„Jimmy“ Hartwig: „Finde es toll, was Hertha BSC für Konsequenzen gezogen hat“.
William George „Jimmy“ Hartwig, ehemaliger Nationalspieler und DFB-Botschafter für Vielfalt, begrüßte gegenüber dem Nachrichtensender „WELT“ die Entscheidung des Bundesligisten Hertha BSC Berlin, sich von Jens Lehmann als Aufsichtsrat nach einer rassistischen Äußerung zu trennen. In dem Interview mit Fanny Fee Werther für den Nachrichtensender „WELT“ bezieht der ehemalige Profi klar Stellung.
Sie waren selbst Integrationsbotschafter für den Deutschen Fußballbund, und als Sie von dieser WhatsApp erfahren haben, was waren die ersten Gedanken, die Ihnen durch den Kopf geschossen sind?
„Jimmy“ Hartwig: Der erste Gedanke ist, dass es so etwas nicht geben darf, dass ein ehemaliger Nationalspieler, ein Jens Lehmann, ein hervorragender Tormann, so eine Äußerungen macht. Die ist inakzeptabel und ich finde es toll, was Hertha BSC für Konsequenzen gezogen hat und ihn von seinem Amt enthoben hat. So was kann man nicht sagen. Wir beim DFB, ich bin immer noch beim DFB, wir machen sehr viel in allen Landesverbänden, den Fußballklubs und kämpfen gegen den Rassismus an, und dann kommt ein ehemaliger Nationalspieler, beleidigt einen Ehemaligen in dieser Art und Weise. Das geht nicht. Das kann man auch nicht rechtfertigen. Auch die Entschuldigung hätte ich nicht angenommen. Das ist keine Entschuldigung. Man kann sich immer entschuldigen, man muss sich aber vorher überlegen, was man für einen Blödsinn redet. Und gerade im Rassismus-Thema.
Sie sagen in einem anderen Interview, der Rassismus im Fußball, der ist noch schlimmer geworden, ist heute schlimmer als zu der Zeit, als Sie noch aktiver Profi waren. Können Sie das uns erklären?
„Jimmy“ Hartwig: Ja, ich hab gemeint, zu meiner Zeit war es schon sehr schlimm gewesen. Ich bin zehn Jahre nach dem Krieg auf die Welt gekommen … Menschen sind, glaube ich, vernünftiger geworden. Wir leben in einer globalen Welt. Wir reisen um die ganze Welt. Wir lernen viele Nationen kennen, viele Rassen. Und trotzdem sind wir immer noch so in unseren Köpfen, immer noch haben wir Rassismus drin. Immer schlimmer. Man sieht, die Pandemie tut auch einen Teil dazu beitragen. Die Menschen sind nur so auf sich fixiert. Das ist sehr schade. Solange ich lebe, werde ich gegen Rassismus kämpfen und versuchen, den Menschen das in den Kopf zu hämmern, dass es nicht darauf ankommt, wie jemand aussieht, ob er gelb ist, rot ist, schwarz ist. Nur der Mensch zählt. Man muss mit Respekt auf Menschen zugehen.
Sie haben die Pandemie angesprochen. Trotzdem muss man sagen: Vorfälle mit Rassismus, die gab es ja leider schon davor. Nicht nur in der Bundesliga, auch im europäischen Fußball. Es wurden sogar Spiele abgebrochen. Woher kommt diese massive Zuspitzung, also diese Anfeindungen, dieser Hass?
„Jimmy“ Hartwig: Wissen Sie, es gibt ja immer diese Menschensache, wir reden hier von Statistik, wir haben jahrelang die Statistiken aufgestellt. Wenn ich das Wort Statistik höre, kriege ich noch mehr grauere Haare, mehr als ich ja jetzt schon habe. Wir müssen auf die Menschen zugehen. Wir haben vergessen, Dialoge zu führen, haben wirklich vergessen, in Schulen zu gehen, Dialoge mit Menschen zu führen. Die Flüchtlingswellen, die Leute haben geschimpft, wir brauchen diese Flüchtlinge nicht. Aber jeder hat, glaube ich, dass wir vor 70 Jahren einen Krieg hatten und viele Menschen vor Deutschen auf der Flucht gewesen sind. Wir waren dankbar, dass wir untergekommen sind. Das müssen wir im Kopf haben. Lasst doch die Menschen hier rüber kommen. Die kommen aus Kriegsgebieten rüber. Die wollen hier in Ruhe ihr Leben machen. Keiner verlässt doch sein Land, weil er Spaß an der Freud hat, ein Land zu verlassen, seine Familie aufgibt. Wir müssen sie herzlich willkommen heißen und sagen, mir ist es wirklich ganz egal, was du für eine Hautfarbe hast. Wir respektieren dich so, wie du bist. Natürlich gibt es nicht immer bloß nette Menschen. Es gibt auch schwarze Schafe. Aber die gibt es nicht bloß bei den Flüchtlingen. Die gibt es auch bei uns Deutschen, viele schwarze Schafe. Diesen Konsens müssen wir rüberbringen in Schulen, und einfach sagen, wir versuchen mit den Menschen zu reden, den Menschen zu verstehen. Es ist ein harter Weg. Aber ich glaube, wir alle sind gefragt, den Leuten die Hand zu reichen und zu sagen: Pass auf! Schalte deine Birne ein, und dann ist alles gut.
Sie sind auch Teil einer Dokumentation mit dem Titel „Schwarze Adler“. Und diese Dokumentation soll eben auf genau dieses Thema aufmerksam machen, auf den Rassismus im deutschen Fußball. Wie wichtig ist denn dieser Film?
„Jimmy“ Hartwig: Dieser Film war eine Herzensangelegenheit. Ich war glücklich, dass sie mich als Protagonisten mitgenommen haben, in den Film rein. Jeder, jeder von diesen Protagonisten hat endlich mal gezeigt, wie man wirklich fühlt, wenn man beleidigt wird. Die meisten sagen, naja, das war ja nicht so schlimm. Doch, das ist schlimm, weil man frisst es in sich hinein. Aber im Film konntest du dich mal lösen. Du konntest mal dein Inneres nach außen kehren. Dass die Leute verstehen, wie jemand fühlt, wenn er rassistisch beleidigt wird. Es geht schon klein los. Als kleiner Junge haben sie mir über den Kopf gestrichen, da hatte ich noch riesige Haare. Da hieß es immer, ach guck mal, der kleine William, hat der aber schöne Haare. Und so schön braun ist er auch! Diese Sprüche braucht doch kein Mensch. Und endlich ist ein Film gemacht worden, den man in Schulen zeigen kann, in Kinos zeigen kann, um den Leuten zu zeigen: So tickt ein Mensch, der ein bisschen anders aussieht wie die Normalbürger. Was ist ein Normalbürger? Und schon wieder so eine Floskel von mir. Wie gesagt, der Film ist absolut Spitzenklasse. Spitzenklasse! (WELT/TX)
You must be logged in to post a comment.