Alexander Walz: „Wie viele andere bin ich so zum Gravelbiker geworden“.
Offroad-taugliche Rennräder, sogenannte Gravelbikes, werden als neue Allrounder immer beliebter. „Müsste ich mich ab heute für den Rest meines Lebens mit einem Rad begnügen, ich würde mich für ein Gravelbike entscheiden“, so Alexander Walz, Redaktionsleiter beim Special-Interest-Magazin „GRAVELBIKE“. Die neue Ausgabe ist im Handel oder auch einfach unter https://shop.motorpresse.de/ erhältlich.
Was ist das Besondere an Gravelbikes?
Alexander Walz: Gravelbikes stehen, wie Rennräder, für eine Reduktion auf das Wesentliche: Es gibt überhaupt keine aufwendigen Federelemente wie an modernen Mountainbikes, normalerweise keinen Gepäckträger, keine Lichtanlage und zudem auch keine Schutzbleche. Gerade diese Anbauteile lassen sich meistens problemlos nachrüsten, wenn man möchte. Gravelbikes sind insgesamt sehr robust und dazu so konstruiert, dass sie auch auf längeren Touren ausreichend Komfort anbieten. Unterm Strich also echte Allrounder, mit denen man fast alles machen kann. Müsste ich mich ab heute für den Rest meines Lebens mit einem Rad begnügen, ich würde mich für ein Gravelbike entscheiden.
Warum sind Gravelbikes heute so beliebt, was können diese Räder besser als Mountainbikes?
Alexander Walz: Der Mountainbike-Markt hat sich in den letzten Jahren extrem dynamisch entwickelt. Neue Kategorien, immer mehr Wahlmöglichkeiten innerhalb dieser Kategorien, immer mehr E-Mountainbikes und immer komplexere Technik … da haben viele potenzielle Käufer den Überblick verloren. Das eine Bike für alles gab es plötzlich nicht mehr. Gravelbikes stoßen in genau diese Lücke; als robuste, aber dennoch leichte und sportliche Räder, die sich für die Ausflüge über Schotter, Naturstraßen und Trails genauso gut eignen, wie für das zügige Vorankommen auf Asphalt. Sie sind fast genauso schnell wie Rennräder, dabei aber so geländegängig, dass es für die meisten Radfahrer völlig ausreicht.
Wie ist der Hype um Gravelbikes zu erklären?
Alexander Walz: Ursprünglich kommt der Trend aus den USA, wo man in den ländlichen Gegenden noch viele Schotterstraßen findet. Klassische Rennräder mit ihren schmalen Reifen sind dafür nicht ausgelegt, wären hier auf Dauer zu wenig robust, zu defektanfällig. Stabilere Laufräder, robustere, breitere Reifen sowie eine etwas gemäßigtere Rahmengeometrie sind deshalb die wesentlichen Punkte, die das Gravelbike von einem modernen Rennrad unterscheiden. Das geringe Gewicht der Räder und die wartungsarme Technik machen für viele den besonderen Reiz aus. Gerade auch für sportliche Fahrer, die vom Rennrad kommen, gerne längere Strecken fahren und die Geschwindigkeit lieben. Und auch hier in Deutschland sind ja längst nicht alle Wege asphaltiert, etwa im Wald, oder überall in gutem Zustand.
Bisher waren die sportlichen Radfahrer vor allem auf dem Rennrad unterwegs. Was hat sich geändert?
Alexander Walz: Wer als Rennradfahrer irgendwann das Bedürfnis verspürt, von den immer volleren Straßen wegzukommen, landet beinah schon zwangsläufig beim Gravelbike. Die Verwandtschaft zum Rennrad ist offensichtlich, und doch sind die Möglichkeiten, die ein Gravelrenner bietet, ungleich größer. Ich selbst war vor zehn Jahren an dem Punkt angekommen, nachdem mich ein Autofahrer mit dem Rennrad von hinten abgeräumt hatte. Damals habe ich mir ein offroad-taugliches Rennrad mit Scheibenbremsen bauen lassen, weil es auf dem Markt nichts Passendes gab. Wie viele andere bin ich so zum Gravelbiker geworden, ohne mich für diesen Begriff zu interessieren. Das Gravelbike hat also viele Väter …
Können Gravelbikes „von der Stange“ das gleiche bieten wie ein individuell maßgeschneidertes Rad?
Alexander Walz: Ein auf Kundenwunsch gebautes Rad bleibt immer etwas ganz Besonderes, ein Unikat. Doch inzwischen ist das Angebot an Gravelbikes so groß, dass jeder das für sich passende finden kann. Einige Hersteller bieten sogar schon zwei oder drei Modellreihen mit völlig unterschiedlicher Ausrichtung in nahezu allen Preisklassen an. Viele Hersteller verkaufen inzwischen deutlich mehr Gravelbikes als „klassische“ Rennräder. Die Vielseitigkeit und die große Auswahl spiegelt auch die Vielfalt der Szene wider: Denn den Gravelbiker gibt es nicht. Manche nutzen ihr Rad nur als Sportgerät, möchten aber lieber in der Natur unterwegs sein, weg von der Straße und flexibler in der Wahl ihrer Strecken. Andere pendeln damit zur Arbeit und nutzen das Bike als Fortbewegungsmittel im Alltag. Wieder andere wollen damit längere Touren und Radreisen unternehmen, gerne auch mit Gepäck. Wirklich alles ist möglich, und das macht die Räder so beliebt. Gravelbikes sind Generalisten. Die Vielfalt und all diese Möglichkeiten, die sich daraus ergeben, wollen wir in unserem Magazin „GRAVELBIKE“ abbilden.
Wo lässt man denn dann das Gepäck?
Alexander Walz: Das nennt sich dann Bikepacking, auch dieses Thema behandeln wir im Heft ausführlich. Dabei werden mehrere kleinere Taschen mit Schlaufen und Klettriemen am Rahmen, am Lenker oder unter dem Sattel befestigt. Und auf diese Weise bekommt man tatsächlich alles unter, was man unterwegs so braucht. Zelt und Schlafsack inklusive, wenn gewünscht. Das kann für das „Mikroabenteuer“ über ein Wochenende sein oder auch für eine längere Reise … wenn man sich auf das Wesentliche beschränkt. Auch darüber erzählen wir in „GRAVELBIKE“.
Gibt es Gravelbikes auch mit Elektromotor oder widerspricht das dann doch dem sportlichen Anspruch der Fahrer?
Alexander Walz: „E“ macht vor keiner Fahrradkategorie halt … es gibt inzwischen ja auch Rennräder mit Motor. Radfahren ist ein sozialer Sport, macht in der Gruppe am meisten Spaß. Und wenn Paare, Freunde oder auch größere Gruppe zusammen unterwegs sein wollen, kann so ein Motor als „Gleichmacher“ helfen, um dadurch Fitnessniveaus auszugleichen, sodass die Tour am Ende allen Spaß macht.
Worin liegt eigentlich der Unterschied zu Trekkingrädern?
Alexander Walz: In einem Satz: Gravelbikes sind schneller, leichter und, keine Frage, einfach viel cooler.(MPS/TX)
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