Anne-Kathrin Berndt: „Die Unterstützung der Sporthilfe entlastet mich“.
Anne-Kathrin Berndt ist Kandidatin bei der Wahl „Sport-Stipendiat des Jahres“ der Sporthilfe vergeben Auszeichnung für Spitzenleistungen in Sport und Studium. Die Online-Abstimmung erfolgt unter: www.sportstipendiat.de. Die Sitzvolleyballerin wird im Oktober die Europameisterschaft und einen Monat später den World Cup in Kairo bestreiten. Dazu stemmt Anne-Kathrin Berndt ein duales Masterstudium samt Job.
Anne-Kathrin, im Mai letzten Jahres hast Du Dir den Fuß an Deinem gesunden Bein gebrochen. Was bedeutete das für Dich und Deinen Alltag?
Anne-Kathrin Berndt: Es war das erste Mal seit meiner Krebserkrankung und der Amputation des Beines, dass ich mich wieder eingeschränkt, hilflos gefühlt habe. Ich bin ein Mensch, der eigentlich alles selbst macht. Ich brauche keine fremde Hilfe, ich bin selbstständig. Auf einmal nicht mehr laufen zu können, war erst mal eine große Herausforderung und eine ganz schwierige Zeit.
Und trotzdem wurdest Du im gleichen Jahr für die Weltmeisterschaft berufen. Wie hast Du es geschafft, Dich aus diesem Tief heraus zu kämpfen?
Anne-Kathrin Berndt: Dass ich nach dieser Verletzung überhaupt nominiert wurde, war für mich ein riesiger Glücksfall, mit dem ich nicht gerechnet hätte. Gleichzeitig war es der größte Ansporn, mich nach dem Fußbruch zurück zu kämpfen. Das hat mich noch mal richtig gepusht. Ehrlicherweise habe ich aber unterschätzt, was das Ganze mental mit sich bringt, und habe mich tierisch unter Druck gesetzt, sodass ich nicht die Leistung zeigen konnte, die ich gerne gezeigt hätte. Und bei dem Turnier die meiste Zeit auf der Bank verbringen zu müssen, war eine Herausforderung. Ich habe mich selten zuvor in meinem Leben so hin- und hergerissen gefühlt.
Im Jahr zuvor hast Du Bronze bei der Europameisterschaft gewonnen, nur ein Jahr nach Deinem Debüt mit der deutschen Nationalmannschaft. Jetzt bist Du 36. Hättest Du mit Ende 20 an solch eine Karriere gedacht?
Anne-Kathrin Berndt: Nein, in dem Alter habe ich nicht einmal über so eine große Chance nachgedacht. Zum einen wieder eine Mannschaftssportart zu betreiben und zum anderen so hochklassig zu spielen, war damals undenkbar. Ich stand an einem ganz anderen Punkt im Leben, habe meinen Mann kennengelernt und mich in die Rolle einer Stiefmutter für zwei Töchter eingelebt.
Und wie kam es dann doch noch zu den sportlichen Ambitionen?
Anne-Kathrin Berndt: Ich hatte schon früher davon gehört, dass es auch Vereine für Sitzvolleyball gibt. Die waren aber zu weit weg. In meiner Kindheit und Jugend habe ich Handball gespielt, musste den Sport dann irgendwann aufgeben, weil die Prothese zu oft kaputt ging. Nach diesem Cut hat mir der Mannschaftssport aber gefehlt. Als ich erfahren habe, dass es in Bremen eine Sitzvolleyballmannschaft gibt, habe ich mich angemeldet und bin seitdem mit sehr viel Spaß dabei. Dann kam die Pandemie, wir haben trotzdem, soweit es die Gegebenheiten uns eben erlaubten, draußen weitergemacht und dann wurde ich auch relativ fix in ein Trainingslager der deutschen Nationalmannschaft eingeladen. Und seitdem bin ich dabei.
Und Deine Familie stärkt Dir wahrscheinlich den Rücken?
Anne-Kathrin Berndt: Ja, meine Familie gibt mir den größten Rückhalt, den ich mir vorstellen kann. Das sind mein Ehemann, seine Töchter, mein Papa und eine ganze Familienbande drum herum. Gerade ohne diesen engsten Kreis wäre das alles nicht möglich und ist für mich absolut keine Selbstverständlichkeit. Umso mehr freue ich mich natürlich, wenn auch ich mal mit guten Ratschlägen zur Seite stehen und ein gutes Vorbild sein kann. Vielleicht lernen sie von mir: Wenn man sich was vornimmt und es wirklich will, dann schafft man es auch.
Familie, Leistungssport, duales Studium mit Vollzeitjob. Da stellt sich doch die Frage: Wie viele Stunden hat Dein Tag, um überall zu performen?
Anne-Kathrin Berndt: Definitiv zu wenig Stunden … es ist schon herausfordernd, alles unter nur einen Hut zu bekommen und allen Bereichen gerecht zu werden. Ein gutes Zeitmanagement ist das A und O. Ich habe feste Slots für mein Training, zum Lernen, für Klausuren und für die Arbeit. Das duldet aber kaum Platz für spontanere Termine. Darunter leidet manchmal der private Teil. Nicht jeder kann das verstehen. Aber ich denke mir, wenn man wirklich ein Ziel verfolgt, in meinem Fall das Studium erfolgreich durchzuziehen, den Sport voranzutreiben und den Job zu machen, muss man Opfer bringen. Und ich mache alles gerne, ich weiß ja, wofür!
Mit Deinen Erfolgen setzte irgendwann auch die Förderung der Sporthilfe ein. Was bedeuten Dir diese Art der Unterstützung und dazu die Möglichkeiten, die das Deutsche Bank Sport-Stipendium mit sich bringen?
Anne-Kathrin Berndt: Gerade in einer paralympischen und unbekannten Sportart gibt einem die Förderung zum einen Anerkennung, aber zum anderen auch eine gewisse Sicherheit und einen Puffer. Die Unterstützung entlastet mich vor allem in Hinblick auf meine Masterthesis, die ich innerhalb der Regelstudienzeit schreiben will. Mit der Förderung kann ich mir eine Auszeit von meinem Arbeitsalltag nehmen und mich zu 100 Prozent nur darauf konzentrieren. Die Aufmerksamkeit durch die Nominierung ist etwas Neues für mich. Trotzdem will ich auch auf all die anderen aufmerksam machen, die ebenfalls im Sport und der beruflichen Karriere viel leisten und mit schwierigen Rahmenbedingungen zu kämpfen haben. Vielleicht inspiriere ich den ein oder anderen, der sich denkt: „Wenn die es schafft, schaffe ich es auch“ … damit hätte ich schon alles erreicht. (TX)
Foto: Anne-Kathrin Berndt – Copyright Sporthilfe