überragend durch die Saison getragen hat. Jaleen Smith trägt uns jetzt durch die Saison. Alles MVPs … Marcos Knight letztes Jahr in der Bubble, der uns einfach gegen Ulm durch die Serie geprügelt, quasi im Alleingang alles gemacht hat. Es ist schwer, dass an einem Spieler festzumachen.
Letztes Jahr wurdet ihr Vizemeister, dieses Jahr seid ihr auf Platz 1 nach der Hauptrunde. Welches Team ist aus Deiner Sicht heraus die Bessere und was konnte das Team aus dem letzten Jahr besser als die jetzige und umgekehrt?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Schwer zu vergleichen, weil es so unterschiedliche Teams sind. Wenn man sich überlegt, wen wir hatten und wo die jetzt alle spielen. Marcos Knight hat mit Monaco den Eurocup gewonnen. Nick Babb hat eine starke Saison in München gespielt. Khadeen Carrington ist ebenfalls in Monaco. Mit jedem Spieler aus dem letztjährigen Team hättest du gefühlt heute ein All-Star-Team in der Bundesliga. Wir zeichnen uns jetzt auf eine andere Art aus. Wir haben nicht ganz so hochtalentierte Spieler wie letztes Jahr, wir haben einen sehr starken Zusammenhalt im Team. Man merkt, dass wir viel Erfahrung haben und in den richtigen Momenten an den richtigen Stellschrauben drehen können, um Spiele zu gewinnen. Wir sind alle charakterlich in der Lage, das, was unser Coach John Patrick fordert, auf dem Feld umzusetzen.
Es gibt Diskussionen, dass man vielleicht in den Playoffs lieber nicht gegen Berlin oder München spielen will. Gegen Ludwigsburg wäre es dann einfacher … wie siehst Du so ein Gerede?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Wir fühlen uns in dieser Rolle, in der wir sind, ganz wohl. Ich bin jemand, den das motiviert. Ich muss das nicht groß heraus posaunen, dass ich Titelkandidat bin und im besten Team der Liga spiele. Ich mag die Rolle des Underdogs. Und so sehen das alle bei uns. Wir sind da sehr realistisch, arbeiten dementsprechend hart und haben den Drive, die, die darüber diskutieren, dann vom Gegenteil zu überzeugen. Das ist auch eine gute Position.
Und Du möchtest nicht zum vierten Mal nur Vizemeister werden, oder?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Es wäre schon schön, mal Meister zu werden. Ich weiß, dass man als Fan von Bayer Leverkusen im Fußball auch nicht glücklich wird … und ich möchte meine Vize-Fans auch mal glücklich machen …
So, dann wirst Du Meister, das haben wir ja festgelegt … wie sind denn die Pläne danach?
Jonas Wohlfarth-Bottermann: Ich bin von mir überzeugt, dass ich gerade auf meiner Position in den besten Jahren bin. Ich bin da sehr zuversichtlich und mir ist klar, dass ich noch einige Jahre auf hohem Niveau spielen möchte. So lang es auch körperlich vereinbar ist. Ich fühle mich sehr gut. Ich muss schauen, wie die Situation hier in Ludwigsburg ist. Ich bin nicht abgeneigt hier zu bleiben. Deswegen sage ich wie jedes Jahr, wenn mein Vertrag ausläuft, ich bin offen für alles! (SK/OD)
[…] Mit den Schwaben feierte er die noch immer bestehende längste BBL-Siegesserie (27), ehe sich der Ur-Ur-Enkel des letzten deutschen Hexers für zwei Spielzeiten den Skyliners in Frankfurt anschloss. In der Mainmetropole legte der […]
[…] Mit den Schwaben feierte er die noch immer bestehende längste BBL-Siegesserie (27), ehe sich der Ur-Ur-Enkel des letzten deutschen Hexers für zwei Spielzeiten den Skyliners in Frankfurt anschloss. In der Mainmetropole legte der […]