Claudia Roth: „Die World Games sind eine Feier der Inklusion“.
Aktuell laufen die Special Olympics World Games und die Welt blickt auf Berlin. Für Claudia Roth ist es eine Herzensangelegenheit. „Längst wissen wir, dass Inklusion uns alle betrifft. Jeder hat seinen Teil dazu beizutragen, damit sie gelingt“, sagt die Kulturstaatsministerin. In dem Interview mit Tom Mustroph spricht Claudia Roth am Rande der Special Olympics World Games über die Parallelen von Sport und Kultur.
Frau Roth, welchen Stellenwert hat die Kultur bei den Special Olympics?
Claudia Roth: Wir dürfen nicht nur in Sonntagsreden von Inklusion und Diversität sprechen. Wir dürfen auch nicht nur einmal im Jahr den Artikel I des Grundgesetzes würdigen: „Die Würde des Menschen ist unantastbar“. Wenn man sich anschaut, wie oft dieser Grundsatz für Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen verletzt wird, dann haben wir noch einen weiten Weg vor uns. Deshalb sind Veranstaltungen wie die Special Olympics World Games so wichtig. Hier geht es nicht allein nur um den Sport, sondern auch um Kultur. Die Kultur kennt genau wie der Sport grundsätzlich keine Grenzen. Wenn es darum geht, unsere Gesellschaft zusammenzuhalten und Menschen miteinander zu verbinden, dann ist der Sport sehr wichtig … genauso wie eben auch die Kultur!
Was planen Sie, damit es auch in der Kultur mehr Inklusion gibt?
Claudia Roth: In der Kulturpolitik des Bundes ist Inklusion schon seit längerem ein wichtiger Bestandteil. Menschen mit Beeinträchtigungen sind von absolut zentraler Bedeutung, wenn eine „Kultur für alle“ und „von allen“ Wirklichkeit werden soll. Doch natürlich gibt es beim Thema Inklusion in der Kulturszene noch viel Nachholbedarf. Im Theater-Bereich passiert jedenfalls schon einiges. Es gibt Theater, wo körperlich oder geistig beeinträchtigte Menschen als Schauspielerinnen und Schauspieler ganz selbstverständlich auf der Bühne stehen. Für den Bereich der Bildenden Kunst bin ich auch mit dem Behindertenbeauftragten der Bundesregierung Jürgen Dusel im Gespräch. Er hat mir im wahrsten Sinne des Wortes die Augen geöffnet und erklärt, wie Menschen, die nichts sehen, eine Ausstellung erleben: Wenn Audio Guides von Menschen gemacht werden, die sehen, dann treffen sie nicht das, was Menschen, die nicht sehen, als Informationen brauchen. Wir schauen uns all diese Dinge Stück für Stück auf unterschiedlichen Ebenen an, damit Inklusion eben mehr ist als eine Formel in einer Sonntagsrede ist. Ganz klar ist dabei: Wir müssen Inklusion in allen Bereichen unserer Gesellschaft weiter vorantreiben.
Das Berliner Olympiastadion ist ein historischer Ort. Was bedeutet es für Sie, dass an solch einer Stelle die Special Olympics 2023 eröffnet wurden?
Claudia Roth: Die Nationalsozialisten haben im Zuge ihres Euthanasieprogramms Menschen mit Beeinträchtigungen als eine der ersten Gruppen ermordet. Allein das Gedenken an die Opfer dieses barbarischen Verbrechens ist ein äußerst wichtiger Bestandteil unserer Erinnerungskultur. Vor diesem Hintergrund freue ich mich umso mehr, dass wir in unserem Land schon so viel erreicht haben für die Inklusion. Der Weg ist noch lang, es gibt noch einiges zu tun auf dem Weg zu mehr Teilhabe und Gleichberechtigung. Aber grundsätzlich sind diese Special Olympics World Games eine Feier der Inklusion und der Menschenwürde. Die Nazis sind weg, aber wir sind hier, so wie wir sind! (TM/TX)
Foto: Claudia Roth Copyright phoenix