Alex Glöckle: „Trainer, die dieses Know-how dann in die Fußballwelt raustragen“.
Immer mehr wissenschaftlich fundierte Ansätze fließen heute ins Training ein, auch beim Fußball. Auch das Team von Soccerkinetics verfolgt solch einen neuen sowie modernen Ansatz. In diesem Zusammenhang sind der differenzielle Lernansatz, das Dual-Task-Training, das Brain-Gym-Konzept sowie das Neuroathletiktraining ganz wichtige Punkte. Im Interview mit Mitgründer Alex Glöckle erklären sich die Ansätze.
Gude Alex, Du warst ja schon bei der „sportflash.online Telko“ zur Fußball-EM unser Gast. Ich dachte damals, ich könnte mich so ein wenig aus der Affäre ziehen, aber leider waren Deine Tipps völlig daneben. Ganz ehrlich, hast Du eigentlich auch nur ein bisschen Ahnung von Fußball?
Alex Glöckle: Der Tipp damals, aus der Gruppe mit Frankreich, Deutschland und Portugal kommt der Europameister, ist kolossal nach hinten losgegangen. Ich hoffe, keiner hat sein Hab und Gut darauf verwettet, oder?
Versprochen, ich versuche in den Bereichen, mit denen ich mich beschäftige meine Hausaufgaben zu machen, damit es da besser läuft.
Wie hat Dir aber insgesamt das EM-Turnier gefallen? Ist Italien Deiner Meinung nach verdient Europameister geworden?
Alex Glöckle: Das Turnier hat mir soweit ganz gut gefallen. Für einen wie mich, der sonst viel Bundesliga schaut, wo bekanntlich in den letzten Jahren etwas Spannung gefehlt hat, freue ich mich gerade auf große Turniere. Es gibt im Vorfeld einen Kreis an Favoriten, aber eben nicht nur einen Favoriten, der dann auch gewinnt. Über die deutsche Mannschaft müssen wir jetzt aber nicht mehr sprechen?
Zu Frage zurück: Italien hat es sich verdient. Gerade bei Italien hat es mich für die Oldies in der Verteidigung gefreut. Es ist wieder einmal der Beweis, es gibt nicht alt oder jung, entscheidend ist gut oder schlecht. Man kann auch noch mit 35 Jahren plus top Leistung bringen. Es hat mich wirklich für sie sehr gefreut.
Konntest Du beziehungsweise Ihr von Soccerkinetics neue Trends bei dem EM-Turnier erkennen? Für Euer Angebot …
Alex Glöckle: Ganz ehrlich, bis auf die vielen Eigentore habe ich keine besonderen Trends erkennen können. Ich muss aber auch gestehen, wenn ich mir eine EM oder WM anschaue, dann mit Kumpels und ich genieße einfach das Spiel. Wir diskutieren natürlich, aber wir analysieren nicht deren Systeme.
Und wofür steht dann Soccerkinetics?
Alex Glöckle: Soccerkinetics steht für Neurozentralestraining. Wir kombinieren die bekannten Trainingselemente wie etwa das Passspiel, Dribbeln oder den Torschuss mit völlig verschiedenen Bewegungen, mit koordinativen, kognitiven sowie visuellen Aspekten. Das Ziel ist es dem Anforderungsprofil des modernen Spiels gerecht zu werden. Das heißt simpel gesagt, wir wollen das eine Fußballerin oder ein Fußballer eine exzellente Technik hat, die auch in Drucksituationen funktioniert.
Dazu kommt, viele Verletzungen im Fußball, rund 50 Prozent, sind ohne Einwirkung des Gegners. Dies ist in hohem Masse vermeidbar, wenn man eben richtig trainiert. Das ist unser Ziel. Stichwort: Bewegungskompetenz. Einfach den Spielerinnen und Spielern ein gutes, effektives Bewegungscoaching an die Hand zu geben.
Abschließend geht es um einen ruhigen sowie schnelleren Kopf. Jürgen Klinsmann war eine treibende Kraft in Deutschland. Körperlich sind die Profis zunehmend am Limit. Viel kann man dort nicht mehr gewinnen. Daher geht es jetzt darum, den Kopf, sprich die Handlungsschnelligkeit, auf das nächst höhere Level zu bringen.
Das sind die Punkte die Soccerkinetics ausmachen: Sehr gute Technik selbst unter Drucksituationen, die Bewegungsqualität zu verbessern sowie gutes und schnelles Handeln auf Basis einer sehr guten Wahrnehmung samt schnellerem Kopf.
Dein Mitgründer ist Jugendtrainer. Auch sonst arbeiten die Trainer eher in der Jugend. Für welche Altersklasse ist Euer Training?
Alex Glöckle: Es gibt dafür kein zu jung oder zu alt. Los geht es mit der „Bambini“-Klasse, da es ein sehr sensibles Alter beim motorischen lernen ist. Und dann ist es völlig offen. Jeder, der sich verbessern will Technik, Kognition, Koordination sowie Visualisierung ist bei uns willkommen und richtig. Das Alter spielt überhaupt keine Rolle, es geht allein nur um die Trainingserfolge.
Auf „soccerkinetics.de“ habe ich gesehen, es gibt eine Ausrüstung. Geht Euer Trainingsansatz allein mit dieser Ausrüstung?
Alex Glöckle: Wir haben auf der Webseite einen eigenen Onlinekurs, da sind schon mehr als 300 Übungsvideos enthalten. Bis zu 80 Prozent der Übungen spielen sich nur mit einem handelsüblichen Fußball ab, beziehungsweise mit einem zweiten Ball. Beispielsweise einem Tennisball. Also Dinge, die man ohnehin schon besitzt oder in einem Sportgeschäft bekommen kann. Der Preis spielt dabei gar keine Rolle. Wenn ich dann jedoch den restlichen Schritt bei unseren Übungsvideos gehen möchte und vor allem mein visuelles System verbessern will, benötige ich noch Equipment. Aber es sind Sachen, die man sich leicht für ein paar Euros online bestellen kann.
Es gibt auch ein Buch auf Eurer Webseite. Womit befasst sich dieses Werk inhaltlich? Ist es nur eine Ergänzung zur Webseite?
Alex Glöckle: Das Buch ist für die, die von Soccerkinetics schon gehört haben und in den Bereichen Handlungsschnelligkeit, Techniktrends oder differenzielles Training sich weiterentwickeln wollen. Das Buch ist quasi der Einstieg. Der Schwerpunkt liegt auf der Theorie, wissenschaftlich unterfüttert, aber so, dass es alle ganz problemlos nachvollziehen können. Aber keine Sorge, es ist nicht nur reiner Text, es gibt auch sehr schön bebilderte Anleitungen und Übungen.
In der 2. Auflage sind auch Videos dabei, die ich per QR-Code abrufen kann. Es ist also ein perfekter Einstieg, wenn man sich mit neurokinetischem Fußball befassen möchte. Das Buch gibt es für 4,95 Euro, also zum Selbstkostenpreis. Es ist unsere Mission, dass diese Trainingsform im deutschsprachigen Raum bekannter wird und neurozentrierte Übungen zum Training gehören.
Spannend … was soll noch kommen?
Alex Glöckle: Das nächste große Projekt ist die Trainerausbildung im November, die hier bei uns in Ulm stattfinden wird. Sie besteht aus 120 Minuten purer Theorie im Vorfeld und dann kommen drei Tage sehr viel Praxis mit Theorie. Den Abschluss bildet im Nachgang ein weiterer Onlineblock. Ziel ist es, Trainern, die diese Art von Training selber praktizieren möchten, bei ihrem Ansatz bestmöglich zu unterstützen. Am Ende steht dann das offizielle Soccerkinetics Trainer-Zertifikat.
Trainer, die dieses Know-how dann in die Fußballwelt raustragen!
Um den Bogen zum Anfang zu spannen, und weil Du so tolle Tipps hast … was erhoffst Du Dir von der neuen Saison?
Alex Glöckle: Oh Gott! Okay, ich könnte es mir jetzt mega leicht machen und sage, der FC Bayern München wird wieder Meister. Ich glaube auch, sie werden es. Doch diesmal müssen sie richtig kämpfen. Was immerhin für Spannung sorgt, eventuell bis zum letzten Spieltag. Was ich auf jeden Fall definitiv sagen kann: Es wird zwei Absteiger geben und eine Mannschaft muss in die Relegation. Es könnte also auch drei Absteiger geben. Nach der Saison können wir ja dann schauen, ob diese Tipps besser als bei der Europameisterschaft waren …
Ganz neue Erkenntnisse … aber wenn Du schon die Bayern als Meister tippst, was hältst Du von Julian Nagelsmann?
Alex Glöckle: Von Julian Nagelsmann, ohne jemals ein Training gesehen zu haben, halte ich sehr viel. Er betont immer wieder in Interviews, dass das Thema kognitives Training, was wir ja forcieren, ihm sehr, sehr wichtig ist. In einem Statement hat er explizit auf die Hirnkapazität verwiesen, die noch lange nicht ausgeschöpft ist, und es gilt, die Gedächtnisleistung unter hoher Belastung zu trainieren.
Es ist genau das, was wir bei Soccerkinetics zu 100 Prozent teilen. (TX)
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