Ernesto Bertarelli: „Der America’s Cup ist eine technische Herausforderung“.
Damals im März 2003 gewann der Schweizer Challenger Alinghi den 31. America’s Cup im neuseeländischen Auckland. Die Schweizer waren der erste Herausforderer, der den America’s Cup im ersten Anlauf siegreich beendete. Ernesto Bertarelli und sein Team schrieben Geschichte, gaben der Schweiz das Gesicht als Segelnation. 20 Jahre später greift der Schweizer Challenger wieder an, samt aller Emotionen.
Herr Bertarelli, wen Sie den America’s Cup von damals mit heute vergleichen. Wie hat sich Ihre Beziehung zu dem legendären Wettbewerb verändert?
Ernesto Bertarelli: Meine Beziehung zum America’s Cup hat sich nicht verändert, meine Motivation ist auch heute absolut ungebrochen. Ich bin zuversichtlich, was die Chancen von Alinghi Red Bull Racing angeht, in diesem Wettbewerb richtig weit zu kommen. Natürlich möchte ich, dass wir den Erfolg von 2003 wiederholen, denn ich sehe viele Ähnlichkeiten zwischen den beiden Mannschaften: Ein komplett neues und absolut ehrgeiziges Team, starke Werte, eine ausgezeichnete Disziplin sowie ein hohes Maß an Know-how. Wir wissen ganz genau, was wir alles tun müssen, um so bereit wie vor 20 Jahren gegen unsere Konkurrenten anzutreten.
Wie erinnern Sie sich nun 20 Jahre später an diesen Triumph in Neuseeland?
Ernesto Bertarelli: Der Triumph von Alinghi damals in Neuseeland war ein absolut fantastischer Moment. Ich erinnere mich an die Überquerung der Linie, als wäre es gestern gewesen. Ich umarmte meine Teamkollegen und dann stiegen die anderen Teammitglieder auf das Boot, dass es fast unterging. Wir spürten einen sehr starken Teamgeist, Kameradschaft und Erfüllung. Wir hatten Gänsehaut, eine Mischung aus Freude, Tränen und Lachen. Und dann später noch unsere Ankunft an den Docks, wo das gesamte Team auf uns wartete, dieses Bad in der Menge, das Publikum … das wird eines der wahrscheinlich prägenden Ereignisse in meinem Leben bleiben.
Was waren damals die Schlüsselfaktoren für den historischen Sieg?
Ernesto Bertarelli: Ich denke, die Schlüsselfaktoren, die uns beim ersten Mal zum Sieg verholfen haben, waren die absolut unumstößliche Ethik in Bezug auf unsere Arbeitsweise, die Vereinbarung starker Werte, die absolute Ehrlichkeit in Bezug auf unsere Stärken und Schwächen sowie die Konzentration auf das Wesentliche, das eine erfolgreiche Mannschaft ausmacht. Als die Teammitglieder, die nicht an Bord waren, auf das Boot sprangen und sich wieder zusammenfanden, war das wirklich der Moment, in dem ich das Gefühl hatte, dass wir gewonnen hatten.
Der America’s Cup treibt Sie wieder an. Was ist so spannend an dem Format?
Ernesto Bertarelli: Spannend am America’s Cup ist für mich die ganze Entwicklung des Segelns. Der gesamte Segelsport ist heute so viel aufregender, dynamischer und so viel schneller geworden, er ist eine hochtechnologische und hochentwickelte Maschine mit Athletinnen und Athleten, die sich den unglaublichen Maschinen ideal anpassen und ihnen dadurch völlig ebenbürtig werden. Mensch und Maschine als eine Einheit, als eine gut funktionierende Einheit. Und ich fühle mich glücklich, dass ich sehen konnte, wie dieses unglaubliche Boot bis zu dem Punkt beschleunigt, an dem man selbst nicht einmal mehr weiß, wie man es wirklich noch abbremsen kann.
Der America’s Cup ist eine immer neue Übung. Jede Ausgabe ist völlig anders, jede Ausgabe. Jede Ausgabe erfordert einen eigenen Plan. Es gibt scheinbar kein Limit!
Was bleibt von solch einem Sieg wie im Jahr 2003 wirklich zurück?
Ernesto Bertarelli: Wenn man einmal zurückblickt, ist das, was bleibt, die Reise, das Wachstum des Teams, die vielen Momente, die solch ein Team auf das nächste Level gebracht haben. Das Alinghi Red Bull Racing Team hat viele Ähnlichkeiten mit dem, was wir im Jahr 2000 hatten. Ein neues Team, ein frisches Team, der komplett identische Ansatz, den wir damals verfolgten: Ehrlichkeit, starke Werte, Zielsetzung, Einfachheit in dem, was wir erreichen müssen, um sehr gut zu sein.
Deshalb freue ich mich über die große Chance, die sich uns allen mit dem erneuten Wettbewerb um den America’s Cup bietet, und bin begeistert. Man wünscht sich oft, dass die Zeit ein wenig langsamer vergehen würde, um alles in sich aufzunehmen, aber das ist das Schöne an solchen Dingen, die nur einen Augenblick dauern. Sie sind schön, weil sie nicht ewig sind. Von daher wäre ein Sieg schön.
Sie sind als Gründer von Alinghi eine Legende, nicht nur was den America’s Cup betrifft. Doch Sie wollen dort noch einmal angreifen. War das Comeback?
Ernesto Bertarelli: Es ist wirklich äußerst aufregend, wenn man ein komplett neues Team ankündigt. In diesem Fall einen Neuanfang für Alinghi mit Red Bull. Das neue Team heißt dementsprechend Alinghi Red Bull Racing. Es handelt sich wirklich um eine Partnerschaft, zwei starke Sportmarken kommen zusammen, bilden eine neue Einheit. Beide Parteien werden davon künftig profitieren, sich weiterhin befruchten!
In welcher Art und Weise soll diese Befruchtung denn aussehen?
Ernesto Bertarelli: Der America’s Cup ist eine technische Herausforderung, und ich denke, es gibt viele Synergien zwischen dem, was Red Bull in der Formel 1 macht, und dem, was wir mit schon im America’s Cup so toll gemacht haben.
Noch sind wir nur der Underdog, wir haben aber ein paar Jahre, um mit den anderen Teams mitzuhalten. Aber am Ende werden wir ein starkes Team sein, wir setzen all unsere Bemühungen in diese Synergien. Und dann fällt schließlich die Entscheidung auf dem Wasser, es geht immer noch um das eine Segelrennen. Es wird ein sehr, sehr hohes Niveau haben, wir kommen und wollen den Cup gewinnen! (Red Bull/SW)
Foto: RedBull