Andreas Scheede: „Unser Ziel sind kreative Spieler“.
Strahlender Sonnenschein, viele verschiedene Sportmöglichkeiten sowie engagierte Teilnehmerinnen und Teilnehmer, das sind die Komponenten, die zum erfolgreichen Gelingen des Stadtwerke Ostercamps der BG Göttingen in diesem Jahr beigetragen hatten. Doch im Bereich der Jugendförderung eines Bundesligisten reicht solch ein Camp alleine nicht aus. Also, wie steht es um die Talente bei der BG Göttingen?
Andreas, wir hatten bereits über das Ostercamp 2022 gesprochen, aber wie ist es generell um den Nachwuchs bei der BG Göttingen bestellt?
Andreas Scheede: Wie ich schon damals in dem Interview sagte, beim Ostercamp geht es gar nicht so sehr um das Thema Basketball, sondern mehr um Bewegung. Wir haben durch die Pandemie ein offensichtliches Problem bei der Bewegung. Und wenn dann der eine oder andere zum Basketball geht, freuen wir uns natürlich.
Aber zur Frage zurück. Aktuell haben wir am Standort Göttingen keine U10 mehr, es fehlen einfach die Kinder für einen geregelten Spielbetrieb. Wir spielen nur Turniere, dies ist leider der aktuelle Stand. Das muss sich nach der Pandemie wieder ändern, daran arbeiten wir. Um dieses Tal zu verlassen, sind zwei Faktoren wichtig. Erstens muss man Übungsleiter dafür begeistern. Also für die Fortbildungen sorgen sowohl im Breitensport als auch im Leistungssport. Das machen wir. Zweitens muss man in die Schulen gehen und die Kinder wieder aktivieren. Göttingen ist verrückt, wenn es um Basketball geht, dies muss nur bei den Kindern wieder reaktiviert werden.
Ein Plan ist, im Juni mit einer Liga für Grundschulen zu beginnen. Das war bereits in der Vergangenheit ein großer Erfolg. Dann träume ich von einer Grundschul-EM … also sechs Grundschulen spielen eine so betitelte Europameisterschaft. Jede dieser Schulen repräsentiert eine Nation, mit selbst gebastelter Fahne und einem typischen Bauwerk sowie Gericht. Damit die Kinder einfach mehr Spaß an der Sache haben. Ich glaube, mit solchen Aktionen kann man Kinder fürs Basketball begeistern.
Wenn wir ehrlich sind, im Basketball muss man auf jeder Position größer als der Durchschnitt sein. Ist die Größe in der Jugend schon ein Thema?
Andreas Scheede: Das spielt zumindest in Göttingen überhaupt keine Rolle, aber so ehrlich muss man sein, weil wir es uns auch gar nicht erlauben können. Wenn im Fußball oder auch bei ALBA Berlin eine lokale Sichtung bei der 12-jährigen Jugend stattfindet, dann hat man rund 10.000 Kinder zur Sichtung. Wenn man die Kriterien Länge und Beweglichkeit als Basis nimmt, kommen noch gut 100 Kinder in Frage. In Göttingen komme ich auf sieben, acht Kinder in der Altersklasse, die zum Basketball wollen. Deswegen kann ich gar nicht nach solchen Kriterien aussuchen. Wir müssen schauen, wie wir die talentierten Spieler fördern, ohne unser Umfeld zu vergessen. Ich will viele Kinder für den Sport begeistern und nicht schon im Kopf aussortieren.
Ab welchem Alter spielen die Jugendlichen auf ihrer Position?
Andreas Scheede: Früher wurde schon recht früh nach Positionen eingeteilt … der Lange geht ans Brett, holt die Rebounds und lernt mehr oder weniger nur noch die nötigen Bewegung für diese Position. Das hat sich zum Glück geändert. Heute wird bei den jüngeren Jahrgängen so lange wie möglich auf allen Positionen gespielt. Wir spielen nach dem System „read and react“. Unser Ziel sind kreative Spieler!
Die taktischen Schulungen, wie zum Beispiel „pick and roll“, finden spätestens in der U16 intensive Anwendung und müssen natürlich trainiert werden. Mein Traum ist es, ohne solche Hilfsmittel auskommen, lieber kreativ bleiben und Lösungen finden. In der Bundesliga kommen die kreativen Spieler auch auf mehr Einsatzzeiten.
Wie betrachtest Du in diesem Kontext dann Streetball oder gar 3×3?
Andreas Scheede: 3×3, ich liebe es. Ich bin ein großer Fan. Ich wäre dafür, dass es in weiterführenden Schulen als Turnierform gespielt werden muss. Der Hintergrund ist, dass man oftmals kein Fünf gegen Fünf gestellt bekommt. Es ist im Grunde eine andere Sportart, aber ich lasse es bei den Kindern sehr gerne spielen. Auf nur einen Korb bekommt man sechs Kinder beschäftigt und es ist richtig Feuer drin. Natürlich muss man das Regelwerk kindergerecht anpassen, aber es macht sehr viel Spaß!
Und wie viele der Talente schaffen es dann zur BG Göttingen?
Andreas Scheede: Mit Nick Boakye und Max Wüllner haben wir zwei Göttinger im Kader, als Trainingsspieler. Eine erste Mannschaft auf Basis nur von Göttingern wird sehr schwer werden. Doch wir arbeiten daran, so viele Jungs wie eben möglich aus der Region zu den Profis zu bekommen. Es ist aber noch ein langer Weg.
Mit unserem neuen Trainingszentrum, welches im Jahr 2017 eröffnet wurde, haben wir einen wirklich riesigen Schritt gemacht. Jetzt können wir quasi rund um die Uhr Basketball anbieten. Durch die entstandene Nähe zu den Profis sehen die Jungs, was es für eine Arbeit ist und was man investieren muss um auf diesem Niveau zu spielen. Dazu kommt noch, mit Roel Moors haben wir einen Coach, der die Jugend fordert und fördert. Wir sind auf unserem Weg, aber auf einem langen Weg. (LB)