Christiane Krajewski: „Einen großen Teil des Weges sind wir schon gegangen“.
Vom 17. bis 25. Juni findet in Berlin das größte inklusive Sportevent der Welt statt: Die Special Olympics World Games Berlin 2023! Christiane Krajewski, Präsidentin von Special Olympics Deutschland, wagt mit Ulrike Spitz einen Ausblick und bringt es auf den Punkt: „Es wird das allergrößte Multisportereignis seit den Olympischen Spielen 1972 in München. Ich hoffe, dass die Sportfamilie das auch so annimmt“.
Die Athletinnen und Athleten sind nominiert. Wie ist die Stimmung?
Christiane Krajewski: Die Freude der Athletinnen und Athleten ist häufig sehr viel unverstellter als die Freude von Funktionären. Sie können sich originär freuen über das, was gerade ist, das war auch bei der Nominierung dieses großen SOD-Teams zu spüren. Es war für alle Beteiligten ein wunderbares Highlight. Wir werden in den nächsten Monaten noch weitere Gelegenheiten haben, uns mit den Athletinnen und Athleten gemeinsam zu freuen, etwa am Einkleidungs-Wochenende im April. Das ist nochmal etwas ganz Besonderes, wenn die Sportlerinnen und Sportler durch das Tragen der einheitlichen Kleidung spüren, dass Sportdeutschland auf sie blickt und dass sie nun die Chancen haben, auch als Botschafterinnen und als Botschafter für ganz Deutschland für die Athletinnen und Athleten aus aller Welt tätig zu sein.
Und natürlich bei den Wettbewerben gut abzuschneiden?
Christiane Krajewski: Ja, aber da spüre ich meinen Anspannungsgedanken. Denn durch die Pandemie war es nicht einfach für die Athletinnen und Athleten, sich ganz individuell gut vorzubereiten. Die Einschränkungen galten für den ganzen Sport in Deutschland und für Menschen mit Behinderungen besonders. Sie hatten lange Zeit überhaupt keine Chance, regelmäßig Sport zu treiben. Deshalb müssen sie jetzt die noch restliche Zeit bestmöglich nutzen, um sich gesundheitlich und sportlich wirklich so aufzustellen, dass sie am Ende auch mit sich zufrieden sind.
Schon bei den Nationalen Spielen war das nicht einfach. Sie haben Berlin 2022 dennoch als Meilenstein für künftige Entwicklungen gewürdigt. Wie sieht Ihre Bilanz mit einigem Abstand aus? Sind Sie zufrieden mit den Impulsen, die die Spiele in den Sport und auch in die Gesellschaft gegeben haben?
Christiane Krajewski: Hochzufrieden. Es waren auch Testspiele für die Weltspiele. Für uns waren es deshalb Nationale Spiele in einer anderen Dimension. Wir werden nun reflektieren, was wir von Berlin 2022 für die Ausrichtungen künftiger Nationaler Spiele mitnehmen können. In den Medien, in allen Bereichen bis Social Media, sind wir deutlich intensiver wahrgenommen worden als bei anderen Nationalen Spielen. Durch diese Berichterstattung ist öffentlich geworden, wie glücklich die Athletinnen und Athleten waren. Es sind viele Geschichten erzählt worden. Es ist gelungen, die Sichtbarkeit nachhaltig zu verbessern. Ich hoffe, dass diese neue mediale Qualität auch hilft, dass die Menschen in Deutschland viel, viel besser erkennen, mit was für Handicaps die Athletinnen und Athleten mit einer geistigen Beeinträchtigung immer noch zu kämpfen haben, welchen Situationen sie begegnen, aber gleichzeitig auch, wie stark sie persönlich von regelmäßigem Sporttreiben und einem Spitzenereignis profitieren können. Das ist für mich die wichtigste Botschaft … ganz wichtig!
Und auch als Menschen in der Organisation der Spiele?
Christiane Krajewski: Die Athletinnen und Athleten sind Teil der Organisation. Mit ihrem Expertenwissen sind sie sehr wichtig und bei künftigen Großveranstaltungen unverzichtbar. Die Emanzipation der Athletinnen und Athleten ist eine der größten Entwicklungen von Special Olympics Deutschland in den letzten Jahren. Sie waren und sind Gestalter bei Berlin 2022, und vielen anderen Projekten.
Was erhoffen Sie sich persönlichen von den Weltspielen 2023?
Christiane Krajewski: Die Special Olympics Weltspiele kommen erstmals nach Deutschland. Auf dieses Großereignis haben wir lange hingearbeitet. So konnten wir schon 2018 unsere Bewerbung erfolgreich abschließen. Gut 7.000 Athletinnen und Athleten aus 190 Nationen werden nach Berlin kommen. Und vorher erleben sie das so genannte Host Town Program jeweils vier Tage lang in einer von 220 Kommunen in ganz Deutschland. Dieses Programm, in dem die Kommunen jeweils Gastgeber für eine Nation sind, haben wir mit anderen nachhaltigen Projekten wie „Wir gehören dazu“ oder LIVE zusammengebracht. Allein dadurch haben sich überall Netzwerke gebildet, die dazu beitragen können, dass in Zukunft mehr Sport für Menschen mit geistiger Behinderung ermöglicht wird. Die Weltspiele werden zeigen, welche Kraft die Athletinnen und Athleten entwickeln können und zu welchen Leistungen sie fähig sind. Das Host Town Program als Teil von #ZusammenInklusiv kann mithelfen, dass wir mit den Jahren einfach nur sagen, wir haben etwas Bleibendes erreicht.
Wie wichtig sind die Weltspiele 2023 auf diesem Weg?
Christiane Krajewski: Sie sind der Leuchtturm. Wir dürfen nie vergessen, welche Treiberwirkung dieses große Multisportereignis für die ganze Verbandsentwicklung hat. Ohne Weltspiele wären die meisten der Entwicklungsschwerpunkte der letzten Jahre gar nicht möglich gewesen. Es ist unsere Aufgabe sicherzustellen, dass wir diese Leuchtturmwirkung, die Treiberwirkung und die Sogwirkung dieser Weltspiele nutzen für eine nachhaltige Entwicklung im Verband. Damit meine ich nicht nur die Verbandsstrukturen, sondern das gemeinsame Ziel der nachhaltigen Entwicklung von #ZusammenInklusiv, Deutschlands größter Inklusionsbewegung. Erst wenn die Athletinnen und Athleten generell Sport vor Ort selbstbestimmt so machen können wie sie es wollen, haben wir unser gemeinsames Ziel nämlich wirklich erst erreicht. Dafür sind die Weltspiele 2023 von einer gigantischen Bedeutung!
Es gibt noch viel zu tun für die Bewegung Special Olympics?
Christiane Krajewski: Einen großen Teil der Wegstrecke sind wir schon gegangen. Ich bin seit gut acht Jahren bereits SOD-Präsidentin, und wenn ich zurückdenke an die Zeit vor einem knappen Jahrzehnt, dann haben wir alle gemeinsam in unserer tollen Familie mit all unseren Unterstützerinnen und Unterstützern schon richtig viel erreicht, jedoch immer noch nicht genug. Wir sind erst am Ziel angekommen, wenn wir sagen können, regelmäßiger Sport vor Ort für alle ist absolute Normalität. (US/TX)
Foto:Christiane Krajewski Copyright Special Olympics