Ersan Dincer: „Die SG Rot-Weiss Frankfurt gehört mindestens in die Hessenliga“.
Rot-Weiss Frankfurt feiert am 11. November großes Jubiläum: 120 Jahre werden die „Roten“ dann alt. Und wenn man durch die lange Liste der ehemaligen Trainer und vor allem Spieler geht, findet man viele Namen, die aus der Bundesliga gut bekannt sind. Doch nicht nur die Ex-Kicker haben auf ihren späteren Stationen brilliert, Rot-Weiss konnte zweimal die Oberliga Hessen und viermal den Hessenpokal feiern.
Herr Dincer, die Pandemie gehört immer noch nicht der Vergangenheit an, daher muss eine Frage erlaubt sein. Was für Auswirkungen hat die Pandemie auf den Amateursport? Gerne auch am Beispiel von Rot-Weiss Frankfurt …
Ersan Dincer: Die Anfragen der Beitragsabmeldungen werden leider immer mehr. Auch einige Sponsoren können ihre Unterstützung verständlicherweise nicht mehr aufrechterhalten.
Wie sieht die soziale Verantwortung gerade im Bereich der Jugend aus?
Ersan Dincer: Für uns sind die sozialen und physischen Probleme durch die ganze Pandemie nicht absehbar. Die Sportanlage war teilweise geschlossen, so dass die Gesprächsmöglichkeiten sehr begrenzt waren. Noch schlimmer ist für uns, dass etwas verloren gegangenen Gefühl der Kameradschaft, die Zusammengehörigkeit muss jetzt wieder schnellstens aufgebaut werden.
Müsste die Stadt für Vereine wie Rot-Weiss Frankfurt mehr machen? Direkter gefragt: Was erwarten Sie sich ganz konkret von einer Stadt wie Frankfurt?
Ersan Dincer: Für uns ist durch die Fusionierung vom 1.FFC Frankfurt mit Eintracht Frankfurt in der Pandemie die Situation, beim Training und Heimspiele, sehr schwer zu organisieren. Bei Heimspielen und immer verstärkter auch bei Trainingseinheiten der Frauen ist die Sportanlage für Rot-Weiss ganztägig gesperrt oder teilweise nicht einmal mehr begehbar!
Da fühlen wir uns deutlich benachteiligt, hier muss ganz schnell etwas geschehen, auch ein Gespräch mit der SGE und der Stadt ist wünschenswert. Das Stadion am Brentanobad ist seit 120 Jahren SG Rot-Weiss Frankfurt!
Ganz unabhängig von der Pandemie. Mit welchen Schwierigkeiten haben denn Amateurvereine im Rhein-Main-Gebiet zu kämpfen? Der sportliche sowie auch der wirtschaftliche Fokus konzentrieren sich ja auf Eintracht Frankfurt.
Ersan Dincer: Der Amateurbereich wird mittel- und langfristig in dieser Form nicht überleben können. Auch der Austausch mit vielen Kollegen belegt, dass der hohe Mitgliederschwund ein großes Thema ist, da der Trend diesbezüglich in Richtung der Bundesliga bevorzugt wird, bekanntlich hat Eintracht Frankfurt mittlerweile fast 100.000 Mitglieder und der 1.FSV Mainz 05 verzeichnet auch Zuwächse!
Diese Mitglieder und Unterstützer fehlen den Amateurvereinen, auch die Anzahl der Ehrenamtlichen ist stark rückläufig. Es wird mit Sicherheit viele Fusionen geben!
Wie ist generell das Verhältnis zu den beiden älteren und größeren Vereinen der Stadt, also zu Eintracht Frankfurt und FSV Frankfurt? Könnte man sich bei Rot-Weiss Frankfurt für die Zukunft generell eine Kooperation vorstellen?
Ersan Dincer: Aus meiner Sicht geben die Ligen zwischen diesen beiden Vereinen keine Möglichkeit zu kooperieren. Jedoch würde ich mir deutlich mehr gemeinsamen Projekte Wünschen, wie zum Beispiel Fußballschulen oder Meetings bezüglich der Trainer Ausbildung etc.
Über einen längeren Zeitraum in den 1980ern herrschte hier am Brentano Bad eine regelrechte Aufbruchsstimmung, äußerst eng verbunden mit dem Namen Wolfgang Streubing. Warum ging der Weg in den 1990ern nicht weiter?
Ersan Dincer: Durch das Ausscheiden unseres Präsidenten Wolfgang Steubing, in der Zeit habe ich sogar noch aktiv gespielt, sowie einiger mit ihm eng verbundener Sponsoren war es uns nicht mehr weiter möglich, diese Klassen zu halten. In dieser Zeit waren wir noch drittklassig, der finanzielle Druck war enorm.
Einnahmen durch Anhänger und Sponsoring scheinen im modernen Fußball nicht mehr zu reichen. Immer mehr und unterschiedliche Investorenmodelle gibt es, mittlerweile auch bei uns in Deutschland. Geht Erfolg nur mit Geld?
Ersan Dincer: Auch im Amateurbereich spielen die Finanzen eine große Rolle, wir haben uns jedoch davon in unserem Amtszeit distanziert! Mit viel guter Jugendarbeit und Kameradschaftlichkeit macht es mehr Spaß!
Was sind die kurz- sowie mittelfristigen Ziele bei Rot-Weiss Frankfurt?
Ersan Dincer: Aufstieg in die Oberliga Hessen. Die SG Rot-Weiss Frankfurt gehört mindestens in die Hessenliga. Dadurch gewährleisten wir für unseren jugendlichen Fußballer eine attraktive Liga zum Verbleib im Verein.
Die A- und die B-Jugend spielen aktuell in der zweithöchsten Spielklasse, die C-Jugend sogar in der höchsten Klasse. Ist die Jugend der Weg des Klubs?
Ersan Dincer: Auch dieses Jahr ist es uns wieder gelungen, fünf A-Jugend Spieler in die 1. Mannschaft zu übernehmen, in den letzten beiden Jahren waren es sogar 14 Spieler. Wie gesagt, unsere Jugendabteilung ist eine der besten in Hessen, allein letztes Jahr haben wir wieder mehr als 30 Spieler an die Leistungszentren abgeben müssen. Aktuell spielt zudem unsere U17 um den Aufstieg in die Bundesliga gegen Elversberg, es wäre Traumhaft im Jubiläumsjahr!
In diesem Jahr gibt es aber auch ein Jubiläum zu feiern: 120 Jahre Rot-Weiss Frankfurt. Ist etwas in der Planung? Ist etwas mit ehemalige Größen wie etwa Dragoslav Stepanović, Alexander Schur oder Jürgen Klopp geplant?
Ersan Dincer: Die Planungen sind durch die Pandemie nicht einfach. Wir sind noch in der Vorbereitung, die eine oder andere Überraschung ist vorprogrammiert … Hier bedanke ich mich für die Organisation besonders bei unseren Verwaltungsrat! (LB/TX)
You must be logged in to post a comment.