Christoph Ullmann: „Am Ende ist nur ein einziges Spiel ausgefallen“.
Die Hauptrunde der DEL ist beendet. Jetzt geht es in die Playoffs, in die „schnellste Zeit“. Christoph „Ulle“ Ullmann ist genau der richtige Mann, um mit „sportflash.online“ einen Blick zurück und nach vorne zu wagen. „Ulle“ nahm an zehn Weltmeisterschaften teil, trug über 150 mal den Adler auf der Brust und stand in der DEL 782 mal unter anderem für Köln, Mannheim und Augsburg auf dem Eis. Pure Erfahrung also …
„Ulle“, es gab in den letzten Wochen nahezu jeden Tag Eishockey. Wie viel hast Du Dir angeschaut? Hast Du Dir alles reingezogen?
Christoph Ullmann: Ganz am Anfang: Ja. Da lief jeden Tag der Fernseher bei mir. Irgendwann hatte ich aber auch den Punkt, dass es reicht. Das Angebot war enorm und es hat unglaublich viel Spaß gemacht. Die Konferenz an den letzten Spieltagen war noch mal ein Highlight.
Ab Dienstag beginnen die Playoffs, aber ziehe doch vorher mal ein Fazit zur DEL-Hauptrunde. Was nimmst Du mit?
Christoph Ullmann: Als erstes muss man ganz groß hervorheben und loben, dass es die DEL geschafft hat, eine Saison auf die Beine zu stellen. Andere Sportarten begannen früher. Auch um die Spielergewerkschaften herum wurde es mal laut, weil man fragte, warum man nicht spielen durfte. Am Ende ist nur ein einziges Spiel ausgefallen, was nicht nachgeholt werden konnte. Das ist das positivste, was man aus der Hauptrunde rausziehen kann. Natürlich gepaart mit der Tatsache, dass alle Teams an den Start gegangen sind. Es wäre traurig und sehr tragisch für jeden Fan gewesen, wenn zum Beispiel die Kölner Haie mit ihrer Größe und der Historie des Standortes nicht dabei gewesen wären. Es ist unglaublich, dass es alle Teams hinbekommen haben. Es gehört ja unheimlich viel an Kommunikation dazu, wie der Austausch mit Spielern, Sponsoren und mit Partnern. Und dass am Ende dann alle abnicken und sagen, wir können rausgehen und spielen. Das finde ich schon einen unglaublich großen Gewinn.
Dazu fand ich es supercool, es in zwei Gruppen zu sehen. Du bist Tabellenführer in deiner Gruppe und musst dich dann noch einmal mit den Topteams der anderen Gruppe messen. Das hat mir unheimlich Spaß gebracht. Dazu noch, dass dann die Teams Auswärtsfahrten mit zwei, drei Spielen hatten. Das hatte schon alles einen nordamerikanischen Touch.
Hast Du einen Unterschied den Gruppen gesehen? War der Süden besser als der Norden oder umgekehrt? Oder ist das eine sinnlose Diskussion?
Christoph Ullmann: Diese Diskussion hätte nicht stattfinden müssen. Klar, wäre es schöner gewesen, wenn Berlin, Mannheim, München oder Ingolstadt in der Saison öfter gegeneinander gespielt hätten. Auch Bremerhaven, die tolles Eishockey im Norden gespielt haben. Du hattest mit Krefeld eine Mannschaft, die völlig abgefallen ist. Aber Nürnberg im Süden genauso. Man kann nicht sagen, ob die eine Gruppe stärker als die andere ist. Natürlich hast du mit Mannheim, München und Ingolstadt drei absolute Topteams im Süden gehabt, die jetzt auch in der Endrunde ein großes Wort mitsprechen werden. Aber mit Berlin, Bremerhaven und Iserlohn hast du auch im Norden Mannschaften, die richtig gut Eishockey gespielt haben.
Was war für Dich die größte sportliche Überraschung?
Christoph Ullmann: In meiner aktiven Zeit haben wir immer gesagt, wenn du zwei von drei möglichen Punkten pro Spiel holst, dann spielst du ganz oben mit und bist unglaublich souverän. Was die Adler aus Mannheim gezeigt haben, fand ich schon bemerkenswert. In Mannheim wird immer attraktives Eishockey gespielt, aber das war teilweise Entertainment. Ich glaube, sie haben gerade elf Unterzahl-Gegentore bekommen. Das lässt aufhorchen. Das hat echt viel Spaß gemacht, der Mannschaft beim Spielen zuzuschauen. Iserlohn hat mir auch gut gefallen, mit einem Andreas Jenike hinten drin, der gefühlt 95 Prozent der Spiele gemacht hat und keinen Leistungseinbruch hatte. Dazu hat die Mannschaft vorne gut performt. Und auch Bremerhaven, die zweimal die Adler geschlagen haben. Ingolstadt hat mir auch richtig gut gefallen. Und München, die von den letzten elf Spielen zehn gewonnen haben. Da siehst du, dass es Mannschaften immer wieder hinkriegen am richtigen Zeitpunkt auch wirklich ihre Topleistungen abzurufen. Ich habe selbst lange in der Kabine gesessen und manchmal kannst du dir es nicht erklären, warum du so heiß läufst und warum es manchmal nicht gut läuft.
Wer ist für Dich der Spieler der Hauptrunde?
Christoph Ullmann: Dazu gehört das Torhütergespann in Mannheim. Das fand ich phänomenal. Yasin Ehliz hat mir richtig gut gefallen. Ich bin auch ein großer Fan von Markus Eisenschmid. Den so spielen zu sehen mit seinen läuferischen Fähigkeiten und seine Abschlussqualitäten ist schon bewundernswert. Was Yannic Seidenberg abliefert, der ja vom Stürmer zum Verteidiger umgeschult wurde, ist überragend. Er hat eine unfassbare plus/minus-Statistik und ist zum Schluss wieder als Stürmer eingesetzt worden. Wenn du einen Spieler mit so einem Erfahrungsschatz hast, der auf allen Positionen so abliefern kann, dann kann man schon den Hut ziehen.
Jetzt haben wir so viel Positives gehört, was hat Dich enttäuscht? Ist es dann Krefeld, mit der ganzen Unruhe auch drum herum?
Christoph Ullmann: Man hat es in Krefeld von Anfang an mitbekommen durch die Personalie Daniel Pietta. Man hat natürlich überhaupt keine Einblicke, warum Leute um Vertragsauflösungen bitten, aber es hat einen faden Beigeschmack … Und kurz vor Schluss sind noch zwei Spieler gegangen. Krefeld ist ein Standort, an dem nie Ruhe reingekommen ist. Das war aber auch schon in den vergangenen Jahren so, dass es mal gebrodelt hat und turbulent war. Leider hat sich dazu nie der sportliche Erfolg dazu eingestellt. Es gibt noch andere Teams, die sportlich eine schwierige Situation hatten. In Nürnberg gab es den ganz großen Umbruch. Die nie richtig in die Spur gefunden haben. Aber auch die großen rheinischen Rivalen aus Köln und Düsseldorf, die die Playoffs verpasst haben. Das sind Standorte, die du eigentlich brauchst. Weil sie Tradition haben, polarisieren und richtige Zuschauermagneten sind mit ihren großen Arenen.
Schauen wir auf die Playoffs mit dem Modus „best of three“ …
Christoph Ullmann: Das finde ich schade, weil du in keine Serie mehr reinwachsen kannst. Wenn du es runter brichst, brauchst du sechs Siege, um Meister zu werden. Im normalen Modus hättest du mit sechs Siegen gerade die Hälfte des Halbfinales erreicht und hast dann immer noch einen weiten Weg zu gehen. Da konnte man sich auch mal einen Ausrutscher in den Playoffs leisten.
Es gab in der Vergangenheit auch mal Playoff-Monster. Ob das Torhüter waren, die über sich hinausgewachsen sind oder ob es Spieler waren, die in jedem Spiel einen rein geknallt haben und es dadurch geschafft haben, dich wieder auf die Straße des Siegers zu bringen. Und jetzt? Wenn du zweimal triffst, dann bist du ja schon in der nächsten Runde. Das ist schade.
Früher hieß das … die geilste Zeit! Jeden zweiten Tag zu spielen … Und jetzt kann es sein, dass du zweimal deinen Kopf ins Kopfkissen drückst und dann kann die Nummer schon wieder vorbei sein. Jetzt heißt es … die schnellste Zeit. In der Tat, es kann ganz schnell vorbei sein …
Aber, um es mal von einer anderen Seite zu beleuchten, ist das denn nicht auch die Chance für die Underdogs?
Christoph Ullmann: Definitiv! Könnte Straubing die Adler viermal schlagen? Dann würde ganz Eishockey-Deutschland nur mit dem Kopf schütteln und sagen, dass das unmöglich ist. Aber warum nicht mal beim ersten Spiel in Mannheim einen Sahnetag haben, dann zu Hause gewinnen und am Pulverturm die ganze Serie auf den Kopf stellen. Das wird einfacher für den Underdog.
Gehen wir mal durch die Viertelfinal-Paarungen. Fangen wir mit Mannheim gegen Straubing an. Die Straubinger sind noch auf den Zug aufgesprungen. Das gibt sicher auch Selbstbewusstsein. Sie fahren mit breiter Brust nach Mannheim und haben nichts zu verlieren. Gefährlich für Mannheim?
Christoph Ullmann: Ich sehe es nicht als gefährlich für Mannheim. Die Straubinger haben durchaus ein ganz wichtiges Spiel in Wolfsburg gewonnen. Aber die große Frage ist, ob du die Spannung hältst oder ob du erst einmal durchatmest. Dann fallen drei bis vier Prozent ab, weil du dir sagst, dass du das Minimalziel mit dem Erreichen der Playoffs erreicht hast. Dazu kommt die Reiserei vom Auswärtsspiel in Wolfsburg. Die Mannheimer sind stärker und besser besetzt. Mit dem Sieg in Berlin am vorletzten Spieltag haben die Adler auch ein großes Ausrufezeichen gesetzt. Sie werden gegen Straubing mehr als vorbereitet sein.
Bleiben wir im Süden. Das nächste Spiel heißt München gegen Ingolstadt. Wird das enger?
Christoph Ullmann: Dieses Duell würde ich sehr gerne über sieben Spiele sehen. Schade, dass diese beiden Mannschaften schon jetzt aufeinandertreffen, weil sie souverän über die ganze Hauptrunde performt haben. Es wird definitiv drei Spiele geben. Das ist echt schwierig … 51 zu 49 Prozent für München.
Gehen wir in den Norden. Da spielen die Berliner gegen die Iserlohner mit einer starken Offensive.
Christoph Ullmann: Ich glaube, dass die Iserlohner eine gute Chance haben, weil sie auf der Torhüterposition sehr gut besetzt sind. Berlin mit Mathias Niederberger aber natürlich auch. Du hast es angesprochen, die Offensive von Iserlohn ist sehr gut. Der Ausfall bei Berlin von Leo Pföderl tut aber sehr weh, zumal er zusammen mit Marcel Noebels unglaublich performt und abgeliefert hat. Ich sehe gute Chancen für Iserlohn. Die können definitiv überraschen, haben überhaupt nichts zu verlieren. Sie sind froh, dass sie die Playoffs erreicht haben. Von außen sieht das nach einer Leichtigkeit und Lockerheit aus, die im Team herrscht. Die Aufgaben sind hier klar verteilt. Ich kann mir vorstellen, dass es in dieser Serie eine Überraschung gibt.
Dann haben wir noch Bremerhaven gegen Wolfsburg.
Christoph Ullmann: Das sehe ich auch sehr eng … beides spielstarke Teams, die nicht unbedingt über den Kampf zum Spiel finden, sondern sehr auf Puckkontrolle und auf taktische Disziplin setzen. Da gehe ich aber klar auf Bremerhaven, weil sie in den letzten Jahren immer souverän in die Playoffs eingezogen sind.
Wenn man Dir so zuhört, dann muss man auf Adler Mannheim als Deutscher Meister wetten …
Christoph Ullmann: Du musst Mannheim schlagen, wenn du Meister werden willst. Das wird der ganz große Gegner sein. Über den Saisonverlauf hinweg sind sie die besten. Ich glaube, sie haben nie zweimal hintereinander verloren. Du musst jedoch zweimal gewinnen, wenn du sie rausschmeißen willst. Für mich der Topfavorit. (OD)
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