Carsten Oberhagemann und Oliver Wurm: „Olympia ist das Größte“.
Die Olympischen Spiele in Tokio finden in diesem Sommer statt, weiterhin komplett ohne Zuschauer bei den Wettkämpfen, aber das Jahr der Ungewissheit hat für alle Athletinnen und Athleten ein Ende. Nicht nur für sie! Die Sportjournalisten Carsten Oberhagemann und Oliver Wurm sprechen in „sportflash.online“ über Ihr Magazin-Projekt „TOKIO.21“, eigene Sporterfahrungen und die besondere Faszination von Olympia.
Herr Oberhagemann und Herr Wurm, bevor es um „TOKIO.21“ geht, welche persönliche Beziehung zum Sport oder zu einer Sportart haben Sie?
Carsten Oberhagemann: Ich bin seit fast 20 Jahren ganz eng mit dem Rudersport verbunden. Zunächst als Pressesprecher bei Team Deutschland-Achter, und seit über zehn Jahren nun auch in der Position des Geschäftsführers. Selbst spiele ich in der Freizeit Tischtennis, aber eigentlich brennt mein Herz für den Sport allgemein.
Oliver Wurm: Mein gesamtes Leben ist von und durch den Sport geprägt worden, beginnend mit der klassischen Bolzerei auf der Wiese und einigen Jahren als aktiver Fußballer im Verein über das Studium an der Deutschen Sporthochschule in Köln bis zum Start in meinen damaligen Traumberuf des Sportjournalisten im Jahr 1994 bei der „Sport-Bild“. Auch heute vergeht kaum eine Woche, in welcher ich nicht aktiv Sport treibe oder Sport schaue, ob im Stadion oder vor dem Fernseher.
Und was fasziniert Sie beide so an den Olympischen Spielen?
Carsten Oberhagemann: In Tokio werde ich die Olympischen Spiele zum fünften Mal vor Ort miterleben, dieses Mal werden sie leider vollkommen anders sein als alle, die ich bisher kennenlernen durfte. Es wird vieles von dem fehlen, was Olympia einfach ausmacht, wie der kulturelle Austausch der Menschen aus verschiedenen Ländern, die pure Freude über das gemeinsame Erlebnis, oder das grenzenlose Miteinander. Aber wichtig ist und bleibt: Der Sport steht im Mittelpunkt, die Freude der Aktiven über die Teilnahme, Siege und Medaillen.
Oliver Wurm: Während Olympia hat man mich schon als Kind nicht vorm Fernseher wegbekommen. Von der pompösen Eröffnungsfeier bis zu dem allerletzten Bild der Abschlusszeremonie verfolge ich wirklich alles, was gezeigt wird. Natürlich bleiben die ganz großen Momente für immer. Selbst runde 20 Jahre später kriege ich eine Ganzkörpergänsehaut, wenn ich den Goldlauf von Cathy Freeman bei den Spielen in Sydney 2000 sehe. Ich war 14 Jahre alt, als Pasquale Passarelli in Los Angeles im Kampf um Gold eine Minute und 25 Sekunden die Brücke hielt. Das habe ich auf dem heimischen Wohnzimmerteppich danach mehrfach imitiert. Ich weine eigentlich nicht so leicht. Aber auch in Tokio wird es wieder reichlich Momente geben, die mich zu Tränen rühren. Sport ist groß. Olympia ist das Größte!
Dies erklärt leider noch nicht wirklich, wie Sie auf die Idee gekommen sind, mit „TOKIO.21“ ein reines Olympia-Magazin auf den Markt zu bringen. Wie kam es also zu der Idee und wer musste eigentlich wen davon überzeugen?
Carsten Oberhagemann: Los ging es, als ich einen Podcast von Olli hörte, in dem er von seinen Fußball-Magazin-Projekten berichtete. Dann machte es Klick, und ich griff zum Hörer und sagte ihm: Fußball ist toll. Aber Olli, das könnten wir doch auch für Olympia hinbekommen …
Oliver Wurm: … so etwas verdränge ich natürlich gerne. Ich hätte die Idee lieber selbst gehabt. Aber immerhin musste Carsten da keine Türen bei mir eintreten. Die standen schon nach dem ersten Telefonat weit offen. Was ich mir immerhin auf die Fahne schreiben kann: Carsten schwebte ein Magazin vor, ich habe ihm aber gleich gesagt: Lass uns eine Heft-Trilogie entwickeln. Eine Art Print-Netflix, mit dem wir die Athletinnen und Athleten über einen langen Zeitraum hinweg intensiv begleiten.
Carsten Oberhagemann: So sind dann unter dem Slogan „20.20 – Auf dem Weg nach Tokio“ tatsächlich drei ganze Ausgaben entstanden. Das „20.20“ stand für 20 Sportlerinnen und Sportler aus dem Team Deutschland und dem Team Deutschland Paralympics, die wir intensiver verfolgt haben. Durch die Verschiebung der Spiele um ein Jahr haben wir nun auch den Hefttitel angepasst. Das aktuelle Magazin läuft unter „TOKIO.21“.
Was bekommt der interessierte Leser in „TOKIO.21“ geboten?
Oliver Wurm: Langzeitreportagen, spannende Interviews, extrem aufwändig und hochwertig produzierte Bilderstrecken sowie echte, unverstellte Einblicke in die Welt unserer besten deutschen Sportlerinnen und Sportler. Alles ermöglicht durch tolle Reporterinnen und Reporter sowie Fotografinnen und Fotografen, die über die Jahre hinweg einen sehr, sehr engen Draht und ein großes Vertrauensverhältnis zu den einzelnen Athletinnen und Athleten aufgebaut haben.
Wie lange haben Sie die Sportlerinnen oder den Sportler denn begleitet? Es gibt nicht nur reine Interviews zu lesen, sondern ganze Portraits …
Carsten Oberhagemann: Ein Herzstück von „TOKIO.21“ ist beispielsweise eine Fotostrecke in schwarz-weiß-Optik. Der Fotograf Christoph Gramann war insgesamt sechs Monate in ganz Deutschland unterwegs, hat in der Zeit viele Sportlerinnen und Sportler im Training mit seiner Kamera begleitet. 17 Porträts davon haben wir dann unter der Qual der Wahl ausgewählt!
Oliver Wurm: Ich mache diesen Magazin-Job mittlerweile seit 25 Jahren. Diese Bilderstrecke ist mit das schönste und intensivste, was ich auf dem Gebiet gesehen habe. Wir sind sehr stolz, dass Christoph diese Bilder bei uns zeigt. Wir haben dafür gerne über 30 Seiten im Heft freigeräumt.
Gibt es eine Aussage, die Sie am Ende richtig überrascht hat?
Carsten Oberhagemann: Ganz persönlich beeindruckt hat mich der Weg von Para-Sprinter David Behre, der mir im Interview zu Heft 1 auf eindrucksvolle Weise von seinem Überlebenskampf damals am Bahndamm berichtete und seitdem mit zwei Beinprothesen und einem unbändigen Willen durch sein Leben sprintet. Am Ende unseres intensiven Gesprächs überraschte mich dieser lebensbejahende Mensch mit diesen Worten: „Meine Beine will ich gar nicht mehr zurück“.
Oliver Wurm: Den Auftakt in das Heft bildet ein offener Brief von Dirk Nowitzki an unser Olympia-Team. Ich wusste, dass die Spiele in Peking für ihn ein besonderes Erlebnis waren. Aber als ich den emotionalen Text das erste Mal las, hätte es mich fast schon wieder gerissen.
„TOKIO.21“ besticht nicht nur mit interessanten 148 Seiten, sondern auch mit seinem Cover beziehungsweise Covern. Was war die Idee dahinter?
Oliver Wurm: Wir wollten in diesen, vor allem ja für die Sportlerinnen und Sportler, so trüben und frustrierenden Zeiten ein echtes Zeichen setzen. Es gibt insgesamt fünf verschiedene Cover, auf jedem steht ein anderer Wert … zusammen bilden sie die Olympischen Ringe. Wir hoffen, dass viele Kioske und andere Verkaufsstellen die Magazine auch so ins Schaufenster hängen. Denn allein nur in der Kombination entsteht dieser besondere Effekt.
#Vielfalt, #Respekt, #Solidarität, #Teamgeist und #Fairplay sind große Werte, erfüllt eine Olympiade in dieser schwierigen Zeit diese Werte?
Oliver Wurm: Ganz sicher nicht überall und zu jeder Zeit. Umso wichtiger, täglich daran zu erinnern. Für die Sportlerinnen und Sportler, die wir fürs Magazin-Projekt begleitet haben, kann ich sagen: Ja, die erfüllen das!
Sie haben mit „TOKIO.21“ auch ein eigenes Portrait von „Team D“ gezeichnet. Quasi als Insider der deutschen Mannschaft: Was ist in Tokio drin?
Carsten Oberhagemann: Die Menschen schauen Sport ja auch deshalb, weil sie nicht wissen, wie es ausgeht. Sicher gibt es Team-D-intern solche Prognosen und Hochrechnungen, dass man sich ausgerechnet hat, wo es im besten Fall Medaillen geben kann. Wir haben das bewusst nicht getan.
Oliver Wurm: Es ist eine Idee des Konzepts, auch über Rückschläge zu berichten. Das gehört zum Sport nun einmal auch dazu. Nicht alle, die wir seit 2019 begleitet haben, sind nun in Tokio auch dabei. Simone Blums großartiges Pferd „Alice“ hat sich verletzt, der Surfer Arne Bergwinkel war in der finalen Phase der Qualifikation nicht in Top-Form, Speerwerfer Thomas Röhler musste wegen Rückenbeschwerden passen. Auch ihre Geschichten erzählen wir.
Zum Abschluss: Wie werden Sie die Olympischen Spiele in Tokio verfolgen und auf welche Wettkämpfe freuen Sie sich dabei besonders?
Carsten Oberhagemann: Ich werde ja vor Ort in Tokio sein und dabei in meiner Funktion als Geschäftsführer des Team Deutschland-Achter in allererster Linie die Ruder-Wettbewerbe im Blick haben. Darüber hinaus, nur wenn es die Zeit erlaubt, möchte ich auch andere Wettkampfstätten besuchen und dabei insbesondere die Sportlerinnen und Sportler im Auge behalten, die wir mit unserer Serie „20.20“ seit über zwei Jahren begleiten.
Oliver Wurm: Neben dem Magazin „TOKIO.21“ habe ich mit meinem Büro auch ein Panini-Album zu Olympia an den Kiosk gebracht. In Teil eins zeigen wir die größten deutschen Olympia-Momente seit dem Beginn der Spiele der Neuzeit 1896 bis zu den Spielen in Rio 2016. Der zweite Teil des Albums entsteht quasi „live“ in Tokio. Alle Medaillen und alle großen emotionalen Momente werden dann auch ein Panini-Bildchen. Ich schaue also einmal als Fan, und einmal als Album-Macher. Das wird klasse … beides. (TX)
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