Dr. med. Hardy Walle: „Vegan heißt für mich Gemüse und Obst“.
Dr. med. Hardy Walle ist Ernährungsexperte und gibt tolle und vor allem einfache Ratschläge für die Zeit nach der Fasten- und Osterzeit. Sport bzw. Bewegung darf natürlich nicht fehlen, aber die richtige Ernährung ist das A und O. Dazu gehört laut dem Buchautor das Frühstücks-Fasten. Im Interview bei „Sprenger spricht“ gibt Dr. med. Hardy Walle Ernährungstipps und singt eine Lobeshymne auf das Eiweiß.
An Ostern hat die Fastenzeit ein Ende. Auf Alkohol zu verzichten, ist einfach, auf Kohlehydrate schon schwieriger, aber am schwierigsten war der Verzicht auf Zucker. Herr Dr. Walle, ist das typisch?
Dr. med. Hardy Walle: Das ist Gewohnheit und sie sind eine Naschkatze. Es gibt unterschiedliche Typen. Mir würde es überhaupt nichts ausmachen, sieben Wochen die Süßigkeiten wegzulassen. Ich bin der „herzhafte“ Typ. Bei meinen Teilnehmern in den Kursen habe ich gelernt, es gibt viele Menschen, die brauchen ab und zu etwas Süßes.
Ich mache viel Sport, trotzdem habe ich die Kohlehydrate nicht vermisst …
Dr. med. Hardy Walle: Kohlehydrate sind ja nicht essentiell. Es gibt Nährstoffe, die müssen wir essen, sonst haben wir einen Mangel. Es gibt essentielle Fettsäuren wie etwa Omega 3-Fettsäuren, aber es gibt auch essentielle Aminosäuren, also Eiweiß-Bausteine. Wenn wir diese durch die Nahrung nicht zuführen, dann haben wir ein Problem. Bei den Kohlehydraten ist das ganz anders, da wir diese uns selber bauen können. Der Mensch ist in der Lage, eine Zuckerneubildung zu machen. Das ist auch sinnvoll, denn unser Gehirn ist abhängig von den Kohlehydraten. Wenn wir in Hungersnot geraten, würden wir wegen Unterzuckerung wegkippen. Das passiert uns nicht, weil der Körper durch Eiweiß und etwas Fett selber die Kohlehydrate baut. Wenn man viel Sport macht, trainiert man die Fettverbrennung. Der Muskel kommt dann mit dem Fett gut zurecht und lässt dem Gehirn seine Kohlenhydrate. Derjenige, der kein Sport macht, der frühstückt morgens und der Muskel futtert die Kohlehydrate weg, aber das Gehirn bekommt Hunger, weil es auch welche braucht. Deswegen ist Sport so wichtig, um langfristig ohne Kohlehydrate auszukommen.
Ich habe eine Diät gemacht, über drei Wochen täglich unter 700 Kalorien. Es gab Proteine. Alles richtig gemacht?
Dr. med. Hardy Walle: Grundsätzlich ja. Die Frage ist natürlich, warum man eine Diät macht. Bei 700 Kalorien täglich wird man natürlich abnehmen. Wenn man die Kohlenhydrate weglässt und genügend Eiweiß isst, dann wird man sehr gut Fett verbrennen, gerade, wenn man auch Sport macht. Wenn man FDH macht, also die Hälfte isst und damit auch wenig Eiweiß, dann bauen Muskeln ab. Wenn man sehr wenig Kalorien und wenig Kohlenhydrate isst, dann braucht der Körper mehr Eiweiß, damit das Gehirn indirekt über die Zuckerneubildung versorgt wird. Wenn man viele Proteine isst und Kohlehydrate reduziert wurden, dann hat man alles richtig gemacht.
Nach drei Wochen mit viel Proteinzunahme, habe ich anschließend noch zwei Wochen basisch gemacht, nur vegan, keine Kohlenhydrate, um den Körper komplett zu entgiften. War das auch richtig?
Dr. med. Hardy Walle: Jein … Eiweiß kann man sich wunderbar durch gegorene Milchprodukte wie Quark, Hüttenkäse oder Joghurt pur zuführen. Man kann jedoch auch Fisch und Hülsenfrüchte essen. Es muss nicht nur das helle Fleisch sein. Ich esse aber viel lieber rotes Fleisch. Das weiße Fleisch ist meistens Pute. Wenn man einmal einen Putenzüchter besucht hat, dann mag man das nicht mehr …
Wenn ich die Tiere bei Ökobauern sehe, dann esse ich lieber das rote Fleisch. Dass das rote Fleisch zu Krebs führt, stimmt so nicht. Wenn man nur Fleisch isst, dann übersäuert man, dann ist ein Ausgleich gut. Sie haben ja nicht nur Fleisch auf dem Teller, sondern Gemüse oder Salat, dazu Mineralwasser. So ist Essen ausgewogen.
Man soll aber nach dem Fasten nicht von 700 direkt auf 2.500 Kalorien gehen oder kann man nach einer Diät direkt zuschlagen?
Dr. med. Hardy Walle: Rein theoretisch kann man direkt zuschlagen, der Körper signalisiert schon, ob man es verträgt oder nicht. Hören sie auf Ihren Körper, der meldet sich schon! Ich kenne Leute, die machen dreimal im Jahr eine Diät, danach schlagen sie dann wieder zu. Kann man machen, ist aber nicht wirklich ideal. Man sollte einen Lebensstil finden, mit dem man dauerhaft klar kommt.
Ganz provokant gefragt: Fastenzeit ist vorbei, kann ich jetzt wieder fressen?
Dr. med. Hardy Walle: Ordentlich essen bringe ich meinen Kursteilnehmern immer bei. Viele Menschen meinen ja, dass wen man sein Gewicht halten will, man wenig essen darf. Unser Magen kennt keine Kalorien. Die Kalorien sind nicht das, was satt am Ende macht, unser Magen will Volumen und Gewicht. Es ging in der Geschichte der Menschen immer darum, nicht zu verhungern, es ging nie darum, dünn zu sein, abzunehmen und weniger Kalorien zu essen. Deswegen nimmt der Körper so gerne zu und so schwer ab. Deswegen ist Sättigung auch nicht über Kalorien gesteuert, sondern über Volumen und Gewicht. Wer abnehmen will muss essen. Er muss nur wissen, was er isst. Essen ist eben ein Lustprinzip und nicht willentlich gesteuert. Deswegen machen Diäten keinen Spaß. Man isst, damit man befriedigt ist. Dazu braucht man Volumen, Gewicht und Magenfülle. Also, kein Tag ohne Salat. Kein Beilagensalat, einen richtigen Teller voll. Dazu dann noch Gemüse als Basis und kohlenhydratarmes Obst. Essen sie ruhig mal einen Teller Salat, hauen sich dann ordentlich Gemüse rein. Dann ist der Magen schon halbvoll. Sie müssen zudem auch nachhaltig satt sein. Also essen sie noch Fisch oder Fleisch dazu. Vielleicht haben sie noch Platz für ein bis zwei Kartoffeln und einen Apfel als Nachspeise. Dann haben sie gar nicht mehr das Gefühl, dass irgendetwas fehlt.
Teller voll heißt nicht automatisch viele Kalorien, das heißt aber viele Nährstoffe.
Was ist mit Weizen? Muss das in die böse Tonne? Gibt es so etwas eigentlich wie böse und gute Tonne?
Dr. med. Hardy Walle: Nein, das gibt es nicht. Das ist eine subjektive Sache. Es gibt Menschen, die vertragen keinen Milchzucker, die Lactoseintoleranz. Für die wäre der Milchzucker dann die böse Tonne. Es gibt aber andere Menschen, die ihn sehr gut vertragen. Geringe Mengen von Weizen, Gluten ist gar kein Problem. Wenn sie aber Glutenbomben zu sich führen, dann hat unser System Probleme.
Wir machen den Fehler, dass wir immer einzeln die Lebensmittel betrachten, wir essen aber zubereitetes Essen. Mit der Kartoffel als Pell- oder Salzkartoffel habe ich kein Problem, aber Pommes und Chips sind auch Kartoffeln.
Ich war ja basisch unterwegs. Neulich gab es Sauerkraut mit einer veganen Bratwurst …
Dr. med. Hardy Walle: Wenn sie sich vegan ernähren, warum brauchen sie dann eine Wurst oder veganes Fleisch? Ich habe in 30 Jahren Ernährungswissenschaft schon so viel erlebt. Aber, das Einzige, was die Ernährungsexperten anerkennen, sind hochverarbeitete Lebensmittel. Je natürlicher die Lebensmittel, desto gesünder ist es. Vegan heißt für mich Gemüse und Obst, aber nicht eine Wurst, mit 150 Zutaten, damit sie noch irgendwie auf Geschmack getrimmt wird. Alles, was ich auf dem Wochenmarkt einkaufen kann, ist schon mal nicht schlecht. Wenn man dann alles weglässt, wofür im Fernsehen Reklame gemacht wird, dann hat man 80 bis 90 Prozent richtig gemacht. 100 Prozent macht doch keinen Spaß. Weil ein paar Laster brauchen wir schon!
Essen dürfen wir alles. Die Dosis macht das Gift. Jetzt freuen sich alle auf ein gutes Osterfrühstück und Sie schreiben ein Buch zum Frühstücks-Fasten …
Dr. med. Hardy Walle: Ich habe das Buch als Reaktion auf das Intervall-Fasten geschrieben. Wichtig ist, die Begrifflichkeit „fasten“ bedeutet nicht, nichts essen. Das wird immer falsch dargestellt. Fasten heißt, den Insulinspiegel flach halten, damit der Körper entmüllt wird. Unsere Hauptmülldeponie ist das Fett. Wenn ich faste, will ich Fett loswerden. Die meisten Menschen haben zu wenige Muskeln und diese wollen sie ja nicht abbauen. Da haben wir auch keinen Müll drin gespeichert. Fasten heißt unter anderem Kalorien einsparen, damit der Körper aufräumt. Ich muss aber auf der anderen Seite Eiweiß hochfahren. Dazu wird das Fett zu sehr verteufelt. Gute Fette wie Omega 3 oder Omega 9 in guten Olivenölen wirken antientzündlich. Die meisten Menschen wollen nicht abnehmen, die wollen abspecken. Am besten wäre Speck verlieren und Muskeln aufbauen. Eiweiß ist der meist unterschätzte Nährstoff. Mein Eiweißbedarf wäre zwischen 100 und 120 Gramm am Tag. Wenn ich jedoch Intervallfasten mache, habe ich nur zwei Mahlzeiten, um meinen Eiweißbedarf zu decken. Bei drei Mahlzeiten wäre die Eiweißaufnahme viel einfacher. Optimal wären 25 bis 40 Gramm Eiweiß pro Mahlzeit. Wenn ich Intervall-Fasten mache, dann esse ich sechs Stunden nichts. Aber am Ende des Tages wird abgerechnet. Wenn ich dann Kohldampf habe und überkompensiere, dann habe ich nichts gewonnen. Also, drei Mahlzeiten am Tag, zum Frühstück möglichst no carb, nur Hüttenkäse, drei Eier, gerne auch mit Speck, aber keine Kohlenhydrate. Ich habe damit Kalorien, Nährstoffe und Eiweißdichte. Am wichtigsten ist der Eiweiß-Kalorien-Quotient, also Eiweiß pro 100 Kalorien. Wir haben etwas wie den Eiweißhunger, den sollte man schon morgens stillen. Beim Osterfrühstück gehen dann drei Eier und Lachs, nur auf die Scheibe Brot sollte man verzichten.
Ich habe eine Waage, da steht alles drauf. Wie viele Muskeln, wie viel Fett, wie viel Gewicht, wie viel Wasser. Und der BMI steht auch drauf …
Dr. med. Hardy Walle: Der BMI berechnet sich ganz einfach, weil sie ihre Größe angegeben haben und ihr Gewicht gemessen wird. Das kann die Waage. Machen sie sich mal 5 Jahre jünger, dann wundern sie sehen, wie ihr Körperfett nach unten geht. Was die Waage sonst noch anzeigt, das ist 90 Prozent statistisch gerechnet. Stellen Sie sich auf die Waage und wiegen die sich. Dann kaufen sie sich noch ein Maßband, dann können sie ihren Taillenumfang messen. Das sagt auch schon viel aus. Diese Waagen darf man nicht überbewerten.
Machen wir mal ein Fazit: Nach dem Fasten das Gewicht halten, dazu auch bewegen. Das Ostergeschenk, die Waage, lassen wir sein, das Osterfrühstück machen wir …
Dr. med. Hardy Walle: Halten sie sich direkt an die drei Mahlzeiten. Morgens ein Frühstücks-Shake oder eine reine Eiweiß-Mahlzeit. Essen sie sehr gemüsebetont. Achten sie dabei auf genügend Eiweiß. Bei drei Mahlzeiten brauchen sie zudem Essenspausen von vier bis zu sechs Stunden, in denen sie sich gar keine Kalorien zuführen. Man kann zwischendurch Wasser trinken oder einen schwarzen Kaffee mit einem Schuss Milch, aber ohne Zucker. Wenn sie Alkohol trinken wollen, dann nur drei- bis viermal in der Woche ein Gläschen Wein, aber nicht jeden Tag zwei Flaschen Bier. Und bewegen sie sich. Machen sie auch Krafttraining. Je älter sie sind, desto besser ist Krafttraining. Muskeln sind unsere Stoffwechselmaschine und dazu gut für das Gehirn. (CSP)