Angelique Kerber: „Bei mir überwiegt die Freude, wieder auf dem Platz zu stehen“.
Angelique Kerber gehört zu den erfolgreichsten deutschen Tennisspielerinnen, doch einen Start wie in das Jahr 2021 hat selbst die gebürtige Bremerin noch nie erlebt. Nach der Quarantäne blieben Angelique Kerber nur noch wenige Tage, um wieder fit zu werden. Im Interview mit dem Porsche Newsroom erzählt die Major-Siegerin, wie sie die Zeit allein im Hotelzimmer verbracht hat, wie sie jetzt trainieren wird usw.
Angelique, was war das für ein Gefühl, als Sie Ihr Hotelzimmer erstmals wieder verlassen durften?
Angelique Kerber: Es war ein schönes, befreiendes Gefühl, an die frische Luft zu kommen und um Mitternacht noch die ersten Bälle schlagen zu können. Melbourne ist eine meiner Lieblingsstädte auf der Tour. Umso mehr habe ich mich gefreut, dort endlich richtig anzukommen, die Skyline nicht nur durchs Fenster zu erleben.
Wie haben Sie die ersten Tage nach der Quarantäne verbracht?
Angelique Kerber: Wegen der kurzen Vorbereitungszeit stehen für mich Einheiten auf dem Platz ganz klar an erster Stelle. Darauf liegt mein Fokus. Da wir uns in Melbourne frei bewegen können und alle Restaurants und Geschäfte geöffnet sind, war eine schöne Abwechslung, mit dem Team mal wieder essen gehen zu können. Ein Abstecher nach St. Kilda Beach war, wie jedes Jahr, auch mit dabei.
Sie haben sich sehr intensiv auf die Australian Open 2021 vorbereitet. Wie gut haben Sie sich gefühlt, wie groß war die Vorfreude?
Angelique Kerber: Die Vorfreude auf den Saisonstart in Australien ist immer groß. Die Aussicht, wieder vor begeisterten Fans in dem Stadion spielen zu können, in dem ich 2016 mein erstes Grand Slam feiern konnte, hat mich in den vergangenen Wochen motiviert, im Training an meine Grenzen zu gehen. Durch die Verschiebung des Tour-Starts hatte ich diesmal auch deutlich mehr Vorbereitungszeit als gewohnt.
Was bedeutet es für Leistungssportler, vor dem ersten Saisonhöhepunkt ein paar Wochen nicht trainieren zu können? Wie haben Sie das zu kompensieren versucht?
Angelique Kerber: Das ist natürlich alles andere als ideal. Ich habe zwar versucht, durch tägliche Workouts im Hotelzimmer nicht zu viel von meiner Grundfitness zu verlieren, aber die Einheiten auf dem Platz sind durch nichts zu ersetzen, schon gar nicht vor einem Grand Slam. Die kurzen Sprints, die tennisspezifischen Abläufe, die Wiederholungen in den Schlägen und die Matchpraxis; das geht alles ein Stück weit verloren. Trotzdem habe ich versucht, das Beste aus der Situation zu machen. In meinem Zimmer hatte ich eine kleine Fitness-Ecke mit Matte, Hanteln, Medizinball sowie einem Laufband. Das war natürlich sehr hilfreich.
Wie sind Sie mit der Situation zurechtgekommen? Was haben Sie gemacht?
Angelique Kerber: In den vergangenen Jahren habe ich gelernt, gelassener zu bleiben und mich nicht über Dinge aufzuregen, die ich sowieso nicht ändern kann. Dadurch bin ich jetzt auch mit dieser Situation ganz gut zurechtgekommen. Ich habe sie von Anfang an akzeptiert. Es gibt in Zeiten von Corona so viele Menschen, die schwere Schicksalsschläge erleiden und um ihre Existenzen bangen. Dagegen ist Quarantäne in einem Hotelzimmer nichts, worüber man sich beschweren sollte. Ich habe versucht, den ganzen Tagen eine feste Struktur zu geben, mit regelmäßigen Fitnesseinheiten und willkommenen Ablenkungen wie Netflix-Serien „The Crown“ und „The Queen’s Gambit“.
Wie haben Sie Ihren Geburtstag am 18. Januar gefeiert? Wir haben gehört, Sie haben sehr viel telefoniert?
Angelique Kerber: Auch hier musste ich ein bisschen improvisieren. Immerhin war es ein Geburtstag, den ich so schnell nicht vergessen werde. Da ich das Zimmer in der Quarantäne nicht verlassen konnte, habe ich mit vielen Freunden über Facetime gesprochen und mir die Zeit genommen, alle lieben Nachrichten zu lesen und zu beantworten.
Wie hat sich der Veranstalter der Australian Open um Sie gekümmert?
Angelique Kerber: Ich kann nur staunen, was die Turnierorganisatoren in dieser Zeit geleistet haben. Das war eine echte Herkulesaufgabe, die sie mit Freundlichkeit und Engagement den Spielerinnen und Spielern gegenüber bewältigt haben. Wir wurden jeden Tag im Rahmen von Telefonkonferenzen über die Entwicklungen gut informiert. Wegen der strikten, völlig gerechtfertigten Quarantänebestimmungen der australischen Regierung wurden wir jeden Tag getestet.
Die Spielerinnen ohne Infektionsfall im Flugzeug durften ihr Hotelzimmer zum täglichen Training verlassen. Ist dies Chancengleichheit?
Angelique Kerber: Die Voraussetzungen in den zwei Gruppen waren in der Tat sehr unterschiedlich. Das bestreitet auch keiner. Ich für mich habe es akzeptiert und finde es wenig hilfreich, sich groß darüber aufzuregen.
Die Australian Open waren immer eines Ihrer Lieblingsturniere. Hat sich daran etwas geändert?
Angelique Kerber: Ganz und gar nicht. Die Australian Open haben in meiner Karriere einen besonderen Stellenwert. Sie sind ein Herzensturnier von mir, mit vielen schönen Erinnerungen, vor allem natürlich an 2016, als ich in Melbourne meinen ersten Grand Slam gewinnen konnte. Die australischen Fans haben mich in den vergangenen Jahren immer herzlich empfangen und unterstützt. Das war für mich der Grund, in der jetzigen Zeit überhaupt nach Australien zu fliegen.
Wie geht es nach Melbourne weiter?
Angelique Kerber: Mein Fokus liegt, wie schon in den vergangenen Jahren, auf den großen Turnieren. Da wir uns aber noch inmitten der Pandemie befinden, ist es nicht einfach, die Saison weit im Voraus zu planen. Von daher habe ich mir mit meinem Team nur Etappenziele gesteckt.
Auf welche Turniere, neben den Grand Slams, freuen Sie sich besonders?
Angelique Kerber: Ganz besonders freue ich mich auf die Turniere in Deutschland, angefangen mit dem Porsche Tennis Grand Prix in Stuttgart im April. Ich hoffe sehr, dass wir die Pandemie bis dahin einigermaßen unter Kontrolle bekommen. Es wäre unglaublich schön, die Fans in der Porsche-Arena bald wieder zu sehen, sofern das in einer sicheren Umgebung möglich ist. Wir können uns überhaupt sehr glücklich schätzen, dass die Veranstalter trotz der schwierigen Rahmenbedingungen Turniere anbieten. Gesellschaftlich haben wir es aktuell mit größeren Herausforderungen zu tun, der Sport steht gewiss an zweiter Stelle. Dennoch ist das ein Schritt zurück zur Normalität, solange die Sicherheit aller Beteiligten gewährleistet ist! (Porsche/TX)
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