Annemiek van Vleuten: „Die Tour de France Femmes war gewollt, kein Muss“.
Im vergangenen Jahr feierte die Tour de France Femmes avec Zwift ihre Premiere. Und es wurde großer Sport geboten, mit Annemiek van Vleuten als Gesamtsiegerin. Wer auch sonst? In diesem Jahr findet vom 23. bis 30. Juli die zweite Ausgabe statt, mit der niederländischen Olympiasiegerin und Weltmeisterin. Auch wenn Annemiek van Vleuten nach der Saison aufhört, die Tour de France Femmes will sie gewinnen.
Annemiek, Sie haben im Radsport fast alles schon erlebt und eigentlich auch fast alles gewonnen. Was ging Ihnen durch den Kopf, als Sie hörten, dass die Tour de France Femmes avec Zwift wirklich 2022 kommen wird?
Annemiek van Vleuten: Ich war am Anfang etwas skeptisch gegenüber der Tour de France Femmes. Die Menschen in den Medien neigen dazu, sich auf eine Sache zu konzentrieren und diese viel zu wichtig zu nehmen. Aber als die Veranstaltung dann begann, war ich umso begeisterter. Die Organisation war von Anfang an gut. Ich war überrascht, dass die Frauen nicht mehr nur ein Nebenschauplatz waren. Mir wurde schnell klar, dass sie diese Tour de France Femmes nicht organisiert haben, weil sie dachten, sie müssten es, sondern weil sie es wollten.
Was hatte Sie im Vorfeld am meisten interessiert?
Annemiek van Vleuten: Ich war gespannt auf die Strecke, vor allem als ich mir die Königsetappe 2022 mit „la super planche des belles filles“ angeschaut hatte. Dieser Anstieg wirkte schon optisch brutal. Und brutal ist wirklich gut für mich!
Am Ende haben Sie die erste Tour de France Femmes avec Zwift gewonnen. Dabei sah es am Anfang gar nicht gut aus. Was war passiert?
Annemiek van Vleuten: Ich wurde nach der ersten Etappe krank. Ich hatte direkt im Ziel ein Stück einer Wassermelone gegessen … das Abendessen habe ich bereits ausgelassen. In der Nacht wurde es richtig schlimm, die Toilette zu meinem besten Freund. Aber was hätte ich sonst machen können?
Die zweite und dritte Etappe waren eher flach, aber windig. Die einzige Chance, die ich hatte, mich im Peloton zu verstecken. Was durch den Wind schwierig war. Aber mein Team hat mich beschützt und hervorragende Arbeit geleistet. Der Zeitverlust hielt sich in Grenzen. Mit dem vierten Tag wurde es besser und das Ende ist heute Geschichte. Hätten die anderen Favoritinnen gewusst, wie schlecht es mir wirklich ging, hätten sie wohl deutlich mehr herausgeholt.
Und dann stand auch noch die Königsetappe aus!
Annemiek van Vleuten: Ich hatte mich nicht nur auf die Etappe gefreut, sondern ich hatte auch einen Plan. Ich wusste nur nicht wirklich, ob ich diesen Plan aufgrund der Krankheit durchziehen kann. Ich habe es versucht … ich habe direkt am ersten der drei Anstiege attackiert. Eigentlich konnte nur Demi die Attacken kontern. Aber genau Demi wollte ich nicht bis zum letzten Anstieg dabei haben. Also habe ich an jeder steilen Rampe attackiert. An der letzten Rampe hat es dann funktioniert und so konnte ich den letzten Anstieg ein wenig ruhiger angehen. Es war toll!
Eine mutige Attacke. Wie ging es Ihnen am nächsten Tag?
Annemiek van Vleuten: Ich hatte zwar nur fünf, sechs Stunden geschlafen, aber es ging mir verhältnismäßig gut. Ich hatte vor allem noch gute Beine. Sonst fühlt man sich nach solch einer Anstrengung, als ob dich ein Lastenwagen überrollt hat … mir ging es hingegen gut. Eine große Erleichterung.
Wussten Sie da, dass der Gesamtsieg Ihnen ist?
Annemiek van Vleuten: Ich habe es zumindest gehofft. Ich wusste aber, dass die Konkurrentinnen, wenn sie den Sieg wirklich noch wollen, mich attackieren müssen. Ich konnte also abwarten und in Ruhe beobachten was so geschieht.
Am Ende der Saison stellen Sie das Rennrad in die Ecke. Sie sind immer noch die Frau, die es zu schlagen gilt. Sie haben die Vuelta Femenina und den Giro d’Italia Donne in diesem Jahr noch einmal gewonnen. Wollen Sie nun den Titel bei der Tour de France Femmes avec Zwift verteidigen?
Annemiek van Vleuten: Ich werde es versuchen! Die Schlüsselstellen werden wohl das Zeitfahren und der Tourmalet sein. Man muss an diesen beiden Tagen sehr gut sein, wenn man den Sieg will. Ich gebe alles! (Red Bull/TX)
Foto: Annemiek van Vleuten Copyright ASO