Fernanda Maciel: „Ich liebe die Natur und fühle mich in den Bergen zu Hause“.
Fernanda Maciel ist Ultraläuferin! Die gebürtige Brasilianerin, die heute in Chamonix heimisch ist, setzt sich mit Ihren extremen Projekten auch immer für die Umwelt ein. Das passt perfekt ins Bild, denn bevor Fernanda Maciel eine weltweit anerkannte Ultraläuferin wurde, war Sie in Brasilien fünf Jahre als Umweltanwältin tätig. Doch ein Projekt in den letzten Jahren diente vor allem der Bewältigung eines Traumas.
Sie haben das legendäre Matterhorn an nur einem Tag bezwungen. Was war die eigentliche Herausforderung dabei für Sie?
Fernanda Maciel: Für mich war das Matterhorn eine emotionale Herausforderung!
Man muss sehr fit sein und es ist technisch anspruchsvoll, aber das war in Ordnung. Die emotionale Herausforderung war schlimmer. Ich habe auf dem Berg einige gute Freunde verloren und musste erst mit einer psychologischen Therapie in Bezug auf das Matterhorn beginnen. Diese Erlebnisse hatten einen großen Einfluss auf mich.
Hatten Sie auch ein persönliches Traumata?
Fernanda Maciel: Ja, ich hatte einen Unfall, bei dem mir die Augen erfroren und ich drei Tage im Krankenhaus lag. Ich konnte meine Augen nicht öffnen, war drei Tage lang allein in diesem Bett. Ich war in diesem Krankenhaus, in dem niemand Englisch sprach. Aber am zweiten Tag konnte ich mit einer italienischen Krankenschwester sprechen, sie holte mein Telefon, um einen Freund anzurufen und ihm zu erklären, dass ich dort war. Damals dachte ich, ich würde komplett blind werden … es war bis heute der schrecklichste Moment meines Lebens.
Was hat Sie dazu bewogen, zurückzukehren?
Fernanda Maciel: Es ist ein sehr gefährlicher Berg, aber ich musste zurückkehren. Drei Tage vor dem Projekt habe ich versucht, ihn zu besteigen, um zu sehen, ob ich es schaffe, aber ich musste auf 4.500 Metern aufhören, weil ich Angst hatte. Aber ich beschloss, das Projekt fortzusetzen, denn ich musste mich dieser Geschichte stellen, obwohl ich zu 90 Prozent sicher war, dass ich das Matterhorn nicht schaffe. Es war wichtig, es zu versuchen … sehr persönlich. Oben angekommen, war meine Befreiung unglaublich … das beste Gefühl, diese Freiheit, dieser wunderbare Fluss!
Wird es noch eine weitere Rückkehr geben?
Fernanda Maciel: Ich werde nicht zurückkommen! Ich hatte die Wahl zwischen dem Donnerstag und Freitag und habe mich für den Donnerstag entschieden. Am Freitag musste ein Hubschrauber 20 Alpinisten wegen eines Erdrutsches retten. Ich hatte viel Glück auf diesem extrem gefährlichen Berg. Wegen des akuten Klimawandels gibt es dort mittlerweile so extrem viele Felsstürze.
Sie waren Umweltanwältin. Was für ein Beruf!
Fernanda Maciel: Ich war Umweltanwältin, als ich damals in Brasilien lebte. Das ist aber bereits mehr als 15 Jahre her. In meiner Zeit als Anwältin habe ich gesehen und erlebt, dass es nicht um die eigentliche Sache geht, sondern es viel Politik ist … zu viel Politik ist! Ich konnte dies damals einfach überhaupt nicht akzeptieren, mit meinem heutigen Wissen verstehe ich es diplomatischer. Aber ich vermisse es nicht.
Aber die Umwelt liegt Ihnen noch am Herzen?
Fernanda Maciel: Seit ich 15 Jahre alt war, wusste ich, dass es meine Aufgabe sein wird, die Umwelt zu schützen. Ich liebe die Natur und fühle mich in den Bergen zu Hause. Ich denke, es ist eine sehr viel bessere Arbeit, die Menschen in den Bergen zu inspirieren. Es ist immer eine läuferische Herausforderung, aber es ist auch ein sozialer Punkt. Es geht darum, den Winter schnell zu schützen und zu zeigen, dass es weniger Gletscher gibt. Nehmen wir das Matterhorn, das jedes Jahr gefährlicher wird, mit Gletscherspalten und mehr Erdrutschen. Man kann in den Alpen leider sehr gut sehen, dass der Klimawandel akut stattfindet!
Hatten Sie irgendwelche großen Vorbilder?
Fernanda Maciel: Ja, Hilaree Nelson, die eine tolle Alpinistin ist und mich inspiriert. Und Alex Honnold, der Felskletterer. Er hat seine eigene Stiftung gegründet und ich unterstütze diese. Ich denke, es ist richtig interessant, als Athletin helfen zu können.
Hatten Sie generell eine sportliche Inspiration?
Fernanda Maciel: Nadia Comaneci … seit ich jung bin. Sie war die einzige Turnerin mit der vollen Punktzahl, sie war die einzige Turnerin, die Perfektion hatte. Und das muss alles so extrem viel Training erfordert haben? Bei manchen Sportarten kann man trainieren und ein Champion sein, aber beim Turnen ist es absurd verrückt. Da muss man so viel trainieren, aber auch so viel können. Für mich hat sie wirklich das Maximum aus ihrem ganzen Potenzial rausgeholt.
Stimmt es, dass Sie früher eher zur Schule gelaufen sind, als den Schulbus zu nehmen. Ihr Startschuss zum Ultralaufen?
Fernanda Maciel: Ich wollte meinen Vater nicht um Geld für den Bus bitten! Also bin ich gelaufen. Das Haus ist auf den Hügeln, also ging es rauf und runter … das war hart, sehr steil. Für mich ist es auch jetzt noch schwer, zum Haus meiner Mutter zu laufen, weil es drei richtig steile Straßen für mich gibt. Dies war Anfang! (Red Bull/TX)