David Kadel: „Ich bin dankbar, lass mich nicht von der Negativität runterziehen“.
David Kadel ist ein Tausendsassa! Er ist Moderator, Kabarettist, Autor und zudem Mentalitätscoach. Im Jahr 2020 gründete David Kadel das Mutmach-Projekt „WIE MAN RIESEN BEKÄMPFT“ mit vielen bekannten Persönlichkeiten. Ethik spielt eine große Rolle … und nicht zuletzt redet David Kadel im sportflash.online-Interview „Sprenger spricht“ über seine gewachsene Freundschaft zu Jürgen Klopp und die vier „D“.
David, Du hast ein neues Buch geschrieben. Um was geht es?
David Kadel: Es ist ein Mutmach-Buch. Die kostbarste Währung ist nicht Dollar, Gold oder Öl, sondern Mutmach-Geschichten. Wir alle brauchen das, weil wir alle kurz vor der Depression sind. Man kann den Fernseher kaum noch anmachen, weil alles so negativ ist. Ich habe mit Samuel Koch, Thilo Kehrer, Matthias Ginter, Britta Hofmann, Andreas Adenauer und Michael Herberger wunderbare Autoren im Buch mit dem Titel „WIE MAN RIESEN BEKÄMPFT“, die Mut machen. Jeder erzählt seine Geschichte, wie er im Leben mit Scheitern, Gegenwind und Widerständen umging. Daraus kann man unheimlich viel ziehen.
Das Buch verschenken wir gerade tausendfach mit dem Ziel einer Million Menschen Mut zu machen, also: „1 Million Bücher zu verschenken“.
Du hast mal ein Buch über Jürgen Klopp geschrieben. Und wir wollten diesmal nur über die Champions League reden. Aber die Aktualität hat uns eingeholt. Du hast vier Jahre eine TV-Sendung über Ethik gemacht und an Ethik kommen wir in diesen Tagen nicht vorbei. Wie bezeichnest Du Dich als Ethiker?
David Kadel: Ich gehe erst mal von der Vernunft aus. Ich bin heilfroh, dass die Fans auch mal die Moral ins Spiel bringen. Nennen wir es Ethik, nennen wir es Moral, nennen wir es Vernunft … im Endeffekt ist es gut, dass die dollargeilen Milliardäre ausgebremst werden und den Gegenwind merken. Ich würde mir wünschen, dass wir das noch einmal machen, wenn man an Katar denkt mit den 3.000 Toten auf den Baustellen. Man muss diesen Wind jetzt mitnehmen, lasst uns diese ekelhafte WM in Katar auch canceln. Das wäre ein guter Move, jetzt das nachzuschieben.
Als Fan bist Du also froh, dass diese Super League gescheitert ist?
David Kadel: Ich kenne Kloppo ganz gut, er hat ja schon gestöhnt, was die Premier League betrifft. Sie haben in England mehrere Pokalwettbewerbe. Irgendwann sind die Spieler kaputt, im wahrsten Sinn des Wortes. Es ist ein modernes Sklaventum. Ich bin als Fan heilfroh, dass diese alberne Idee vom Tisch ist. Aber es kommt ja noch diese Champions League-Reform auf uns zu.
War das eine Nebelkerze? Denkst Du, dass die das eine vorgeschoben haben, um das andere durchzusetzen?
David Kadel: So viel Intelligenz traue ich denen gar nicht zu … diesen alten Herren und Fußballverweigerern. Das wäre ja schon perfide. Ich glaube, die denken nur von A nach B. Der Fußball ist schon immer ein sehr großer Egoismus-Laden gewesen. Da will jeder rein und sich selbst verwirklichen. Deswegen bin ich heilfroh, dass ich mit Marco Rose, Jürgen Klopp und Sandro Schwarz, mit denen ich Bücher und auch Filme mache, um darauf hinzuweisen, dass es noch Trainer und Profis mit Herz gibt, die auch dagegen angehen. Das war auch von Kimmich und Goretzka großartig, dass die wegen Corona zwei Millionen gespendet haben, um auch das Image des Fußballprofis ein bisschen zu korrigieren.
Erzähl doch mal über Deine Beziehung zu Jürgen Klopp. Ihr habt zusammen gearbeitet und seit mittlerweile auch gute Freunde.
David Kadel: Ich durfte mit ihm arbeiten, im Sinne von Bücher und Filme machen, wo ich ihn auch in Liverpool besuchen durfte. Ich sage das bewusst demütig, weil er keinen Mentaltrainer wie mich braucht. Er ist selbst ein Mentalitätsmonster. Diese Mutter aller Mentalitätsmonster ist Jürgen Klopp. Für mich ist es immer ein Privileg, wenn ich ihn anrufe und über ein neues Projekt mit ihm sprechen darf. Kloppo ist da immer ganz offen. Er sagt zwar, er habe keine Zeit, macht es aber trotzdem. Es ist ein Geschenk. Wir sind beide Schwaben, beide 67er Jahrgang und beide gläubige Christen. Wir nehmen kein Blatt vor den Mund. Es verbindet uns einiges.
Was hilft noch außer Glauben, um optimistisch in die Zukunft zu schauen?
David Kadel: Ich habe einmal mit Kloppo etwas besprochen, was wir die vier „D“ genannt haben: Dankbarkeit, Demut, Dienen und Durchhaltevermögen. Ich habe ihn mal gefragt, was der Schlüssel seiner Persönlichkeit ist. Und da haben wir diese vier „D“ gefunden. In dieser Zeit konzentriere ich mich am meisten auf das erste „D“, auf die Dankbarkeit. Ich bin so froh, dass ich zurzeit nicht in Rumänien, Italien oder in Brasilien lebe. Ich darf in Deutschland diesen COVID-Scheiß erleben … Das ist ein Geschenk. Ich habe einen Kühlschrank. 92 Prozent der Menschen besitzen keinen Kühlschrank. Ich bin dankbar, lass mich nicht von der Negativität runterziehen.
Kommen wir noch mal zur Ethik. Da werden Gehälter gekürzt, Spieler werden weggeschickt, weil man sie nicht mehr bezahlen kann. Dann werden Verträge gebrochen oder aufgelöst und Millionengehälter bezahlt. Wo ist die Demut?
David Kadel: Die ist ausgestorben wie die Dinosaurier. Wir brauchen im Fußball einen neuen Ehrenkodex. Eine Ethikkommission, die nicht nur ein Büro mit einem Schild hat, sondern die auch eingreift. Ich wünsche mir, dass es hier eine ethische Gehaltsobergrenze gibt. Dann verdienen Mats Hummels oder Sancho zwei Millionen Euro im Jahr und die anderen 200.000 Euro im Jahr. Dann wären sie immer noch reiche Menschen. Wir würden etwas korrigieren, was im Laufe der Jahrzehnte durch die Gier der Menschen in diesem Geschäft Fußball einfach explodiert ist. Menschen in Pflegeberufen sollen mehr Gehalt bekommen und die Fußball Profis weniger.
Bleiben wir mal bei den Vereinen. Sie jammern alle, dass sie riesige Einbrüche haben und auf den Geschäftsstellen werden Gehälter reduziert. Gleichzeitig werden Wahnsinnssummen bezahlt, um Trainer zu locken. Wie siehst Du das aus ethischen Gesichtspunkten?
David Kadel: Einige Sportdirektoren würden über diese Frage den Kopf schütteln, weil sie nicht diese Empathie mitbringen. Sie würden fragen, was Ethik im Fußball verloren hätte? Die würden diese Frage schon in Frage stellen. Es ist jetzt absolut angesagt, dass man Dinge hinterfragt. Das würde ich mir von Sportdirektoren auch mal wünschen. Wir haben uns eine verrückte Blase mit dem Fußball geschaffen.
Kommen wir zu Hasan Salihamidzic. Er kommt doch viel zu schlecht weg. Er spart und versucht mit dem Geld umzugehen. Dann hat er einen Trainer, der ihm sagt, wen er alles will. Nicht der Trainer kriegt dann auf die Nuss, sondern der Sportdirektor …
David Kadel: Ich sehe es genauso. Brazzo ist in diesem Fall der Realist und der Ethiker. Aber er steht am Ende schlecht da. Ich mag Hansi Flick mit seinem tollen Charakter und seiner Persönlichkeit. In dem Fall hat Brazzo aber völlig Recht. Du kannst heute nicht wie bei Monopoly einfach nur so weitermachen. Natürlich bin ich auch geneigt zu sagen, dass sich Brazzo in seiner Karriere als Manager beim FC Bayern nicht immer cool angestellt hat. Flick hat sich durch seine Art aufzutreten viel mehr Freunde gemacht. Brazzo hat da echt zurzeit einen scheiß Job.
Ich merke, dass ich mich selber von der Bundesliga immer weiter entferne … ich habe nicht mehr diese Emotionen.
David Kadel: Ich bin zuversichtlich, dass, wenn wieder Zuschauer in den Stadien sitzen, es der Fußball von früher ist. Es ist doch egal, ob da jetzt 10.000 oder 60.000 Zuschauer sitzen. Die Spieler merken das.
Vergessen wir, wenn wir ins Stadion gehen, was im letzten Jahr passiert ist?
David Kadel: Besser nicht. Ich kann es mir nicht vorstellen. So blöd kann kein Mensch sein, dass man das einfach ausblendet. Die, die die Dollarzeichen in den Augen hatten, haben durch die Pandemie die Möglichkeit, endlich wach zu werden und fangen an, dass große Ganz zu sehen.
Am Anfang stand überall Solidarität, mittlerweile sind wir wieder im Egoismus.
David Kadel: Ich kann mich an ein Gespräch mit Marco Rose erinnern und er hat prognostiziert und meinte, dass die Solidarität ganz schnell weg sein wird, denn so ist unsere Gesellschaft. Wir sind die letzten Jahrzehnte voller Egoismus gezüchtet worden. Ich warte darauf, dass mal ein Fußballer, der 12 Millionen Follower hat, mal ein Video macht und mal wieder Eier zeigt. Seid nicht nur listig, sondern auch mal sagen: „Hey Leute, ist es euch auch aufgefallen? Wo ist die Solidarität hin? Können wir mal wieder füreinander da sein?“ … wir haben schon immer gejammert, dass wir keine Typen mehr haben, aber jetzt fällt es total auf. Kaum engagiert sich mal einer, dann gibt es einen Shitstorm. Und so traut sich keiner mehr, sich zu engagieren.
Ganz schlimm ist es im Amateurfußball und damit sind wir auch beim DFB.
David Kadel: Ich weiß gar nicht, wie ich mit diesem Thema umgehen soll. Für mich stand immer VW, die Deutsche Bank und auch der DFB für etwas Solides. Ich bin immer noch so naiv zu denken, das kann doch alles nicht sein, was man da liest und dass alles ins Wanken gerät und man gar keinem mehr trauen kann. Das erschüttert mich. Auf wen ist eigentlich noch Verlass. Es fehlen Vorbilder. Deswegen stürzen auch alle auf Jürgen Klopp. Neben Günther Jauch vielleicht der letzte Mohikaner als Typ. Alle die anderen sind gescheitert. Der DFB geht mit schlechtem Beispiel voran, dass sie die Dinge nicht aufarbeiten. Man hat einen riesen Imageverlust. Man hat nicht die Eier und sagt, dass man Fehler gemacht hat. Wir Deutschen sind doch schnell im Verzeihen, weil alle Fehler machen. Lieber mal reinen Tisch machen und neue Köpfe installieren.
Muss man nicht aus ethischen Gründen beim DFB komplett neu anfangen?
David Kadel: Das richtige wäre, dass man authentisch wird. Stell Dir mal vor, zehn Jahre später, 2031, Jürgen Klopp hat keinen Bock mehr, Trainer zu sein. Er ist auch ein Kind des Fußballs. Er ist Deutscher. Er kennt den Laden. Wenn er da jetzt rein geht und nimmt zwei, drei Buddies mit, dann würde das Ding ganz anders laufen. Warum lieben wir Jürgen Klopp? Nicht weil er irgendwelche Titel gewonnen hat. Er hat ja auch sechsmal hintereinander Finalspiele verloren. Er steht für Authentizität. Er ist eine ehrliche Haut, er hat Humor und kehrt nichts unter den Teppich. Es steht und fällt am Ende mit dem richtigen Typen. Fritz Keller ist vielleicht ein netter Typ, aber in dem Fall nicht der richtige Typ, weil er nicht unsere Sprache spricht. Unsere Sprache spricht Christian Streich. Schickt den zum DFB. Den kannst du dort nicht Verseuchen. Gib den falschen Leuten den falschen Posten, die sind gekauft, die sind korrupt und lassen sich verbiegen. Die Typen wie Streich und Klopp musst Du suchen, die für Authentizität stehen und das Ganze auch moderieren können.
Dann mache uns doch bitte am Ende noch Mut.
David Kadel: Mut macht, dass es immer wieder ganz neue Typen gibt, die in die Bundesliga drängen und die für das Thema „Herz“ stehen. Ich hoffe, dass Sandro Schwarz bald wieder aus Russland zurückkommt, der dafür steht, dass er die Dinge so anspricht, wie sie sind. Der als kleiner Junge am Bruchweg am Zaun hing. Dem kannst du nichts vormachen und eben auch nicht bestechen. Es gibt immer wieder neue Gesichter, die in die Bundesliga kommen. Das macht mir Mut. (CSP)
Foto: Copyright David Kadel
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