Felix Loch: „Das hätte ich selber nicht gedacht, dass so etwas geht“.
Mit 18 Jahren wurde Felix Loch schon Weltmeister, jetzt mit 31 einmal mehr der Gesamtweltcup, zum siebten Mal. Doch der dreimalige Olympiasieger denkt noch lange nicht ans Aufhören. Für die Konkurrenten im Rodelsport klingt das wie eine Drohung. Bei „sportflash.online“ blickt der jüngste Rodelweltmeister aller Zeiten auf die Zeit mit Corona, Erinnerungen an seine Anfänge und die Ziele für die nächste Saison.
Die Saison ist ja vorbei. Was macht Felix Loch jetzt direkt nach der Saison?
Felix Loch: Rodeln! Wir sind eigentlich noch bis 17. März am Rodeln. Wir haben noch Material zum Testen. Noch ein paar Fahrten machen, Sachen ausprobieren im Hinblick auf die nächste Saison.
Hat man denn da noch Lust darauf direkt nach einer Saison oder muss das einfach sein?
Felix Loch: Irgendwie beides … also ich habe eigentlich schon noch Lust, weil es mir einfach Spaß macht. Den ganzen Winter über haben wir noch die eine oder andere Idee, die wir im Hinblick auf nächstes Jahr ausprobieren wollen. Es ist jetzt die beste Zeit und es gehört einfach mit dazu. Man muss ja weiter entwickeln und schauen, dass man weiterkommt. Deswegen ist es ist im Endeffekt mein Job, aber mir macht es natürlich auch Spaß.
Stichwort Entwicklung! Dein erster Weltcup, erinnerst Du Dich noch daran?
Felix Loch: Ja, natürlich! Es war in Salt Lake City, 2006 im November.
Ich war vorher noch nie in Salt Lake City. Ich habe erstmal schauen müssen, wie ich da zurechtkomme. Aber es hat auf Anhieb eigentlich sehr gut funktioniert und die Bahn hat schon wirklich von der ersten Fahrt an Spaß gemacht, weil sie eine coole Bahn ist. Leider sind wir jetzt nicht mehr oft dort. Da erinnert man sich schon noch dran, an die ersten Weltcup-Fahrten.
Und welcher Platz?
Felix Loch: Das ist eine gute Frage. Ich glaube irgendwo um den zehnten Platz … Das war eigentlich damals ein guter Einstand. Die erste Saison war eigentlich schon wirklich richtig gut.
Was hat sich in 15 Jahren im Rodel-Rennsport getan?
Felix Loch: Vieles, vieles, vieles … als ich dazugekommen bin, da hat der Schorsch (Georg Hackl) dann aufgehört, der Armin (Zöggeler) ist noch mitgefahren. Also die „Alten“, Albert (Demtschenko) war auch dabei, auf die hast du aufgeschaut. Es war interessant dann anzufangen. Es hat viel Spaß gemacht, vor allem hast du sie noch kurz davor im Fernsehen angeschaut, wie sie darunter fahren und dann auf einmal ist man selber mit dabei. Das ist natürlich schon irgendwo etwas Schönes … Sonst hat sich einiges geändert. Die größten Änderungen sind im Materialbereich, die sich auch vom Reglement so ergeben haben und die Entwicklung geht natürlich immer weiter.
Du bist mit 18 Jahren Weltmeister geworden. Und jetzt bist Du mit 31 Jahren wieder Weltcup-Gesamtsieger geworden. Was hilft denn einem Sportler mehr; die jugendliche Unbekümmertheit oder dann doch die Routine?
Felix Loch: Eigentlich beides. Als ich in den Weltcup gekommen bin, hat keiner was erwartet. Ich glaube, da waren die Erwartungen, die ich selber an mich gehabt habe, wahrscheinlich größer. Und jetzt ist es schon Routine, weil man weiß einfach ganz genau, Woche für Woche oder Jahr für Jahr, was auf einen zukommt, auf was man sich einstellen muss, auf was es ankommt. Gut, nächstes Jahr haben wir Olympia, aber auch dies ist dann nicht mein erstes. Deswegen ist dann schon alles Routine und entspannter.
Aber auch ein „alter Hase“ hatte ja auch mit diesem leidigen Thema Corona zu tun. Was hat das für Dich denn bedeutet? Auch in der Vorbereitung, hat es sogar geholfen, weil Du vielleicht nicht so viel unterwegs warst auf Terminen, konntest Du etwas Positives rausziehen oder ging es Dir, auf Deutsch gesagt, auch genauso „auf den Sack“, wie vielen anderen?
Felix Loch: Wo soll ich anfangen? Wir waren froh, dass wir unsere Saison letztes Jahr beenden konnten und hinten heraus ist nur eine Trainingswoche weggefallen, die wir nicht mehr nutzen konnten. Dann war es natürlich ein bisschen Ungewissheit. Der andere Nebeneffekt, dass Verpflichtungen wie Termine einfach weggefallen sind und ich deswegen auch mehr Zeit zu Hause mit der Familie verbringen konnte. Wir konnten ordentlich durchtrainieren, viele Wochen am Stück, soweit es erlaubt war. Mal alleine oder maximal zu zweit in Kleingruppen. Das war schon für mich wichtig, weil ich am Ende bestimmt drei Wochen trainiert habe, weil ich nicht unterwegs war auf Terminen. Das war mit Sicherheit ein positiver Effekt, obwohl natürlich die ganze Sache extrem viele, negative Sachen mit sich gezogen hat. Natürlich hätte auch ich gerne letztes Jahr anders mit meiner Familie verbracht, zum Beispiel in den Urlaub.
Kannst Du so einschätzen, was Corona dann überhaupt für den Rodelsport bedeutet?
Felix Loch: Ich würde das gar nicht nur auf den Rodelsport beziehen. Generell für den ganzen Sport ist das natürlich extrem schwierig. Die Kids dürfen im Endeffekt gar nichts machen. Wir im Profibereich sind ja immer noch in der glücklichen Lage, unseren Sport so ausführen zu können, wie wir ihn ausführen oder ausüben dürfen. Im Kinderbereich will ich gar nicht wissen, wann sie das letzte Mal trainieren durften, auf die Bahn durften. Das ist alles eine Katastrophe! Ich sehe das jetzt an meinen Jungs. Die sind zum Glück noch so klein, denen ist das alles noch nicht so wichtig. Aber für Kids, die jetzt so 10, 12 Jahre alt sind und zum Beispiel Fußballspielen, die dürfen das jetzt ein Jahr lang nicht. Ganz schlimm. Das alles ist für den Sport sehr schwierig, für alle. Aber für Kids ist das Allerwichtigste, dass sie raus gehen können, dass sie Gas geben können und einfach Spaß mit ihren Freunden haben können.
Was glaubst Du? Wie schwierig ist das für Sportler, die sich jetzt auf Tokio vorbereiten und die eigentlich gar nicht wissen, ob das große Highlight nun in diesem Jahr überhaupt stattfindet?
Felix Loch: Das ist ganz schwierig! Natürlich bereitet man sich darauf vor. Das ist für jeden Sportler das große Ziel und wenn es geht am Ende eine Medaille zu gewinnen oder vielleicht sogar, wenn es perfekt läuft, dort Gold zu gewinnen. Ich hoffe, dass das irgendwie alles funktioniert. Dass auch die Sommerspiele, wirklich ganz egal wie, stattfinden können. Am Ende muss man situationsbedingt handeln.
Die Athleten sollen sich ganz normal drauf vorbereiten und sich situationsbedingt am Ende anpassen. Da musst du vielleicht in den einen oder auch anderen sauren Apfel beißen und akzeptieren, wie es ist, denn ändern können wir es sowieso nicht. Wir müssen froh sein, wenn wir es, so gut wie es geht, hinbekommen.
Du hast eine überragende Saison gehabt. War es gut, dass die Saison davor vielleicht nicht so optimal war mit dem siebten Platz im Gesamtweltcup? Weil man dann weiß, ich muss mal wieder mehr tun?
Felix Loch: Eigentlich nicht. Im Nachhinein muss ich sagen, es sind ein paar Sachen schief gelaufen, eine Verkettung von mehreren blöden Umständen, das war einfach so. Wir haben materialmäßig einfach etwas in die falsche Richtung gearbeitet. Das sind dann sehr viele Sachen, die am Ende zusammengekommen sind. Dann das ein oder andere Mal auch einfach Pech gehabt, schlecht gefahren. Das waren wirklich viele Sachen, die einfach nicht sein mussten. Im Nachhinein haben wir das genutzt und die richtigen Schlüsse daraus gezogen und umgesetzt. Es hätte auch genauso gut nicht funktionieren können. Aber es hat einfach alles gepasst und wir hoffen, dass wir jetzt wieder auf dem richtigen Weg sind. Vielleicht war es zur richtigen Zeit mal einen Dämpfer … es ist auch nicht immer alles selbstverständlich und nicht alles so einfach wie es von außen aussieht.
Ist man dann erst richtig Weltklasse, wenn man immer hungrig auf Erfolge ist, dass man sich nicht ausruht, dass man immer weitermacht?
Felix Loch: Genauso ist es. Es gab nie diesen Punkt bei mir, an dem ich sagte: „Was mache ich hier eigentlich noch? Macht das überhaupt noch Sinn?“ Mir macht der Sport oder das Rodeln generell so viel Spaß, dass ich da eigentlich noch nie mir darüber Gedanken gemacht habe, ob ich aufhören sollte. Für mich muss irgendwann der Punkt kommen, wo ich merke, dass es nicht mehr passt oder dass ich nicht mehr konkurrenzfähig bin. Wenn die jungen Wilden mir am Ende um die Ohren fahren, dann sollte man es lassen. Im Moment habe ich noch keine Angst, keine Bedenken, dass ich das noch das eine oder andere Jahr hinbekomme. Vor allem wenn es weiter körperlich passt oder verletzungsmäßig keine Probleme gibt.
Wer ist denn diese Saison wem um die Ohren gefahren? Ich glaube, Du hast deutlich bewiesen, wer die Spitze ist. Aber man muss es leider erwähnen: Du gewinnst achtmal hintereinander ein Weltcuprennen und dann ausgerechnet bei der WM in Königssee „nur“ Vize. Jetzt ist ja ein bisschen Zeit vergangen, sagst Du heute verdammt nur Silber oder bist Du froh?
Felix Loch: Natürlich habe ich mich kurz geärgert, aber ich habe mich eigentlich über meine eigene Blödheit geärgert, weil ich einfach vom Setup her zu riskant, einfach zu nah oder zu extrem am Limit unterwegs war. Ich hätte ruhig eine Nummer sicherer unterwegs sein können, dadurch den ein oder anderen Fehler, der mich an diesem Tag den Sieg gekostet hat, vermeiden können.
Das ist Königssee! Ich kenne den Königssee schon sehr viele, viele Jahre, bin dort aufgewachsen. Das ist schon immer etwas Spezielles. Im Nachhinein hat es mich extrem geärgert, dass ich selber so blöd war und nicht einfach gesagt habe, okay, ich mache meinen Schlitten einfacher, nochmal sicherer, fahre dafür besser, dann ist man am Ende einfach schneller. Das war nur an dem Tag das Riesenproblem, dass ich das nicht gemacht habe. Deswegen habe ich mich dann definitiv über Silber sehr gefreut, noch dazu weil ich schon gewusst habe, dass es mit Roman (Repilov) am Königssee nicht einfach wird, weil er dort immer schon sehr schnell war oder sehr schnell ist und deswegen war ich dann auch über den zweiten Platz schnell glücklich.
Wie oft bist Du eigentlich schon auf dem Schlitten die Bahn runter gefahren?
Felix Loch: Keine Ahnung … also seitdem ich den Weltcup mitfahre, kann man sagen, dass man so im Schnitt im Jahr zwischen 170 und 200 Läufe macht. In den Zeiten mit Junioren oder Jugendrennen fährt man viel mehr. Das ist sehr schwierig zu sagen. Aber es sind schon sehr, sehr viele.
Und wie oft hattest Du schon ein perfektes Rennen oder gibt es das gar nicht?
Felix Loch: Man merkt es eigentlich schon, wenn man runter fährt und dann in der letzten Kurve, dann weiß man, wooow, das war jetzt ein richtig guter Lauf. Natürlich braucht man immer noch die Bestätigung im Ziel mit der Zeit. Aber man hat schon über die Saison im Gefühl, ob das jetzt gut war oder nicht. Wenn es mal eng ist, ob es dann einmal Hundertstel oder Zehntel für dich sind oder für deinen Konkurrenten, das ist dann schwierig. Aber man weiß, wenn man da runter fährt, okay, das war jetzt ein super Lauf, es hat alles gepasst. Das ist aber sehr selten.
Wir wissen ja jetzt, dass Du am Ende der Saison schon wieder den Fokus auf die neue Saison hast. Hast Du denn auch mal Pause und wie lange ist dann so eine Pause?
Felix Loch: Gut zwei bis drei Wochen in denen kein Training, auch keine Athletik auf dem Programm steht, wo wirklich einfach mal Ruhe ist und man viel Zeit mit der Familie verbringen kann. Und danach beginnt eigentlich schon wieder die athletische Vorbereitung auf die nächste Saison, dann schon wieder langsam das Training, um nach den zwei bis drei Wochen wieder reinzukommen. Dann geht es schon wieder Vollgas in Richtung kommender Saison. Ab Anfang Mai, zweimal am Tag, fünfmal die Woche Training.
Bist Du mit dem Kopf jetzt schon in der Zielsetzung für die nächste Saison oder ist es noch zu früh darüber zu reden und man muss erstmal abwarten wie die nächsten Monate verlaufen?
Felix Loch: Nein, eigentlich schon. Dadurch, dass wir jetzt eigentlich schon wieder am Material arbeiten, ist jetzt auch der Fokus voll auf die kommende Saison gelegt. Also passiert das auch schon im Winter, wenn man sich so seine Gedanken macht, was wir noch verbessern können, was können wir am Schlitten besser machen. Diese Dinge können wir im Winter nicht umsetzen, das geht einfach nur im Sommer.
Nächste Saison ungeschlagen durch den Weltcup?
Felix Loch: Das ist natürlich schwierig. So wie die Saison gelaufen ist, wenn mir das einer vor der Saison gesagt hätte, dann hätte ich direkt gesagt: „Ja genau“. Aber das ist nicht möglich … Das war natürlich Wahnsinn, das hätte ich selber nicht gedacht, dass so etwas geht. Jetzt ärgere ich mich ziemlich über St. Moritz, denn den Weltcup dort hätte ich dann auch gern gewonnen und die Option gab es. Vom Schlitten hat alles wirklich sehr gut gepasst, aber leider hat mir das Wetter einen Strich durch die Rechnung gemacht. Wir hatten wirklich extreme Bedingungen, es war sehr warm. Wir haben tagsüber plus 10 Grad gehabt. Und nachts war das Problem, dass es nicht mehr kalt geworden ist. Das ist für die Bahn dort sehr, sehr schwierig. Und so war es dann am Ende leider ein Startnummern-Rennen. Ich war zweimal spät dran und hatte dann leider keine Chance. Am Ende waren es sieben Hundertstel. Es wäre schön gewesen, wenn es geklappt hätte, aber ich denke mal, die acht Siege stehen jetzt auch erstmal. Ich glaube, so eine Saison wird es so schnell nicht mehr geben, auch für mich glaube ich nicht. Die Jungs, die mitfahren, die werden es mir nächstes Jahr mit Sicherheit nicht leichter machen! (OD)
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