Claudia Kohde-Kilsch: „Die hohe Politik in Berlin differenziert“.
Die ehemalige Weltklasse-Tennisspielerin, immerhin war sie auf Platz 4 der WTA-Weltrangliste und gewann mit Barbara Sukova im Jahr 1987 das Doppel-Finale von Wimbledon, ist heute vielseitig unterwegs. Und nicht nur im Sport! Im Interview bei „Sprenger spricht“ gibt Claudia Kohde-Kilsch interessante Einblicke in die Politik in Ihrer Heimat, Rollstuhl-Tennis, das deutsche Tennis generell und Design.
Die Tennissaison ist wieder im Gange. Grund genug, um einmal mit Claudia Kohde-Kilsch zu sprechen, die auf eine erfolgreiche Karriere zurückschauen kann. Aber in der Recherche fand ich, dass Du Politikerin bist …
Claudia Kohde-Kilsch: Vor acht, neun Jahren bin ich in die Schiene geraten. Seit dem ich Kind bin kenne ich Oskar Lafontaine. Da war er noch Oberbürgermeister der Stadt Saarbrücken. In der Landtagsfraktion der Linken habe ich die Pressearbeit gemacht und war seine Pressesprecherin. Ich habe auch einmal für den Bundestag kandidiert, habe auch gut abgeschnitten, bin aber trotzdem nicht in den Bundestag eingezogen. Seit 2014 bin ich Stadtverordnete und im Stadtrat von Saarbrücken. Zuerst als Fraktionsvorsitzende der Linken, bin aber vor rund zwei Jahren zur SPD gewechselt. Bin ehrenamtlich als Stadtverordnete in der Kommunalpolitik tätig und werde deswegen wohl als Politikerin bezeichnet.
Man sagt auch, dass wir ein Feierabend-Parlament sind, weil wir immer alles nach Feierabend machen.
Sagen Kommunalpolitiker, wann Feierabend ist? Hier in Köln gilt ja noch die Ausgangssperre ab 21 Uhr. Entscheidet ihr das auch? Was entscheidet ihr?
Claudia Kohde-Kilsch: Wir entscheiden für die Stadt Saarbrücken. Was gebaut werden soll? Soziale Sachen, Sportanlagen, alles, was eben die Stadt betrifft. Aber die Ausgangssperre ist Landes- und Bundessache. Da haben wir nichts zu melden. Wir müssen uns den Verordnungen des Landes fügen.
Wenn Du über neue Sportanlagen entscheidest, gibt es jetzt in Saarbrücken mehr Tennisplätze als Fußballplätze?
Claudia Kohde-Kilsch: Saarbrücken war lange hochverschuldet. Wir haben jetzt nicht das Geld, um neue Sportanlagen zu bauen. Es geht darum, ältere Anlagen zu sanieren und in Stand zu halten. Hier und da geht es auch darum, mal einen neuen Bolzplatz zu erstellen. Wir haben in Saarbrücken das große Thema mit dem Umbau des Ludwigspark-Stadion. Ich bin für meine Fraktion sportpolitische Sprecherin. Ich setze mich für die Sportvereine in der Stadt ein, dass die Sportanlagen in Schuss bleiben, die Schwimmbäder nicht geschlossen werden.
Wie nah ist Dein Kontakt zur Basis? Du bietest auch noch selber Tenniskurse an. Du bist dadurch auch vom Virus betroffen. Wie geht es der Tennisbasis?
Claudia Kohde-Kilsch: Deutschlandweit ist der Sport durch die Beschränkungen betroffen. Die hohe Politik in Berlin differenziert nicht und schert alles über einen Kamm. Entweder Sport zu oder Sport auf. Das hat unsere Tennisvereine vor allem im Winter sehr stark getroffen. Der letzte Stand war der, dass man nur mit einem negativen Test in die Halle durfte. Draußen ging es, aber bei 5 Grad spielt man auch nicht draußen Tennis. Das wird von Leuten beschlossen, die gar keine Ahnung von Sport haben. Sport ist nicht das Problem, sondern Teil der Lösung des Problems. Die hohe Politik versteht nicht, wie wichtig der Sport für Menschen ist. Die Vereine haben top Hygienekonzepte gehabt. Sport ist wichtig für die Gesundheit, für soziale Bindungen für die Kinder, für viele Werte, für die Rehabilitation, für die Vorbeugung. Ich kann es vielleicht noch bei Judo oder Ringen verstehen. Aber zum Beispiel bei der Leichtathletik ist man entfernt. Ich finde es unmöglich, dass man die Sportplätze gesperrt hat.
Findest Du es denn okay, dass der Profizirkus weitergehen kann?
Claudia Kohde-Kilsch: Profisport ist Berufssport. In sehr vielen Berufen muss es weitergehen. Das ist schon okay. Es geht um sehr viel, auch für die Sportler selbst, die Jahre auf etwas hin trainieren. Es ist fatal, wenn man seinen Berufssport dann unterbrechen muss. Fragwürdig ist vielleicht Olympia oder die Fußball-EM. Das sind dann riesige Veranstaltungen, wenn man Zuschauer zulässt.
Wo steht momentan das deutsche Tennis?
Claudia Kohde-Kilsch: In so einer Zwischenstation. Nach unserer Zeit gab es auch ein Loch, aber es ging dann langsam wieder aufwärts. Sportarten stehen und fallen in der öffentlichen Wahrnehmung mit Idolen. Wir hatten eine Zeit keine Idole mehr. Dann ging es mit Zverev, Kerber, Görges und Petkovic wieder aufwärts. Und durch Angie und ihre Erfolge gab es wieder Aufmerksamkeit. Sie hatte unmenschlich tolle Erfolge, aber sie wird auch bald aufhören. Zverev ist im Moment unser Star. Ich bin seit einigen Jahren auch als Bundestrainerin verantwortlich für die Ost-Verbände. Im Jugendbereich kommt wieder etwas nach. Die 17-, 18-jährigen Mädchen, die unter den Fittichen von Barbara Rittner sind, haben sehr auf sich aufmerksam gemacht. Ich glaube, dass das Tal durchschritten worden ist. Man kann nicht über 50 Jahre lang Top 10-Spieler haben. Es gab immer mal wieder Booms. Dann waren es die Russen, dann waren es die Amerikaner, dann war Deutschland gut, dann gab es plötzlich viele gute Franzosen. Man hat nicht immer in jeden Jahrgang Talente, die es bis nach oben schaffen.
Du bist aber als Bundestrainerin auch noch für einen anderen Bereich tätig.
Claudia Kohde-Kilsch: Ich bin Teil eines dreiköpfigen Teams, die sich um die Rollstuhl-Tennis-Nationalmannschaft kümmert. Seit dem Jahr 2018 betreue ich die Nationalspieler, was eine ganz tolle Sache ist. Ich habe mit tollen Menschen zu tun, die richtig gutes Tennis spielen und mit ihrer Behinderung sehr gut umgehen. Es geht jetzt nach Portugal, da haben wir mal wieder den World Team Cup, der letztes Jahr ausgefallen ist.
Wie groß ist die Mannschaft?
Claudia Kohde-Kilsch: Es ist das Pendant zum Davis-Cup. Also zwei Einzel und ein Doppel. Wir haben drei Männer dabei, zwei Spieler und ein Ersatzmann bzw. Doppel-Spieler, zwei Damen und zwei Quads, also die Klasse mit Menschen mit mehr als drei Behinderungen. Wir sind sieben Spieler, drei Coaches und dazu ein Physiotherapeut.
Wer stellt die Mannschaft zusammen? Wie kommt man ins Nationalteam?
Claudia Kohde-Kilsch: Allein nur durch die Leistungen, die du bringst, durch deine Weltranglistenposition. Wir Trainer stellen die Mannschaft zusammen.
Wie ist der Umgang für Dich mit Menschen mit Behinderung? Hast Du noch eine Hemmschwelle, die ja viele Menschen haben?
Claudia Kohde-Kilsch: Meine Hemmschwelle ist komplett weg. Ich hatte mal eine, aber nur in der Hinsicht, weil ich gar nicht wusste, ob und wie ich helfen muss. Sie haben mir es so schnell beigebracht, dass man diese Hemmschwelle auch gar nicht mehr haben muss. Die sind alle so selbstständig, das kann man sich so gar nicht vorstellen. Ich sehe den Rollstuhl gar nicht mehr und bin ihnen unglaublich dankbar. Die sind lustig und nehmen sich selbst mal auf den Arm. Es sind sehr dankbare, liebe, lustige, positive Menschen. Wir setzen uns aktuell ein, dass Rollstuhl-Tennis in Deutschland mehr Aufmerksamkeit bekommt. Viele Menschen wissen gar nicht, dass es so etwas gibt. In anderen Ländern, wie in den Niederlanden oder Japan ist das komplett anders.
Schafft ihr denn in Portugal dann den Sprung in die Weltgruppe?
Claudia Kohde-Kilsch: Es wird sehr schwer, weil man die Qualifikation gewinnen muss. Das Potenzial und die Möglichkeit sind vorhanden.
Wir drücken die Daumen. Gibt es denn eine Siegprämie? Du hast eine eigene Kleider-Kollektion.
Claudia Kohde-Kilsch: Ich designe nicht die Kleidung, sondern die Designs, die auf die T-Shirts und die Hoodies gedruckt werden. Ich habe zusammen mit meinem Lebensgefährten ein kleines Label gegründet. Im Mediendesign habe ich noch eine Weiterbildung gemacht. Ein Traum wäre noch, eigene Klamotten zu designen. (CSP)
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