André Costa: „Auf aktuelle Ereignisse einzugehen, war gar nicht so leicht“.
Eigentlich wollte der Regisseur und Kameramann André Costa in Luzhba nur einen Abenteuerfilm in Sibiriens perfektem Powder produzieren. Dann hat sich die Politik eingemischt und „Luzhba“ in einen brisanten Streifen über den Krieg verwandelt, der beim Freeride Filmfestival bis 17. November trotzdem auf unterhaltsamste Art zeigt, dass Menschen in unterschiedlichen Kulturen eigentlich nicht so verschieden sind.
Wie kommt man auf die Idee, zum Freeriden nach Sibirien zu reisen?
André Costa: Prinzipiell ist es so: Wenn du Anfang November bei minus 15 Grad den besten Powder deines Lebens fahren willst, bist du in Sibirien absolut richtig. Die Idee war deshalb, einfach diesen großartigen Powder zu shredden. Gleichzeitig wollten wir Anton Lementuev kennenlernen und ihn bei seiner Arbeit als Aktivist bei Besuchen in nahegelegenen Kohleminen begleiten. Als wir in Luzhba angekommen sind, ist mir im ersten Gespräch klar geworden, dass es nicht möglich wäre: Würden wir unangemeldet filmen, könnte das schlimme Konsequenzen haben. Dieses Risiko war es uns nicht wert, ich musste mich schnell für eine neue Richtung entscheiden.
„Luzhba“ könnte ein ganz „normaler“ Abenteuerfilm sein, wenn da nicht diese fürchterliche Entwicklung des vergangenen Jahres wäre. Wie schwierig war es, auf aktuelle Ereignisse, einzugehen?
André Costa: Auf aktuelle Ereignisse einzugehen, war gar nicht so leicht. Nachdem Russland den Krieg in der Ukraine begonnen hatte, wollten weder Anton noch sein Kollege Grigory Mintsev öffentlich darüber sprechen. Ich musste lange mit beiden argumentieren, bis ich Anton dazu brachte, sich als Aktivist zu äußern.
Wie hast Du die Guides sowie Gastgeber überhaupt kennengelernt?
André Costa: 2019 war ich bereits einmal in Sibirien, um am Baikalsee Skitouren zu gehen. Ich konnte es damals nicht lassen, diese Reise zu dokumentieren. Grigory, dem Organisator sowie Geschäftsführer von „Skiing in Siberia“, hat mein spontaner Film damals so gefallen, dass er mich wieder einladen wollte, um 2021 ein weiteres Skitouren-Paradies zu dokumentieren. Über Grigory habe ich Anton sowie dessen verrückte Geschichte kennengelernt. Die ganze Zusammenarbeit war super. Anton ist offen und kooperativ, spricht sehr gut Englisch und kann sich stark ausdrücken.
Anton Lementuev erzählt in „Luzhba“ abenteuerliche Geschichten aus seiner Jugend. Wie waren im Vergleich denn Deine Anfänge? Kann man Deine Story mit seiner vergleichen? Wieso können sich Menschen über alle sprachlichen, kulturellen Grenzen so gut verstehen?
André Costa: Was ich erstaunlich finde, wie ähnlich Leidenschaften sein können. Obwohl man tausende Kilometer entfernt gelebt hat. Wir wollen Spaß haben und unberührte Landschaften entdecken. Skifahren scheint das perfekte Mittel dafür zu sein. Das haben Anton und seine Freunde sich auch gedacht. Der Unterschied ist allerdings, dass wir äußerst solide Infrastrukturen hatten, um uns Schritt für Schritt heranzutasten. Anton und seine Freunde hatten nichts … trotzdem haben sie diese Motivation und Möglichkeiten gefunden, ihre Leidenschaft auszuleben.
Ist „Luzhba“ letztendlich aus Deiner Sicht noch ein unterhaltsamer Film?
André Costa: Ich will mit dem Film eines zeigen: Egal, wie unsere Umstände sind, wir müssen immer um unsere eigene Realität, unsere Ideen kämpfen. Auch, wenn die ganze Gesellschaft um uns herum uns dabei nicht unterstützt, wie es bei Anton der Fall war. Wir müssen akzeptieren, dass von einem Tag auf den anderen alles anders sein kann … dies erlebt die ganze Welt gerade seit dem 24. Februar. (FFF/TX)